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„Jeder, der das Internet aktiv nutzt, begeht Urheberrechtsverletzungen“

Eine Äußerung von Markus Beckedahl (Netzpolitik.org) macht aktuell Furore. Dieser hatte gesagt:

„Jeder, der das Internet aktiv nutzt und Medienkompetenz zeigt, begeht die ganze Zeit Urheberrechtsverletzungen.“

Viele Juristen haben dem energisch widersprochen. Ich halte den Satz aber für richtig, so plakativ er auch klingen mag. Fünf Beispiele.
1. Kommentierte Links in Blogs

Der kommentierte Link ist eine typische Artikelform in Weblogs. Ein solcher Artikel hat eigentlich nur eine Funktion: Er soll den Leser auf eine andere interessante Webseite im Internet hinweisen. Ein solcher Eintrag besteht deshalb meist nur aus einer kurzen Einleitung, dem Weblink und einem kleinen Snippet, z.B. einem Screenshot der Webseite oder einen Textzitat. Alles andere ist überflüssiger Inhalt und sollte unter Qualitätsgesichtspunkten weggelassen werden.

In vielen Weblogs – auch auf Telemedicus – ist diese Artikelform Standard. Legal ist sie streng genommen aber nicht. Wird ein schutzfähiger Inhalt übernommen, z.B. ein Text mit Schöpfungshöhe oder ein Foto, kann dies nur durch die Einwilligung des Urhebers oder durch eine urheberrechtliche Schranke gerechtfertigt werden. Die typische Rechtfertigung für solche Links, das Zitatrecht nach § 51 UrhG, greift im Regelfall nicht: Dafür müsste ein längerer Begleittext im Artikel stehen. Ein kurzer Kommentar zu dem Link kann und soll das aber nicht leisten.

2. Das Einbinden von Videos aus Videoportalen

Wer eine Internetseite betreibt, bindet häufig auch Videos aus Portalen wie Youtube ein. Dies zu ermöglichen, gehört zum Geschäftsmodell dieser Portale, ebenso wie zu dem der meisten Uploader. Technisch gesehen erfolgt dies durch sog. Inline-Linking: Derjenige, der das Video einbindet, integriert nur einen knappen Code-Abschnitt; der Nutzer des Interetangebots sieht dann wie durch ein „Fenster” in der Webseite auf das Video, das tatsächlich auf dem fremden Server liegt und von dort abgerufen wird.

Da es für den Endnutzer so wirkt, als stamme das Video von der ursprünglichen Webseite, hält die wohl h.M. das Einbinden solcher Videos für eine eigenständige Nutzungshandlung nach § 19a UrhG (verschiedene Ansichten bei Feldmann, Heise Online-Recht B.II.31; Ott ZUM 2008, 556; AG Hamburg v. 24.02.2009 – 36a C 224/08, zusammenfassend Ullrich ZUM 2010, 853). Das heißt, jeder Webseitenbetreiber, der fremde Videos einbindet, braucht eine Lizenz. Und zwar nicht nur vom jeweiligen Urheber, sondern auch von sämtlichen Leistungsschutzberechtigten, z.B. Kameramann, Toningenieur und Fernsehsender. Das ist im Regelfall unmöglich.

3. Passfotos im Internet

Viele Homepages enthalten Fotos ihrer Autoren. Auch Firmenhomepages zeigen häufig Portraits von Mitarbeitern. Ist das legal? Meistens nicht. Denn die Verwendung eines Passbilds ist eine eigenständige Nutzungsart. Wer ein Portrait von einem Fotografen anfertigen lässt, erwirbt nur das verkörperte Bild (und in begrenztem Umfang auch das Recht zur Vervielfältigung, § 60 UrhG). Das Recht zu digitalen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG ist im Normalfall aber nicht mit überlassen – das müsste der Käufer extra aushandeln (OLG Köln, ZUM 2004, 227; LG Köln, MMR 2007, 465).

Das bedeutet: Wer ein Portraitfoto ohne gesonderte Erlaubnis des Fotografen im Internet veröffentlicht, verstößt gegen das Urheberrecht. Nach diesem Maßstab sind wahrscheinlich 95 % aller beruflichen Internetseiten rechtswidrig.

4. Unklare Lizenzbestimmungen bei „freien” Inhalten

Das Internet ist voll von Quellen für „freie” Inhalte. Da gibt es die Wikipedia, Wikimedia Commons oder kleinere Bilddatenbanken wie Pixelio.de. Es gibt Inhalte unter Creative Commons-Lizenzen verschiedenster Art, und es gibt Inhalte, die von ihrem Urheber schlicht für „gemeinfrei“ erklärt worden sind. Nicht zuletzt stellen viele Pressestellen über ihre Homepages Pressefotos zur Verfügung – die meisten, ohne dabei einen Lizenzhinweis zu geben.

In der Praxis lassen sich viele dieser Lizenzen kaum einhalten. Schon kaum klärbar ist häufig, ob derjenige, der die Lizenz verteilt, überhaupt der Berechtigte ist. Denn eine solche Lizenz erteilen können nur der Urheber und diejenigen, die alle Rechte an dem jeweiligen Werk halten, einschließlich des Rechts, Unterlizenzen zu vergeben. Hier lauern einige versteckte Fußangeln: Zum Beispiel kann ein Foto ordnungsgemäß durch seinen Fotografen unter eine offene Lizenz gestellt worden sein – aber es fehlt noch die Lizenz des Abgebildeten (§ 22 KUG). Wer ein solches Bild übernimmt, handelt rechtswidrig.

Andere Probleme stellen sich bei den Lizenzbestimmungen, die häufig unklar formuliert sind. Wann ist eine Verwendung „non commercial“ im Sinn einer Creative Commons-Lizenz? Wie wird die „Attribution“-Bestimmung umgesetzt? Wer muss genannt werden, und wie – gerade auch in Bezug auf § 13 UrhG? In diesem Zusammenhang führt zu zusätzlichen Schwierigkeiten, dass einige Verbreiter von freien Inhalten ihre unklaren bzw. untauglichen Lizenzbestimmungen um ein „Gentleman´s Agreement” ergänzen, das allerdings selbst keine Rechtsverbindlichkeit besitzt.

5. Vervielfältigungen in der Cloud

Wer das Internet auf der Höhe der Zeit nutzt, nutzt Speichermöglichkeiten außerhalb der eigenen Festplatte. Die Emails liegen beim Webmail-Anbieter, die Fotos bei Bilderdatenbanken oder in Social Networks. Texte, Dateien, Programme und Videos speichert man bei Sharehostern oder in spezialisierten Cloud-Computing-Umgebungen wie Dropbox. Eine Datei dort abzulegen, heißt aber immer, sie auch zu vervielfältigen. Abhängig davon, wer danach auf die Datei Zugriff nehmen kann, liegt auch eine öffentliche Zugänglichmachung i.S.d. § 19a UrhG vor. Wenn derjenige, der die Kopie anlegt, nicht der Urheber der Datei ist, kommt er dadurch in Schwierigkeiten: Für eine Kopie fehlt ihm die Lizenz, und auch sein Recht auf Privatkopie ist engen Grenzen unterworfen (§ 53 UrhG). Die allermeisten Dateien, die in der Cloud gespeichert sind, dürften dort rechtswidrig liegen.

Stellungnahme

Über viele der hier angesprochenen Punkte lässt sich unter Urheberrechts-Spezialisten sicherlich diskutieren. Dieser Artikel zeigt, soweit das möglich ist, die herrschende Meinung bzw. Rechtsprechung auf. Mindermeinungen kommen aber vor, und in vielen Bereichen dürfte ihnen (in Hinblick auf die Praxistauglichkeit der Lösung) auch zu folgen sein. Denjenigen, die täglich von ihrer Medienkompetenz Gebrauch machen, indem sie moderne Kommunikationsformen des Web2.0 nutzen, hilft das aber wenig. Diese Leute sind auf praxistaugliche und eindeutige Lösungen angewiesen. Dem Blogger, der ein Youtube-Video in sein Blog einstellen will, hilft es wenig wenn man ihm sagt, dass zum Inline-Linking noch keine höchstrichterliche Lösung vorliegt. Soll er das Video einstellen, um dann in 5 Jahren vielleicht zu erfahren, ob es nun legal war oder nicht? Oder verzichtet er lieber darauf?

Die Kritik an der Äußerung von Beckedahl dürfte vor allem deshalb so heftig ausgefallen sein, weil viele Urheberrechtler die Verbreitung von Medienkompetenz gerade als Lösung ihres Dilemmas sehen. Wer Medienkompetenz hat, respektiert auch das Urheberrecht – angeblich. Die genannten Beispiele, die längst noch nicht das Ende der Fahnenstange markieren, zeigen aber, dass so einfach nicht funktioniert.

Diskussion bei medien-gerecht.de.

Diskussion im CMS-Blog.

(via)

, Telemedicus v. 01.06.2011, https://tlmd.in/a/2016

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