Die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) hatte 2006 die größte Medienfusion in der Geschichte Deutschlands verhindert: den Zusammenschluss des Springer Verlags mit ProSieben/Sat.1. Nun soll die Geschäftsstelle der Behörde aufgelöst werden, das Entscheidungsverfahren geändert. Ein Racheakt? Zumindest wehrt sich die KEK engagiert gegen die Reform.
Mit scharfen Worten hat die KEK in ihrem unlängst erschienen 10. Jahresbericht die Reformpläne der Bundesländer zur medienrechtlichen Konzentrationskontrolle kritisiert (Telemedicus berichtete). Besonders problematisch erscheint der KEK die Absicht des Gesetzgebers, für alle vier Kommissionen eine gemeinsame Geschäftsstelle zu bilden.
Obwohl „Organ“ der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt, sei die KEK bislang institutionell von den Landesmedienanstalten getrennt. Dadurch sollten die Kontrollaktivitäten der KEK sowohl gegen Einflussnahmen von Unternehmen, Politik und Landesmedienanstalten abgeschirmt werden. Das Vorhaben, die Organisation einer gemeinsamen Geschäftsstelle künftig allein den Landesmedienanstalten zu überlassen, bedeute der KEK zufolge einen erheblichen Rückschritt gegenüber der geltenden Rechtslage.
Die KEK wurde 1996/97 zur Sicherung der Meinungsvielfalt im deutschen Privatfernsehen geschaffen. Sie soll u.a. verhindern, dass ein Unternehmen durch „vorherrschende Meinungsmacht“ die Möglichkeit erlangt, die freie Meinungsbildung einzuschränken. Aus diesem Grund verhinderte die KEK beispielsweise im vergangenen Jahr die Fusion Springers mit Pro7/Sat1. Im Rahmen des Entscheidungsprozess kam es allerdings zu einem heftigen Streit mit der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), die sich für die Fusion aussprach. Die jetzt geplante Kompetenzbeschneidung wird von verschiedenen Beobachtern als Reaktion auf eben diese Auseinandersetzung gewertet.
Die neue KEK
Geht es nach den Ländern, sollen künftig neben der KEK drei weitere Kommissionen (Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK), Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) und die Kommission für Jugendschutz (KJM)) berufen werden. Diese sollen durch eine gemeinsame Geschäftsstelle der Landesmedienanstalten koordiniert werden.
Neben den bislang sechs unabhängigen Sachverständigen sollen weitere sechs gesetzliche Vertreter aus den Landesmedienanstalten in die KEK bestellt werden. Während die sechs unabhängigen Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder wie bisher von den Ministerpräsidenten der Länder für die Dauer von fünf Jahren einvernehmlich berufen werden, sollen die sechs Vertreter der Landesmedienanstalten und zwei Ersatzmitglieder von den Landesmedienanstalten für dieselbe Amtszeit gewählt werden.
Beschlüsse der KEK bedürfen der Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitglieder. Bei einem Abstimmungs-Patt wäre die Stimme des Vorsitzenden entscheidend, bei seiner Verhinderung die Stimme seines Stellvertreters. Sowohl der Vorsitzende als auch der stellvertretende Vorsitzende sind aus der Gruppe der unabhängigen Sachverständigen zu wählen. Die Beschlüsse sind gegenüber den anderen Organen der zuständigen Landesmedienanstalt bindend. Die KDLM als Überprüfungsinstanz wird abgeschafft.
Gemischte Gefühle bei der KEK
Zwar begrüßt die KEK den Wegfall der KDLM, da das bisherige medienkonzentrationsrechtliche Verfahren (zunächst Prüfung durch die KEK und anschließend unter bestimmten Voraussetzungen noch durch die KDLM) insgesamt länger, komplizierter und unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit weniger effektiv sei. Dies insbesondere deshalb, weil die konzentrationsrechtlichen Prüfungen durch die KEK und die KDLM hinsichtlich ihres Zieles, der Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht, und ihres rechtlichen Prüfungsmaßstabes, dem Rundfunkstaatsvertrag, identisch seien.
Bedenklich sei jedoch die Erweiterung der KEK um sechs gesetzliche Vertreter der Landesmedienanstalten. Es dürfe im Rahmen der Reformüberlegungen nicht dazu kommen, dass unter dem Deckmantel der Erschließung von Rationalisierungspotenzial die Arbeitsfähigkeit der KEK durch die Hintertür gefährdet werde. Die Zusammensetzung der KEK mit sechs unabhängigen und unparteiischen Sachverständigen habe sich in den vergangenen zehn Jahren gut bewährt. Insbesondere sei durch die besondere Sachkunde und Unabhängigkeit der Mitglieder sichergestellt gewesen, dass keine sachfremde Erwägungen in die Entscheidung einfließen. Das neue Verfahren könne dazu führen, dass mit wirtschaftspolitischen Standortinteressen andere Gesichtspunkte in die Entscheidungsfindung der KEK eingebracht würden, als der Rundfunkstaatsvertrag vorsehe. Maßstab der KEK-Entscheidungen dürfte jedoch allein die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht und die diesbezüglichen Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags sein. Zudem sei angesichts der Größe des künftig zwölfköpfigen Spruchkörpers zu bezweifeln, ob die KEK ihre effiziente und zügige Entscheidungspraxis aufrechterhalten könne.
Bereits im Juni hatte die Vorsitzende der KEK, Insa Sjurts, so die Berliner Zeitung, eine „personelle Unterhöhlung“ angeprangert. Die Pläne der Länder seien als „Rache für ProSiebenSat1“ zu verstehen und würden vor allem von der Bayerischen Landesmedienanstalt forciert, die die Springer-ProSiebenSat1-Fusion unterstützt hatte. Auch die vorgesehene Auflösung des KEK-Sitzes wurde von Sjurts heftig kritisiert: Wenn man den sechs ehrenamtlich tätigen Experten ihre Geschäftsstelle nehme, „nimmt man uns unser Rückgrat“. Die KEK entscheide über alle Anträge binnen vier Wochen, was „sensationell im deutschen Verwaltungsbereich“ sei, und leiste „gute Arbeit zu kleinen Preisen“, nämlich für 1,8 Millionen Euro pro Jahr.
Sorge um Unparteilichkeit und fachliche Kompetenz der KEK
Angesichts dieser Pläne, so der KEK-Bericht, scheine daher die Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach einer effektiven und präventiven Bekämpfung vorherrschender Meinungsmacht außer Blick geraten zu sein, denn sei es doch für die Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und fachliche Kompetenz der KEK unabdingbar, dass sie sich ihre Mitarbeiter, die dem Spruchkörper gegenüber absolut loyal, verschwiegen und mit der Materie Vielfaltsicherung vertraut sein müssen, selbst aussuchen könne und diese nicht in einer auch für ganz andere Verwaltungsaufgaben bestimmten Geschäftstelle vorfinde.
Gerade die Sorge vor vorrangiger Berücksichtigung von Standortinteressen hätte den Gesetzgeber des 3. RÄndStV veranlasst, in der amtlichen Begründung zu § 35 RStV 1996 zu schreiben:
„Die bisherigen Vorschriften über die Sicherung der Meinungsvielfalt haben sich auch insoweit nicht bewährt, als sie die Struktur der Aufsicht … zum Gegenstand haben. … Zweckferne und sachwidrige Einflüsse … sollen durch diese [neuen] organisatorischen Regelungen ausgeschlossen werden.“
Was damals als richtig erkannt wurde, könne heute nicht falsch sein. Divergierende Positionierung einzelner Landesmedienanstalten bei der Verfolgung medienkonzentrations-rechtlicher Anliegen, wie sie im Fall Axel Springer AG/ProSiebenSat.1 Media AG auffällig wurden und jetzt auch bei der laufenden Diskussion um die fortbestehende Qualität von Sat.1 als Vollprogramm zutage treten, ließen den fortbestehenden und wohl auch immanenten Konflikt deutlich werden.
Negativ-Beispiel KJM
Kritisch verweist die KEK in diesem Zusammenhang auf das Beispiel der KJM. Diese nenne sich nicht nur zufällig „Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten“. Die Zuordnung im Namen finde ihren Niederschlag auch in der Untergliederung in eine Stabs- und in eine Geschäftsstelle und deren jeweiliger Lokalisierung. Während die Geschäftsstelle in Erfurt allein für organisatorische und koordinierende Aufgaben zuständig ist, sei die personell erheblich umfangreicher ausgestattete Stabsstelle unmittelbar beim Vorsitzenden in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) in München angesiedelt. Sie sei zuständig für inhaltliche Fragen, die Vorbereitung von Grundsatzangelegenheiten und die Öffentlichkeitsarbeit der KJM. Diese künstliche Aufgabenverschiebung dürfe nicht Vorbild für die KEK werden, es sei denn, man beabsichtige explizit die Schwächung ihrer Arbeitsweise.
Vielfalt ermöglichen, nicht behindern
Die Kommission fordert den Gesetzgeber daher auf, eine Struktur zu schaffen, die Vielfalt ermöglicht, statt sie zu behindern. Sie appelliert an die Ministerpräsidenten, organisationsrechtlich dafür Sorge zu tragen, dass die KEK nicht das Schicksal der KJM erleidet und ihre funktionale Verselbständigung verliert. Wenn schon nicht im Text, so sollte dies wenigstens in den Materialien bzw. der Begründung zum RStV einen Niederschlag finden.
„Wenn es um Effizienzsteigerung und Kostenersparnis geht, gibt es andere Ansatzstellen“, so Sjurts und spielte, so die Berliner Zeitung, auf die 14 Landesmedienanstalten an, die mit rund 143 Millionen Euro aus den Rundfunkgebühren finanziert werden. Doch noch sei „nicht alles verloren“, sie selbst werde „kämpfen bis zur letzten Minute“!