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Kauf geklauter Steuerdaten: Straftat oder Strafverfolgung?

Aus der Schweiz erhält der deutsche Staat gerade ein Angebot, das er nicht ablehnen wird: Ein Unbekannter hat sich bei einer Bank die Kunden- und Kontodaten von 1.500 Anlegern verschafft, unter ihnen auch Deutsche, und bietet die Daten den deutschen Finanzbehörden für 2,5 Millionen Euro zum Kauf an. Diese versprechen sich eine satte Rendite: Mehreinnahmen durch Steuernachzahlungen von mindestens 100 Millionen Euro werden erwartet. Der Fall lässt viele Fragen offen: Wer ist der Informant? Welche Bank ist betroffen? Und vor allem: Darf der Staat das überhaupt, diese Daten ankaufen?

Strafbarkeit des Informanten

Man weiß nicht viel über den Informanten oder seine Vorgehensweise, kann aber davon ausgehen, dass er sich strafbar gemacht hat. Hat er die Daten in der Schweiz beschafft, ist gemäß Art. 8 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 StGB-CH das schweizerische Strafrecht anwendbar. Dort könnten erfüllt sein: Unbefugte Datenbeschaffung (Art. 143 StGB-CH), unbefugtes Eindringen in ein DV-System (Art. 143bis StGB-CH) betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage (Art. 147 StGB-CH), ungetreue Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB-CH), Verletzung des Geschäftsgeheimnisses (Art. 162 StGB-CH), wirtschaftlicher Nachrichtendienst (Art. 273 StGB-CH) und Verletzung der beruflichen Schweigepflicht (Art. 35 DSG-CH). Auch im deutschen Strafrecht kommt ein Bündel von Straftatbeständen in Betracht: Verrat von Betriebs-  und Geschäftsgeheimnissen (§ 17 Abs. 1 oder 2 UWG), Ausspähen bzw. Abfangen von Daten (§§ 202a, 202b StGB), Untreue (§ 266 StGB) oder Datenmissbrauch (§ 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 BDSG).

Strafbarkeit deutscher Beamter?

Schwieriger zu beurteilen ist die Strafbarkeit deutscher Beamter oder Politiker,  die beim Ankauf der Kundendaten mitwirken. Für die Untersuchung sei davon ausgegangen, dass das deutsche Strafrecht angewendet wird: Dieses gilt für Taten, die im Inland begangen werden (§ 3 StGB), und für Taten im Ausland, die ein deutscher Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter begeht (§ 4 Nr. 12 StGB). Eventuell gilt auch das schweizerische Strafrecht, etwa, wenn die Daten in der Schweiz übergeben werden (vgl. Art. 3 Abs. 1 StGB-CH). Danach sieht es nicht aus: Die bereits überreichten Proben aus den Datensätzen erhielt der Staat in Wuppertal. Nur kurz sei darauf hingewiesen, dass auch eine deutsch-schweizerische Doppelbestrafung in Betracht kommt – eine solche verstößt jedenfalls nicht in jedem Fall gegen das deutsche Grundgesetz (BVerfG 2 BvR 38/06).

Hehlerei

Hehlerei (§ 259 Abs. 1 StGB), d.h. der Handel mit gestohlenen Sachen, kommt nicht in Betracht. Die Verwirklichung des Tatbestandes setzt voraus, dass eine „Sache“ rechtswidrig erlangt wurde. Kopierte Daten aber sind keine „Sachen“, keine körperlichen Gegenstände. Hehlerei wäre es nur dann, wenn der Beamte genau jenen Datenträger annimmt, den der Informant aus der Bank entwendet hat. Diese Fallkonstellation ist ziemlich unwahrscheinlich.

Begünstigung

Wegen Begünstigung, § 257 Abs. 1 StGB, wird bestraft, wer „einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht Hilfe leistet, ihm die Vorteile der Tat zu sichern“. Wenn – wie hier – Individualrechtsgüter betroffen sind, muss die Vortat nicht der deutschen Strafverfolgung unterliegen, wohl aber nach deutschem Recht strafbar sein. Hier kommen, wie bereits erwähnt, mehrere Straftatbestände in Betracht: § 17 UWG, §§ 202a, 202b oder 266 StGB, § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 BDSG. Die Hilfeleistung muss objektiv der Vorteilssicherung dienen, und der Täter der Vortat muss sich, so der BGH, zum Zeitpunkt der Begünstigungshandlung „noch im Genuss des durch Tat erlangten Vorteils“ befinden (BGH 3 StR 458/93). Daran scheitert die Strafbarkeit hier: Der eigentliche Vorteil des Informanten entsteht durch den Ankauf. Er wird nicht dadurch gesichert. Dementsprechend sagt der BGH (4 StR 148/08), dass Erlöse aus einer Verwertung des durch die Vortat Erlangten nicht mehr „’die’ Vorteile der Tat“ sind. Ergebnis: Keine Strafbarkeit wegen Begünstigung.

Geheimnishehlerei

Der Daten kaufende Beamte könnte auch Täter einer Geheimnishehlerei gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG sein. Eine solche begeht, wer zugunsten eines Dritten ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das er durch eine fremde Handlung nach § 17 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 UWG erlangt hat, unbefugt verwertet oder jemandem mitteilt.

Als begünstigter Dritter kommt der Fiskus in Frage. Jedoch: Der deutsche Staat steht mit dem Geschädigten (hier: der Bank) nicht im Wettbewerb. Der Schutzzweck des Gesetzes könnte daher einer Strafbarkeit entgegenstehen: Geschützt werden Mitbewerber, Verbraucher und andere Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen sowie das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb (§ 1 UWG). Der staatliche Ankauf von Daten zum Zwecke der Ermittlung und Strafverfolgung ist indes keine „geschäftliche Handlung“ i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Den Wettbewerb beeinflusst er trotzdem, nur indirekt zwar, doch das genügt, sagt die Rechtsprechung: Das BayObLG hatte einst über einen Zeitungsmitarbeiter zu richten, der den Text ausgewählter Kleinanzeigen bereits vor Erscheinen der jeweiligen Ausgabe an Bekannte verriet. Die so informierten Insider schlugen flink zu; manch inseriertes Angebot bestand am Erscheinungstag bereits nicht mehr. Man befürchtete, dies könne die Leser verärgern und vom Zeitungskauf abhalten. Der Mitarbeiter beging eine Geheimnishehlerei, so das BayObLG. Ein Geheimhaltungsinteresse sei bereits dann schutzwürdig, wenn das Unternehmen „an der Wahrung des Geschäftsgeheimnisses interessiert ist, weil andernfalls die ernsthafte Gefahr eines Umsatzrückganges oder der Minderung seines geschäftlichen Ansehens besteht“ (BayObLG 4St RR 114/2000). Eine solche Gefahr besteht auch hier, bei den Banken: Deren Ansehen ist gefährdet, wenn die Existenz einer „undichten Stelle“ bekannt wird. Mag sein, dass eine Bank nicht schutzwürdig ist, soweit sie deutsche Steuerhinterzieher und also Rechtsbrecher zu ihren Kunden zählt, aber das ist nicht entscheidend: Ansehen verliert die Bank ebenso bei den ehrlichen Kunden, die ja auch nicht wollen, dass ihre Daten in fremde Hände oder dem Staat anheim fallen. Der Datenankauf zugunsten des Fiskus ist damit eine wettbewerbsrechtlich relevante Handlung.

Fraglich ist aber, ob ein ankaufender Beamter unbefugt handelt, wenn er die Daten verwertet oder mitteilt. Er handelt nicht unbefugt, wenn der Verfügungsberechtigte zustimmt oder wenn er ein Recht zum Handeln hat. Zugestimmt hat die Bank nicht, der einzelne Kunde erst recht nicht. Gibt es ein Recht zum Handeln?

Die Kernfrage: Darf der Staat die Daten ankaufen?

Die deutschen Behörden wollen die Daten zur Strafverfolgung verwenden, sie wollen Steuerdelikte ermitteln. Ermächtigungsnorm für die strafprozessuale Beweiserhebung ist § 161 Abs. 1 StPO, an den auch die Finanzbehörden gebunden sind, wenn sie im Steuerstrafverfahren ermitteln (§ 399 Abs. 1 AO). Die Vorschrift erlaubt es der ermittelnden Behörde, „Ermittlungen jeder Art“ selbst vorzunehmen oder „durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes“ vornehmen zu lassen. Doch das ist kein Freibrief für alles: So sind bestimmte Verhörmethoden verboten (§ 136a StPO), und für manche Ermittlungsmethode ist eine richterliche Genehmigung nötig (z.B. § 81a StPO). Für den Ankauf und die Verwertung von Gegenständen, die ein anderer rechtswidrig erlangt hat, gibt es hingegen keine Spezialvorschrift. Gesetzliche Grundlage für einen Ankauf illegal beschaffter Daten ist also § 161 Abs. 1 StPO, die Befugnis zu „Ermittlungen jeder Art“. Bei Ausübung dieser Befugnis muss sich der Staat allerdings am Verfassungsrecht messen lassen.

Anwendung der „Ermittlungsgeneralklausel“

Das BVerfG betrachtet § 161 Abs. 1 StPO als „Ermittlungsgeneralklausel“ (2 BvR 8/08). Existierten in einem Bereich speziellere Vorschriften im Strafprozessrecht, so dürfe die Generalklausel nicht zusätzlich angewendet werden. Daher sei es unzulässig, wenn die Staatsanwaltschaft zur Ermittlung von Straftaten einem Dritten Akteneinsicht in einem bereits eingestellten Strafverfahren gewähre: § 477 Abs. 3 Nr. 1 StPO verbiete eben dies. Bei den angekauften Bankdaten liegt der Fall hingegen anders: Die Datenerhebung und -beschaffung zu Ermittlungszwecken ist in der StPO nicht so umfassend geregelt, dass eine speziellere Vorschrift den Ankauf verbieten würde. Die Vorschrift zur „Rasterfahndung“ (§ 98a StPO) verdrängt die Generalklausel nicht, denn sie gilt „unbeschadet §§ 94, 110 161“ (§ 98a Abs. 1 S. 1 StPO; hierzu auch BVerfG 2 BvR 1372/07). Das Bundesdatenschutzgesetz ist bei Ermittlungen gegenüber der StPO ohnehin nachrangig (§ 1 Abs. 3 BDSG, vgl. hierzu VGH Mannheim, 10 S 1283/04).

Informationelle Selbstbestimmung

Die Bankkunden könnten durch den Ankauf in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen sein, welches sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ergibt. Dieses Recht ermöglicht es dem Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen (BVerfGE 65, 1 ff., 42 f., BVerfG 2 BvR 941/08). Jede Erhebung, Speicherung, Weitergabe oder Veröffentlichung von Daten stellt einen Eingriff in dieses Grundrecht dar.

Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung können zulässig sein, wenn sie im überwiegenden Allgemeininteresse liegen und auf einer gesetzlichen Grundlage ergehen, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht und verhältnismäßig ist; Anlass, Zweck und Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (BVerfG 2 BvR 941/08 m.w.N.).

Die Ermittlungsgeneralklausel, so das BVerfG, ist „Ermächtigungsgrundlage für Ermittlungen jeder Art […], die nicht mit einem erheblichen Grundrechtseingriff verbunden sind und daher keiner speziellen Eingriffsermächtigung bedürfen“ (BVerfG 2 BvR 8/08); sie „ermächtigt die Staatsanwaltschaft zu den erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen, die weniger intensiv in Grundrechte des Bürgers eingreifen“ (BVerfG 2 BvR 1372/07). Spezielle Ermächtigungen sind z.B. nötig bei Beweismittelsicherung durch körperlichen Eingriff wie etwa der Blut- oder DNA-Probe; Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich benötigen hingegen nicht immer eine spezielle Ermächtigung (BVerfG 2 BVR 103/92). Von vornherein unzulässig sind zwar Eingriffe in die Intimsphäre, d.h. in den unantastbaren Bereich privater Lebensführung, die betroffen sein kann, wenn im Strafprozess auf Tonband aufgezeichnete Privatgespräche (BVerfG 2 BvR 454/71) verwertet werden. Die Verwendung von Tagebuchaufzeichnungen hält das BVerfG hingegen nicht für grundsätzlich unzulässig (BVerfGE 80, 367 ff., 376). Ist nicht die Intimsphäre betroffen, so ist eine Abwägung vorzunehmen: „Im überwiegenden Allgemeininteresse“ können Einschränkungen erforderlich sein.

Aktion „Mikado“

Als zulässig hat es das BVerfG beispielsweise angesehen, dass die Staatsanwaltschaft, gestützt auf § 161 StPO, bei Kreditkarten ausgebenden Banken die Daten all jener Kunden erfragte, die 79,99 Dollar an eine bestimmte philippinische Bank gezahlt hatten („Aktion Mikado“). Auf diese Weise wollte man die Besteller kinderpornografischer Inhalte ausfindig machen. Die Suche führte immerhin zu 322 Treffern. Für das BVerfG kam es nicht darauf an, dass die Abfrage aus Sicht der Kunden heimlich geschah; auch nicht auf den Umstand, dass der Staat „sich so Daten verschafft, die von den Dateninhabern nicht für seinen Zugriff bestimmt waren“ (BVerfG 2 BvR 1372/07). Die Maßnahme habe eine „nur geringe Eingriffsintensität“ aufgewiesen, „nur ein eng begrenzter und präzise beschriebener Personenkreis“ sei betroffen gewesen, der zudem „nach dem damaligen Ermittlungsstand durch sein Verhalten den Tatverdacht begründet hatte“.

Der Datenankauf – ein neues „Mikado“?

Das Beispiel „Mikado“ ist dem vorliegenden Fall ähnlich, aber nicht mit ihm identisch. In beiden Fällen sind die Kundendaten nicht für den staatlichen Zugriff bestimmt gewesen; verschärfend kommt hier allerdings hinzu, dass sie durch eine rechtswidrige Tat erlangt wurden. Hier lässt sich gut vertreten, dass ein Eingriff, bei dem der Staat mit Straftätern kollaboriert, schwerer wiegt, weil in ihm zugleich ein Vertrauensbruch liegt: Schließlich soll der Staat die Verbrecher jagen, und nicht mit ihnen zusammenarbeiten. In beiden Fällen stehen zudem wohl auch „Unschuldige“ auf der Liste: Kreditkartenzahler, die etwas völlig Harmloses bestellten, Anleger, die alles ordnungsgemäß versteuern. Ob es aber ausreicht, einen Tatverdacht zu begründen, wenn man lediglich ein Konto in der Schweiz hat, erscheint ebenso fraglich. Andererseits sind im Steuerrecht Konto- und Finanzdaten nur in geringem Maße vor dem Zugriff des Staates geschützt: Der Steuerzahler ist zur wahrheitsgemäßen Angabe seiner Einkünfte verpflichtet. Die Finanzbehörden können unter bestimmten Voraussetzungen Kontodaten und sogar -bewegungen von den Banken abrufen (§ 93b AO). Die Vermögensverhältnisse jener Anleger, die ordnungsgemäß versteuern, kennt der Staat also ohnehin schon. Jedenfalls jener, die in Deutschland steuerpflichtig sind.

Es lässt sich also nicht mit Sicherheit sagen, ob der Datenankauf vor dem BVerfG Bestand haben wird. Es spricht allerdings mehr dafür als dagegen: Das Gericht hat deutlich gemacht, dass die Art und Weise der Informationsgewinnung nicht entscheidend ist und größeres Augenmerk auf die Eingriffsintensität gelegt werden muss. Dass diese beim Datenkauf ähnlich gering ist wie bei der „Mikado“-Fahndung, lässt sich gut begründen.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG wäre der Datenankauf also nicht „unbefugt“ i.S.d. § 17 Abs. 2 UWG. Damit scheidet eine Strafbarkeit deutscher Beamter wegen Datenhehlerei aus.

Rechtfertigungsgrund

Die Befugnis staatlicher Stellen zum Datenankauf nach § 161 StPO ist ein strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund, der die Rechtswidrigkeit tatbestandsmäßigen Verhaltens ausschließt. Daher scheidet nicht nur ein Datenmissbrauch gemäß § 44 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG aus – die Vorschrift spricht wie § 17 Abs. 2 UWG von „unbefugtem“ Handeln –, sondern auch eine Strafbarkeit nach den Landesdatenschutzgesetzen. Der nach Lage der Dinge wahrscheinlich anzuwendende § 33 Abs. 1 S. 1 DSG NRW (vgl. zur Anwendbarkeit von Landesdatenschutzrecht BGH 5 StR 268/99) ist daher ebenfalls nicht erfüllt, obwohl die Vorschrift ein „unbefugtes“ Verhalten nicht ausdrücklich voraussetzt.

Auch die Teilnahme (Anstiftung, § 26 StGB oder Beihilfe, § 27 StGB) an der Straftat eines anderen ist nur strafbar, wenn sie rechtswidrig ist. Daher scheidet eine Teilnahme des staatlichen Vertreters an einer Straftat des Informanten bereits aus diesem Grunde aus.

Aufforderung zu Straftaten

Der Ankauf der Daten selbst ist also für die Vertreter des Staates nicht strafbar. Fraglich ist aber, wie es zu bewerten ist, dass der Ankauf in aller Öffentlichkeit geschieht und damit möglicherweise Nachahmer anlockt: Auch für einen gut bezahlten Bankangestellten in der Schweiz sind 2,5 Millionen Euro ein verlockendes Zubrot. In Betracht kommt eine Strafbarkeit wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten gemäß § 111 Abs. 1 StGB. Diese ist nicht ohne weiteres gerechtfertigt, denn im Rahmen des § 161 Abs. 1 StPO ist eine öffentliche Ermittlung nicht erforderlich.

Eine Aufforderung i.S.d. § 111 Abs. 1 StGB ist „eine an die Motivation anderer gerichtete Erklärung, die erkennbar ein bestimmtes Tun verlangt“ (OLG Frankfurt 3 Ss 317/02). Zwar sind auch konkludente Aufforderungen denkbar (KG Berlin (3) 1 Ss 388/00), jedoch ist eine „offene Einflussnahme“ nötig; die Schaffung eines „psychischen Klimas, in dem Straftaten gedeihen können“, reicht nicht aus (OLG Hamm, 3 U 9/09). Erforderlich ist auch, dass die Adressaten unmittelbar zur Tatbegehung motiviert werden (OLG Stuttgart 4 Ss 42/07). Das Inaussichtstellen finanzieller Zuwendungen für gegebenenfalls durch Straftaten erlangte Daten genügt hierbei wohl nicht: Ein bestimmtes Tun wird weder ausdrücklich noch konkludent verlangt.

Zusammenfassung und Ergebnis

Der geplante Ankauf von Kundendaten einer schweizerischen Bank durch den deutschen Staat ist für dessen Organwalter nicht strafbar. Während Begünstigung und Hehlerei bereits tatbestandlich nicht erfüllt sind, scheitert eine Strafbarkeit im Übrigen daran, dass der Beamte nicht rechtswidrig handelt: Er hat ein Recht zum Ankauf dieser Daten aus § 161 Abs. 1 StPO. Dass der Ankauf in aller Öffentlichkeit geschieht und geeignet ist, Nachahmer anzulocken, führt nicht zu einer Strafbarkeit der staatlichen Vertreter gemäß § 111 Abs. 1 StGB.

So jedenfalls lautet das Ergebnis, wenn man den Fall an der Rechtsprechung des BVerfG zum Strafprozessrecht misst. Aus rechtsstaatlicher Sicht mag dies unbefriedigend sein, zumindest hinterlässt es einen schalen Beigeschmack: Der Staat kollaboriert mit Straftätern zum beiderseitigen Gewinn.

Weiterführende Lesehinweise:

  • Sieber, Ermittlungen in Sachen Liechtenstein – Fragen und erste Antworten, NJW 2008, 881 ff.
  • Trüg/Habetha, Die "Liechtensteiner Steueraffäre" – Strafverfolgung durch Begehung von Straftaten?, NJW 2008, 887 ff.
  • Göres/Kleinert, Die Liechtensteinische Finanzaffäre – Steuer- und steuerstrafrechtliche Konsequenzen, NJW 2008, 1353 ff.
  • Schünemann, Die Liechtensteiner Steueraffäre als Menetekel des Rechtsstaats, NStZ 2008, 305 ff.
, Telemedicus v. 05.02.2010, https://tlmd.in/a/1640

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