Das BILD-Blog hat gestern mal wieder über „Bilderklau“ durch BILD und andere Medien bei StudiVZ berichtet. Der Autor Lukas Heinser fragt sich, warum StudiVZ nicht rechtlich dagegen vorgeht:
„Es ist längst Routine: Wenn irgendwo junge Leute sterben, gehen Journalisten ins Internet und suchen dort nach Bildern der Toten. […] Die Pflicht, dagegen zu kämpfen, hätten vor allem die Betreiber der Netzwerke. Man sollte annehmen, dass sie sogar ein Interesse daran hätten, schon aus Verantwortung ihren Nutzern gegenüber. Doch der Gedanke täuscht.“
Aber geht das überhaupt? Kann StudiVZ rechtlich dagegen vorgehen, wenn Journalisten Fotos von Nutzern „klauen“? Ist StudiVZ überhaupt in der Lage, seine Nutzer davor zu schützen?
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Erster Anhaltspunkt sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von StudiVZ. Wer sich bei StudiVZ registriert, schließt mit der Betreibergesellschaft einen Vertrag. Für diesen Vertrag gelten die AGB von StudiVZ. Dort heißt es in Ziffer 5.4:
„5.4.1
Die Nutzung des studiVZ-Netzwerkes und seiner Anwendungen darf ausschließlich zu privaten Zwecken erfolgen. Nutzer dürfen daher die Kontaktdaten anderer Nutzer, die über das studiVZ-Netzwerk zugänglich sind, für keine anderen Zwecke nutzen, als für die eigene private Kommunikation. […]5.4.2
Jede Nutzung, die darauf abzielt, das studiVZ-Netzwerk, über dieses zur Verfügung gestellte Anwendungen oder zugänglich gemachte Inhalte geschäftsmäßig, gewerblich oder sonstig kommerziell zu verwenden, ist untersagt.“
Das bedeutet allerdings noch lange nicht, dass StudiVZ sofort losziehen und klagen könnte, wenn jemand gegen die AGB verstößt. Das wäre vielen Nutzern wahrscheinlich auch nicht recht. Die AGB regeln deshalb auch die Sanktionen, die bei AGB-Verstößen drohen:
• Teilweises und vollständiges Löschen von Inhalten eines Nutzers,
• Verwarnung eines Nutzers,
• Ein-/Beschränkung bei der Nutzung von Anwendungen im studiVZ-Netzwerk,
• temporäre Sperrung eines Nutzers,
• endgültige Sperrung eines Nutzers.
Man merkt: Die AGB sind nicht auf Journalisten ausgelegt, sondern auf Studenten. Wer StudiVZ nutzt, um mit seinen Freunden Kontakt zu halten, wird von einer endgültigen Sperrung ziemlich hart getroffen. Wer allerdings nur im Rahmen seiner „Recherche“ Bilder übernehmen möchte, wird davon ziemlich unbeeindruckt sein.
Außerdem zeigt sich hier ein weiteres Problem: StudiVZ kann höchstwahrscheinlich nicht nachvollziehen, von welchem Account aus die Bilder heruntergeladen wurden. Selbst wenn StudiVZ also weiß, dass eine Zeitung Fotos übernommen hat, ist noch lange nicht klar, welcher Benutzer dahintersteckt. Wen soll StudiVZ also sperren?
Das Urheberrecht
Die nächste Möglichkeit, gegen fotoklauende Journalisten vorzugehen, ist das Urheberrecht. Fotos sind nach § 72 UrhG geschützt und dürfen nicht ungefragt übernommen werden. Das gilt auch für einfache Schnappschüsse bei StudiVZ. Die Rechte an den Fotos stehen dem Fotografen zu.
In den AGB von StudiVZ ist auch nicht geregelt, dass diese ausschließlichen Rechte des Foto-Urhebers auf StudiVZ übergehen. Nach dem sog. Zweckübertragungsgrundsatz bekommt StudiVZ deshalb beim Upload eines Fotos nur so viele Rechte, wie im konkreten Fall notwendig sind. StudiVZ darf die Fotos also entsprechend der Einstellungen des Nutzers veröffentlichen – der Upload wäre ansonsten auch sinnlos. Darüber hinaus hat StudiVZ aber keine Rechte an den Bildern.
Die Rechte an dem Foto liegen also nach wie vor beim Fotografen – nicht bei StudiVZ. Urheberrechtlich kann deshalb nur derjenige gegen die Übernahme von Bildern aus dem StudiVZ vorgehen, der die entsprechenden Fotos gemacht hat. StudiVZ selbst hat hier keine Handhabe.
Das virtuelle Hausrecht
Ein weiterer Ansatz könnte das „virtuelle Hausrecht“ sein. Einige Gerichte haben entschieden, dass dem Eigentümer einer Internetseite unter Umständen eine Art Hausrecht zusteht und er deshalb einzelne Besucher von seiner Webseite ausschließen kann. Hergeleitet wird dieses Hausrecht aus dem Eigentumsrecht des Betreibers. Wer gegen das Hausrecht verstößt, kann auf Unterlassung verklagt werden.
Eingeschränkt wird dieses Hausrecht allerdings durch entgegenstehende Rechte der Nutzer. Der Betreiber darf also nicht willkürlich jeden ausschließen, wie er möchte. Hat der Nutzer zum Beispiel einen Vertrag, der ihm die Nutzung erlaubt, kann er nicht ohne weiteres rausgeschmissen werden – zunächst gilt ja sein Vertrag. Hier kommen dann doch wieder die AGB von StudiVZ ins Spiel. Denn ein Journalist könnte sich nicht auf seinen Vertrag mit StudiVZ berufen, der ihm die Nutzung der Internetseite erlaubt – immerhin hat er selbst gegen den Vertrag verstoßen und kann deswegen ausgeschlossen werden. Umgekehrt würde es für StudiVZ keine Rolle spielen, mit welchem Account der Journalist bei StudiVZ angemeldet war. Denn das Hausverbot kann direkt gegen den Journalisten ausgesprochen werden – unabhängig davon, um welchen Account es geht.
Dennoch hat die Sache einen Haken: StudiVZ kann nicht gleich losziehen und klagen. Zunächst müsste das „Hausverbot“ ausgesprochen werden. Erst wenn der gesperrte Journalist gegen dieses „virtuelle Hausverbot“ verstößt könnte StudiVZ auch vor Gericht ziehen. Ob das aber reicht, ist fraglich. Denn StudiVZ hätte bei der Durchsetzung des Hausverbots ein entscheidendes Problem: Den Beweis. Wie sollte StudiVZ beweisen, dass genau dieser Journalist, der gerade mal wieder ein Foto veröffentlicht hat, gegen das Hausverbot verstoßen hat? Das Foto hätte der Zeitung ja auch von einem „Informanten“ zugespielt worden sein können.
Das Hausverbot klingt also auf den ersten Blick wie die perfekte Lösung. Auf den zweiten Blick hilft es aber doch nicht weiter.
StudiVZ ist machtlos
Es bleibt nur die Erkenntnis: StudiVZ ist machtlos gegen Journalisten, die die Plattform als dankbare Fotodatenbank missbrauchen – zum Teil aus rechtlichen, zum Teil aus praktischen Gründen. Das bedeutet natürlich nicht, dass man sich als Journalist in Social Networks frei bedienen darf. Betroffene bzw. deren Angehörige und auch die Urheber der Fotos können selbstverständlich in den allermeisten Fällen gegen unerlaubte Veröffentlichungen vorgehen.
Aber kann man StudiVZ hier eine Verantwortung für seine Nutzer zusprechen? Lukas Heinser schlägt im BILD-Blog vor, dass StudiVZ seine Nutzer auf die Risiken hinweisen soll. Viel nützen wird das wahrscheinlich nicht – wie die meisten Warnhinweise.
Heinser hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass bei Todesfällen die Hinterbliebenen meist weder Kraft noch Sinn dafür haben, sich mit großen Medien juristisch über Fotos aus dem StudiVZ zu streiten. Und er hat auch Recht, dass die Unternehmenskommunikation von StudiVZ – mal wieder – ausgesprochen unglücklich war. Das Problem fragwürdiger Recherchemethoden kann StudiVZ aber nicht lösen.