Kaum ein Rechtsgebiet wird zurzeit so häufig novelliert wie das Urheberrecht. Erst zum Jahreswechsel ist ein neues UrhG in Kraft getreten, die letzte Änderung lag da noch nicht einmal fünf Jahre zurück. Der Wandel durch neue Technologien wie das Internet hat eine Anpassung unerlässlich gemacht. Und dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen: Zurzeit beschäftigt sich das Parlament mit der Umsetzung der Enforcement-Richtlinie (Richtlinie zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums) sowie einer erneuten Novelle des UrhG, dem sog. Dritten Korb.
Enforcement-Richtlinie: Stillstand der Diskussion
Die Enforcement-Richtlinie (pdf) der EU aus dem Jahr 2004 ändert ausdrücklich nicht die materiellen Bestimmungen der Schutzrechte am geistigen Eigentum. Es geht lediglich um deren Durchsetzung: Der Verletzte soll im Prozess sowie bei der Vollstreckung besser gestellt werden. Dafür müssen in Deutschland u.a. das UrhG, das MarkenG, das PatentG und das Geschmacks- bzw. GebrauchsmusterG geändert werden. Dem Bundestag liegt bereits ein Regierungsentwurf (pdf) vor, zu dem der Bundesrat auch schon Stellung genommen hat. Seit letztem Sommer ist das Beratungsverfahren jedoch ins Stocken geraten.
Die Ansichten der Regierung, der Länderkammer und der unterschiedlichen Fraktionen gehen dabei weit auseinander. Uneinig ist man sich z.B. über die Berechnung des Schadensersatzes (Strafschadensersatz) sowie über die Regelung von Auskunftsansprüchen des Verletzten. Mit deren Hilfe soll die Identität des Verletzers und der Umfang der Verletzung bestimmt werden können. § 101 a UrhG sieht einen solchen Anspruch bisher nur gegen den Verletzer selbst vor – die Richtlinie will auch Dritte verpflichten. Der Regierungsentwurf weitet deshalb die Liste in § 101 Abs. 2 UrhG-E auf jede Person aus, die…
…in gewerblichem Ausmaß
1. rechtsverletzende Vervielfältigungsstücke in ihrem Besitz hatte,
2. rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm,
3. für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder
4. nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Vervielfältigungsstücke, sonstigen Erzeugnisse oder Dienstleistungen beteiligt war (…).
Ansprüche auch gegen Internet-Provider
Damit werden insbesondere auch Internet-Provider zur Auskunft verpflicht, wenn Rechtsverletzungen online vorgenommen werden. Dann bedarf es häufig der Verkehrsdaten, um den Verletzter zu ermitteln. Diese Daten sind aber besonders geschützt, weil sie dem Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG, § 88 TKG) unterliegen. Deswegen normiert der Entwurf für diese Fälle in § 101 Abs. 9 UrhG-E einen strengen Richtervorbehalt:
Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nr. 30 des Telekommunikationsgesetzes) erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist. (…)
Beschränkung der Abmahnkosten?
Die Bundesregierung hat außerdem eine Deckelung der Abmahnkosten vorgeschlagen. Die ist zwar nicht in der Enforcement-Richtlinie vorgegeben, soll aber im gleichen Gesetz geregelt werden. Und zwar durch einen neuen § 97 a Abs. 2 UrhG-E:
Der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung beschränkt sich in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 50 Euro.
Eine solche Regelung soll den Verbraucher vor missbräuchlichen Abmahnungen schützen. Sie ist aber auf geringe Verletzungstatbestände im privaten Bereich beschränkt.
Dritter Korb: Ein Korb (nicht nur) für die Wissenschaft
Im Mittelpunkt der Diskussion um eine erneute Novelle des UhrG stehen Regelungen für die Bildung, Wissenschaft und Forschung. U.a. geht es um den Zugang zu Forschungsergebnissen, die mit öffentlichen Mitteln, also Steuergeldern, produziert worden sind. Solche Informationen sollen der Allgemeinheit frei und kostenlos zur Verfügung stehen (Open-Access-Prinzip). Vorbild könnten dabei die USA sein, die im letzten Sommer eine entsprechende Regelung beschlossen haben. In diesem Zusammenhang wird auch diskutiert, ob solche Forschungsergebnisse überhaupt an Verlage etc. lizenziert werden dürfen. Ein weiterer Punkt betrifft den Zugang zu Werken an elektronischen Leseplätzen.
Aber auch andere Problemfelder sind ein Thema: Professor Gerhard Pfennig von der VG Bild-Kunst fordert z.B. eine technologieneutrale Fassung des § 20 b UrhG (Kabelweitersendung). Damit sollen auch kabellose Vorgänge eindeutig erfasst werden. Die Vertreter der ausübenden Künstler versuchen ihre Stellung im UrhG zu verbessern: Die Einschränkungen bei der Lizenzvergabe für unbekannte Nutzungsarten (§ 31 a UrhG) sollen auch für Leistungsschutzberechtigte gelten. Sie begrüßen die Vorschläge des EU-Kommissars McCreevy, die eine Verlängerung des Leistungsschutzes von 50 auf 95 Jahre vorsehen. Nach dessen Äußerungen wird auch auf europäischer Ebene über weitere Anpassungen des Urheberrechts diskutiert – ein Ende der Novellierungen ist also vorerst nicht in Sicht.