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Kommt jeder E-Mail-Adresse Markenschutz zu?

Das LG Hamburg ist für seine teils sehr eigenwilligen Entscheidungen bekannt, die nicht nur von vielen Prozessvertreter kritisiert werden, sondern auch von Internetrechts-Gelehrten wie Herrn Prof. Dr. Hoeren.

Nun ging das Gericht wieder eigene Wege: Nach einem Urteil vom 18.09.2008 (Az. 315 O 988/07) kann der Bestandteil einer E-Mail-Adresse vor dem „@-Zeichen“ kennzeichenrechtlichen Schutz entwickeln.
Im Verfahren stritt ein Unternehmen mit einer Kanzlei um die Benutzung der Domain „p…l.de“ und der E-Mail-Adresse „p…@…de“. Die Kanzlei benutzte seit Jahren die Adresse ohne diese selbst oder den darin enthaltenen Begriff kennzeichenrechtlich geschützt zu haben. Das Unternehmen hatte indes den Begriff „P.“ markenrechtlich schützen lassen. Die Begriffe sind bis auf den Endbuchstaben „l“ identisch. Das Unternehmen forderte Unterlassung der Domain- und E-Mail-Benutzung von der Kanzlei wegen Verwechselungsgefahr. Die Kanzlei berief sich darauf, dass durch die bloße Benutzung des Begriffs ein vorrangiges Recht entstanden sei.

Registrierung=Benutzung

Das LG Hamburg schloss sich der Auffassung der beklagten Kanzlei an. Zur Begründung hieß es: „Mit der Aufnahme der Benutzung des Zeichens als Bestandteil der e-Mail-Adresse der Kanzlei, spätestens aber mit Benutzung des Zeichens in Gestalt der Domain www.p..de seit dem Jahr 2001 erwarb die Beklagte gegenüber der Markenanmeldung des Klägers prioritätsbesseren kennzeichenrechtlichen Schutz für den Begriff “ p.“ in Bezug auf die hier betroffene Dienstleistung.“ Dabei sah es das Gericht als unproblematisch an, dass die Domain „p…l.de“ lediglich zur Weiterleitung auf die eigentliche Homepage der Beklagten diente:

„Dabei ist unschädlich, dass die Domain www.p..de offenbar der Weiterleitung auf die weitere Domain der Beklagten www.k..de diente. Diese Verwendungsform führt nicht dazu, dass deswegen keine zeichenmäßige Verwendung für die Dienstleistungen der Kanzlei unter der Domain www.p..de anzunehmen wäre. Entscheidend ist, dass der Verkehr die Domain im Internet als (zusätzlichen) „Namen“ desjenigen Unternehmensträgers erkennt, auf dessen Homepage er – sei es auch im Wege der Weiterleitung – gelangen möchte.“

Kommentar:

Die Entscheidung ist aus zwei Gründen problematisch:

1. Zwar können E-Mail-Adressen marken- und kennzeichenrechtlichen Schutz genießen, das gilt aber nur für den Teil nach dem „@-Zeichen“, wie z. B. „@hotmail.com“ (vgl. BGH, Az. I ZR 207/06 und OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.10.2006, Az. 6 U 35/06). Bisher einmalig ist die Ansicht des Gerichts, dass der vordere Bestandteil einer E-Mail-Adresse eine besondere Unternehmenskennzeichnung nach § 5 Abs. 1 MarkenG darstellen kann. Hierbei blendet das Gericht aus, dass der hintere Teil einer E-Mail-Adresse im geschäftlichen Verkehr auf das Unternehmen hinweist. Der vordere Teil wird für gewöhnlich der einzelnen Abteilung oder dem einzelnen Mitarbeiter zugewiesen. So wurde es auch bei der beklagten Kanzlei gehandhabt.
Das Gericht ist somit der Meinung, dass alle unterscheidungskräftigen Namen im vorderen Teil einer E-Mail-Adresse eine besondere geschäftliche Bezeichnung darstellen können. Sollte sich diese Auffassung durchsetzen, hätte dies weit reichende Folgen für die Markenregistrierung in Deutschland. Der vordere Teil einer E-Mail-Adresse kann dann gegenüber allen prioritätsjüngeren Marken benutzt werden. Für eine Markenanmeldung müssten zukünftig nicht nur Marken- und Handelsregister, Internet und Telefonbücher vorab überprüft werden, sondern auch sämtliche E-Mail-Adressen. Hierfür existiert jedoch kein Verzeichnis, was zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit führen würde. Markenregistrierungen wären wirtschaftlich nicht mehr interessant.

2. Der zweite kritische Aspekt des Urteils betrifft die Feststellung, dass schon allein die Registrierung einer Internetdomain das Recht an einer besonderen geschäftlichen Bezeichnung begründen soll. Eine bloße Registrierung ist jedoch keine Benutzung im Sinne des Kennzeichenrechts. Die Besonderheit des Falles lag hier auch darin, dass es sich lediglich um eine Weiterleitung handelte. Im Verfahren konnte keine Benutzung dieser Domain nachgewiesen werden. Für eine solche wäre zumindest eine Bekanntmachung bezüglich des Geschäftsverkehrs nötig gewesen, z. B. auf anderen Internetseiten, Telefonbüchern, Visitenkarten, etc. Dem Gericht reichte jedoch, dass der Verkehr die Domain als „Namen“ des Unternehmensträgers erkennt.

Sollte sich die Auffassung des LG Hamburg auch im Berufungsverfahren vor dem OLG Hamburg (Az. 3 U 206/08) durchsetzen, werden schon registrierte Internetadressen zu Unternehmenskennzeichen und beeinträchtigen so den Markenschutz in nicht absehbarer Weise.

Das Urteil des LG Hamburg im Volltext.

, Telemedicus v. 30.12.2008, https://tlmd.in/a/1101

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