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Jailbreak: Erlaubt oder nicht?

„iOS 6.1 ist geknackt” berichteten mehrere Medien Anfang Februar. Was fast wie ein Aufatmen klang, wurde vielfach auch kritisch gesehen. Angeblich habe ein Jailbreak gewichtige rechtliche Konsequenzen: Gewährleistung futsch, Service verweigert. Doch stimmt das wirklich? Können sich Unternehmen aus der Schlinge ziehen, wenn Nutzer ihr Telefon „gejailbreaked“ haben?

Was ist das und wie funktioniert das?

Apple ist proprietär. Eigene Anschlüsse, eigene Betriebssysteme, eigene Regeln. Die Firma aus Cupertino hat sich ihren eigenen kleinen Mikrokosmos aufgebaut. Das ist besonders im Technologiebereich kein Einzelfall. Diese Strategie fahren viele Unternehmen, die so mit respektablen Gewinnen glänzen. Natürlich besteht auch ein wirtschaftliches Interesse, eigene Investitionen zu schützen und Kapital daraus zu schlagen. Allerdings geht so etwas häufig ein Stück weit zum Leidwesen der Nutzer. Kein Wunder also, dass viele Apple-Nutzer ihre Geräte „öffnen”, um die Beschränkungen loszuwerden, die Apple für seine Geräte vorgesehen hat. Diese Jailbreaks sind populär: Der neuste Jailbreak soll innerhalb von 24 Stunden etwa 1,7 Millionen mal heruntergeladen worden sein – innerhalb einer Woche sogar etwa 7 Millionen mal.

Die Technik dahinter ist äußerst kompliziert. Letztlich geht es darum, in den Kernel einzudringen, den Kern und zentralen Bestandteil eines Betriebssystems. Dieser ist beispielsweise zuständig für den Programmablauf oder Hardwarezugriffe. Sobald das geschafft ist, kann man den Ablauf des Betriebssystems steuern – und die für einen Jailbreak nötigen Änderungen vornehmen.

Konkret werden die werksseitigen Beschränkungen von iOS-Geräten aufgehoben. Gleichzeitig wird Cydia installiert, eine Art alternativer App-Store. Dort gibt es Apps, Themes, Tweaks, Tools, Mods und Bugfixes, die man im Appstore vergeblich suchen würde. Viele Nutzer reizt die Vielfalt, die ein Jailbreak gegenüber dem proprietären iOS bietet. Bezeichnend ist dann auch der Nachname des Entwickers von Cydia: „Freeman”.

Symbol und Startbildschirm von Cydia mit Hinweis auf evasi0n-Jailbreak.
Symbol und Startbildschirm von Cydia mit Hinweis auf evasi0n-Jailbreak.

Ein Jailbreak ist ein Jailbreak ist ein Jailbreak

Ein Jailbreak wird oft mit dem Entfernen des SIM-Locks verwechselt oder sogar gleich gesetzt. Will man einen softwarebasierten SIM-Unlock durchführen, braucht man dafür zwar oft ein Jailbreak. Man braucht aber mindestens einen weiteren technischen Schritt. Ferner ist mit dem neusten iOS 6 und der entsprechenden aktuellen Modem Software (sog. Baseband) auch mit einem Jailbreak zur Zeit kein SIM-Unlock möglich. Die rechtliche Bewertung eines SIM-Unlocks muss man also von der eines Jailbreaks unterscheiden.

Ein bekannter Vorwurf, der mit einem Jailbreak in Verbindung gebracht wird: nicht legal erworbene Applikationen auf dem „befreiten“ Gerät. Möglich ist dies beispielsweise, wenn man ein weiteres Hilfsprogramm installiert. Dieses lädt auf Wunsch „gecrackte“ Programme von einem Filehoster herunter, entpackt und installiert sie auf dem Endgerät. So kann man eine Gebühr umgehen, die im Appstore angefallen wäre. Ein Jailbreak ermöglicht diese unzulässige Vorgehensweise erst. Letztlich entscheidet aber der Nutzer selbst, ob er von dieser Möglichkeit dann auch tatsächlich Gebrauch macht. Die Entwickler von Jailbreak-Software distanzieren sich dabei ausdrücklich davon, gecrackte Apps zu gebrauchen.

Man kann also festhalten: Ein Jailbreak kann man nicht per se mit einem (möglicherweise unzulässigen) SIM-Unlock oder der Verwendung von urheberrechtswidrig hergestellten App-Kopien in einen Topf schmeißen.

Wo liegen die Risiken?

Oft weisen Kritiker in diesem Zusammenhang auch auf Sicherheitslücken hin. Denn die Apps im Cydia-Store werden nicht überprüft, es gibt keine „App-Compliance”. Apple selbst tut das auch, und verweist darüber hinaus auf Probleme bei Sprach- und Datenübertragungen oder eine verkürzte Batterielaufzeit. Was aber, wenn das Handy selbst Probleme bereitet?

Abgesehen davon, dass bereits beim Jailbreak selber einiges schief laufen kann, kann ein Handy kaputt gehen oder technische Probleme machen. Bekomme ich das Gerät repariert oder nicht? Laut Spiegel Online beispielsweise sei ein Jailbreak immer mit einem gewissen Risiko verbunden, „weil man damit die Gewährleistung für sein Gerät verwirkt”. In einem speziellen Supportdokument von Apple steht:

Darüber hinaus möchten wir einmal mehr darauf hinweisen, dass eine nicht autorisierte Veränderung von iOS eine Verletzung des Endbenutzer-Lizenzvertrags für iOS darstellt und Apple daher jeglichen Service für ein iPhone, ein iPad oder einen iPod touch ablehnen kann, auf dem nicht autorisierte Software installiert wurde.

Jailbreak in den USA grundsätzlich möglich…

Schon 2009 hat Apple in einem ausführlichen Dokument dargelegt, welche verschiedenen Rechtsverletzungen mit einem Jailbreak einhergingen. Vor Gericht ist man damals gescheitert: Der Digital Millennium Copyright Act sei nicht verletzt, ein Jailbreak falle unter „fair use” – so die Rechtslage in den USA, jedenfalls was die Umgehung von DRM angeht.

…und in Deutschland?

Wie sieht die Situation in Deutschland aus? Man muss zunächst unterscheiden: Besteht ein gesetzliches Verbot? Bin ich darüber hinaus vertraglich eingeschränkt? Art. 14 Abs. 1 GG schützt das Eigentum – jeder kann zunächst einmal mit seinen Sachen verfahren, wie er will. Wenn mir danach ist, schmeiße ich mein iPhone eben in den Fluss, in der Regel ohne rechtliche Konsequenzen. Was aber, wenn ich die Software verändere, die Apple ja „nur“ lizenziert – an der ich also kein Eigentum erwerbe?

Strafrechtliche Verbote?

Strafrechtlich kommen bei einem Jailbreak vor allem § 108b UrhG und § 303a StGB in Betracht.

§ 108b UrhG flankiert als strafrechtliche Vorschrift die zivilrechtlichen Vorschriften der § 95a bis § 95d UrhG. Diese Vorschriften dienen dazu, vom Rechteinhaber selbst getroffene Sicherungsmaßnahmen (Kopierschutz) hinsichtlich seiner Werke abzusichern. Stellt ein Jailbreak eine Umgehung oder Entfernung von solchen Schutzmaßnahmen überhaupt dar? Wenn man auf den Zweck des „Öffnens“ der Geräte abstellt, dann wohl eher nicht. Denn der Vorgang dient nicht unbedingt dazu, den Zugang oder die Nutzung eines geschützten Werkes zu ermöglichen. Es wird vielmehr die Möglichkeit geboten, diverse andere zusätzliche Programme und Tweaks zu nutzen, die nicht im offiziellen Appstore erhältlich sind.

Ferner wäre auch der Anwendungsbereich der § 95a bis § 95d UrhG für Computerprogramme ausdrücklich nicht eröffnet, § 69a Abs. 5 UrhG – ein ebensolches dürfte aber auch iOS als Betriebssystem darstellen. Daher ist auch eine Anwendung von § 108b UrhG ausgeschlossen. Der Rechteinhaber kann lediglich gemäß § 69f UrhG vom Nutzer der modifizierten Firmware dessen Vernichtung oder Herausgabe verlangen, § 98 Abs. 3 UrhG. In der Praxis ist das äußerst unwahrscheinlich.

Der Privatanwender hätte schließlich ohnehin keine strafrechtlichen Sanktionen nach § 108b UrhG zu erwarten. Denn eine Handlung nach § 108b UrhG ist nur unter Strafe gestellt, wenn die Tat nicht zum eigenen privaten Gebrauch erfolgt. Zudem wird eine solche Tat nur auf entsprechenden Antrag oder bei Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses verfolgt, § 109 UrhG. Eine Verfolgung von Privatpersonen erscheint dann eher unwahrscheinlich, sofern das Gerät nur für den privaten Gebrauch „geöffnet“ wurde.

Nach § 303a StGB macht sich strafbar, wer rechtswidrig Daten löscht, unterdrückt, unbrauchbar macht oder verändert. Dafür gibt es immerhin bis zu zwei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe. Liegt bei einem Jailbreak nun solch eine taugliche Tathandlung vor? In Frage kommt vor allem eine Unterdrückung und Veränderung von Daten durch die Veränderung der Firmware.

Geschütztes Rechtsgut des § 303a StGB ist nach herrschender Meinung die Verfügungsgewalt des Berechtigten über die in der Datenspeicherung enthaltenen Informationen. Apple dürfte hier weiter der „Berechtigte“ sein bezüglich der Systemdateien, auch wenn der Nutzer Eigentum an seinem Endgerät erworben hat. Die Frage ist aber: Sind die Daten des Betriebssystems für den Nutzer des jeweiligen Geräts „nicht bestimmt“? Ob hierbei die vertraglich nicht gestattete Modifizierung des Betriebssystems seitens des Endnutzers als Lizenznehmer ausreicht, erscheint sehr zweifelhaft. Sofern man davon ausgeht, dass die Daten nach § 303a StGB für den Nutzer „bestimmt“ sind würde jedenfalls eine Strafbarkeit entfallen. Denn: Täter kann hier nicht sein, wer für ihn bestimmte Daten zweckwidrig verwendet (negatives Sonderdelikt). Das heisst: Wer lediglich zweckwidrig, nämlich entgegen der Lizenzvereinbarung, Daten verändert oder unterdrückt macht sich nicht strafbar.

Verletzt ein Jailbreak irgendwelche Verträge?

Und wie ist es mit einem Verbot aus vertragsrechtlicher Perspektive? Auch hier muss man wieder unterscheiden: Wem gegenüber mache ich Rechte geltend? Es kommt entweder Apple selbst als Verkäufer in Betracht, oder auch ein sonstiger Anbieter von Endgeräten. Allesamt könnten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einen Jailbreak ausschließen – im Falle von Apple aber nur, wenn man sie überhaupt erst einmal gefunden hat.

Übersicht verschiedener Apple-AGB und sonstiger rechtlicher Rahmenbedingungen.
Ausschnitt einer Übersicht verschiedener Apple-AGB und sonstiger rechtlicher Rahmenbedingungen.

Der Endbenutzer-Lizenzvertrag für iOS

Nummer 2 (a) der EULA sagt:

Gemäß den Bestimmungen dieses Lizenzvertrags erteilt Ihnen Apple hiermit eine eingeschränkte, einfache Lizenz zur Nutzung der iOS Software auf einem einzigen Apple iOS Gerät.

Apple meint, es werde erst bei Inbetriebnahme des Handys ein Lizenzvertrag geschlossen – zusätzlich zum Kauf. Das ist geschickt, denn in Deutschland müssen AGB beim Vertragsschluss gestellt werden, damit sie gültig sind (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, siehe auch § 305 Abs. 2 BGB). So kann man sich aus der Affäre ziehen, weil umfangreiche AGB in der Regel schon gar nicht auf die Verpackung passen würden. Das ändert aber nichts daran, dass die EULA für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen – und damit Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) – sind.

Man kann sich deshalb schon fragen, ob sie überhaupt wirksam in den Kaufvertrag einbezogen werden. Denn dafür müsste man sie ja im Zeitpunkt des Kaufs wahrnehmen. Dass das nur schwer realisierbar ist, dürfte jedenfalls dem Kunden nicht zum Nachteil gereichen. Selbst wenn man aber von einem eigenen Vertrag ausgeht, sind die EULA eben die zugrunde liegenden Bedingungen – und damit jedenfalls vom AGB-Recht erfasst.

Transparenz und Treu und Glauben?

Somit gilt grundsätzlich § 307 Abs. 1 BGB:

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

Daran kann man nun die zentrale Vorschrift in Bezug auf einen Jailbreak messen, nämlich Nummer 2 (c):

Es ist Ihnen nicht gestattet und Sie verpflichten sich, es zu unterlassen und Dritten nicht zu gestatten, die iOS Software oder jegliche Dienste, die von der iOS Software bereitgestellt werden, oder Teile davon zu kopieren (sofern dies nicht ausdrücklich im Rahmen dieses Lizenzvertrags gestattet ist), zu dekompilieren, zurückzuentwickeln, zu disassemblieren, zu modifizieren, Versuche zur Ableitung des Quellcodes zu unternehmen oder abgeleitete Werke der iOS Software oder jeglicher in der iOS Software enthaltener Dienste oder Teilen davon zu erstellen (sofern dies nicht und nur in dem Ausmaß, in dem jegliche vorgenannte Beschränkung durch gesetzliche Vorschriften untersagt ist oder durch die Lizenzbestimmungen, die die Nutzung von möglicherweise in der Apple Software enthaltenen Open-Source-Komponenten regeln, gestattet ist).

Hervorhebungen redaktionell.

Abgesehen davon, dass dieser von Apple erdachte Satz mit insgesamt 116 Wörtern daherkommt, ist er verschachtelt und enthält Fachbegriffe und Bedingungszusammenhänge, die selbst juristische Profis zum Nachdenken zwingen dürften. Ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt nahe. Dieses Transparenzgebot verpflichtet den Verwender dazu, Rechte und Pflichten des Vertragspartners klar, einfach und präzise darzustellen – wovon diese Klausel allerdings weit entfernt zu sein scheint.

Woraus sich darüber hinaus konkret aus den EULA der im Servicedokument erwähnte „Gewährleistungsausschluss” beim Jailbreak ergeben soll, erschließt sich nicht auf Anhieb. Es könnte Nummer 6 sein („Laufzeit”):

Ihre Rechte im Rahmen dieses Lizenzvertrags enden automatisch ohne Mitteilung seitens Apple oder verlieren ihre Gültigkeit, wenn Sie gegen eine oder mehrere Bestimmungen dieses Lizenzvertrags verstoßen.

Von einem eigenen Gewährleistungsrecht ist in der EULA („im Rahmen dieses Lizenzvertrages”) aber – soweit ersichtlich – nichts zu lesen. Dass ein Ausschluss der gesetzlichen Mängelrechte durch Verstoß gegen die EULA die Folge sein soll, erschließt sich dann nicht mehr.

Ein Verstoß gegen Nummer 2 (c) wäre darüber hinaus auch nicht mehr erfasst, wenn die Klausel sowieso ungültig ist – was hier durchaus nicht fern liegt. Zumal auch ein Verstoß gegen die Generalklausel verwirklicht sein könnte, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung liegt nach Rechtsprechung des BGH vor, „wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vorne herein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen”. Hier wird es spannend, denn es eröffnet sich das Spannungsfeld zwischen dem Eigentum am Endgerät, der Lizenz an der Software auf Seiten des Nutzers sowie den Interessen von Apple andererseits.

Jedenfalls im Bezug auf den Endnutzer dürfte es sich wenigstes um ein „Modifizieren” handeln. Die Frage lautet also: Hat Apple ein überwiegendes Interesse daran, iOS frei von userseitigen Modifikationen zu halten? Firmen haben wie eingangs dargelegt ein berechtigtes Interesse daran, ihre Programme nur eingeschränkt nutzbar zu machen. Doch überlagert das das Nutzerinteresse am freien Umgang mit dem für teures Geld erworbenen Gerät? Beispielsweise der obige Blick in die USA und die Argumentation der Electronic Frontier Foundation sprechen eher dagegen.

Hier lohnt es sich zu fragen: Welchen Gründe gibt die Firma an, es besser sein zu lassen? Überwiegend handelt es sich um Risiken, die ausschließlich den Nutzer betreffen. Dieser muss mit eventuellen technischen Konsequenzen leben – schließlich hat er sich zum Jailbreak entschlossen. Solange aber Apples Rechte nicht unmittelbar beeinträchtigt werden, könnte man an der Wirksamkeit des Ausschlusses zweifeln. Und ob tatsächlich unmittelbar beeinträchtigt wird? Es geschieht ja alles nur in der privaten Sphäre des Endnutzers. Dass hier dessen Belange berücksichtigt werden, mit seinem Endgerät nach Belieben zu verfahren, geben die EULA schlicht nicht her.

Jailbreak und Mängelrechte

Was aber, wenn nun Jailbreak-Fehlerfolgen dazu führen, dass man das Gerät einschicken muss? Akkuschwäche oder Programmabstürze können durchaus als Mangel im gewährleistungsrechtlichen Sinne gelten – ein schwieriger Grenzfall, den im Streitfall sicher die Rechtsprechung beschäftigen dürfte. Hier dürfte es insbesondere auch auf Beweisproblematiken ankommen: Man müsste nachweisen, dass ein Mangel überhaupt mit dem Jailbreak zusammen hängt.

Ein Endnutzer würde aber lediglich Mängelrechte gerichtlich geltend machen. Sprich: Er müsste lediglich beweisen, dass überhaupt ein Mangel vorliegt. Den Einwand, dieser liege überhaupt nur vor, weil der Endnutzer ein Gerät mit einem Jailbreak versehen hat, müsste die Gegenseite beweisen – für diese ist dieser Einwand nämlich günstig. Dass der Jailbreak selber ein Mangel sein soll, den der Nutzer selbst herbeigeführt hat, liegt eher fern. Denn damit wird zunächst einmal nur der Funktionsumfang erweitert. Im Übrigen wäre ein kompletter Ausschluss der Mängelrechte unwirksam, wenn ein Unternehmer ein Gerät an einen Verbraucher verkauft. Solch ein Verbrauchsgüterkauf dürfte regelmäßig vorliegen, wenn eine Privatperson sein iOS-Gerät in einem Kaufhaus kauft. Selbst Apple geht aber nicht unumstößlich so weit: Im Supportdokument ist die Rede davon, dass man „jeglichen Service (…) ablehnen kann”.

In diesem Zusammenhang ist noch eine weitere Apple-Klausel interessant:

VORBEHALTLICH DES DURCH DAS ANWENDBARE RECHT MAXIMAL ZULÄSSIGEN UMFANGS WERDEN DIE iOS SOFTWARE UND DIENSTE OHNE MÄNGELGEWÄHR UND NACH VERFÜGBARKEIT MIT ALLEN FEHLERN UND OHNE GEWÄHRLEISTUNG JEGLICHER ART AUSGELIEFERT. APPLE UND DIE APPLE LIZENZGEBER (ZUM ZWECKE DER ABSÄTZE 7 UND 8 GEMEINSAM ALS „APPLE“ BEZEICHNET) LEHNEN HIERMIT ALLE GEWÄHRLEISTUNGEN UND BEDINGUNGEN HINSICHTLICH DER iOS SOFTWARE UND DIENSTE AB, UND ZWAR SOWOHL AUSDRÜCKLICHE, IMPLIZITE ALS AUCH GESETZLICH FESTGELEGTE GEWÄHRLEISTUNGEN, EINSCHLIESSLICH INSBESONDERE DER IMPLIZITEN GEWÄHRLEISTUNGEN UND/ODER BEDINGUNGEN DER MARKTFÄHIGKEIT, ZUFRIEDENSTELLENDEN QUALITÄT, EIGNUNG FÜR EINEN BESTIMMTEN ZWECK, GENAUIGKEIT, DES UNGESTÖRTEN BESITZES UND DER NICHTVERLETZUNG DER RECHTE DRITTER.

Apple maßt sich also an, unter Umständen die „Mängelgewähr” für Kunden bei Jailbreaks ohne jegliche Prüfung auszuschließen, statuiert in den eigenen EULA aber andererseits von vorne herein einen eigenen, umfassenden Haftungsausschluss für die iOS-Software.

Übrigens: Selbst der Zusatz „Vorbebaltlich des durch das anwendbare Recht maximal zulässigen Umfangs” rettet hier nicht mehr viel. Denn die Prüfung, welches Recht inwieweit nun überhaupt anwendbar ist, bürdet der Konzern damit dem Kunden auf – sehr wahrscheinlich eine unangemessene Benachteiligung. Das bestätigt die These, dass manch globaler Konzern oftmals für mehrere Länder gleiche AGB verfasst und diese einfach nur in mehrere Sprachen übersetzt.

Fazit

Ganz so einfach, wie sich mancher das vorstellt, ist es mit dem „Verbot” von Jailbreaks also nicht. Strafrechtliche Konsequenzen drohen eher nicht – was im Übrigen auch mit dem „Ultima Ratio”-Gedanken des Strafrechts einhergeht. Auch die EULA sind keinesfalls so eindeutig, wie Apple es in seinem Supportdokument glauben machen möchte. Zumal einige der Klauseln bei einer tiefergehenden Prüfung durchaus auf der Strecke bleiben könnten.

Im Rahmen des Mängelrechts müsste man die schwierige Frage beantworten, ob ein Mangel unabhängig vom oder ausschließlich wegen des Jailbreaks aufgetreten ist. Hier können aufwändige Feststellungen nötig werden; wenn sich ein Ursachenzusammenhang überhaupt gänzlich aufklären lässt – oder eben auch nicht. Letztlich bleibt die Entscheidung dem Nutzer überlassen: Setze ich mich über Apples strikte iOS-Politik hinweg, oder gebe ich mich mit den Einschränkungen zufrieden? Ein wenig Entgegenkommen seitens Apple wäre sicher auch nicht verkehrt. Denn es bleibt die Möglichkeit, dass ein Gerät mit Jailbreak vernünftig funktioniert – und doch unabhängig davon ein Mangel auftritt. Diesen dann nicht zu beheben, erscheint zu weitgehend. Selbst bei legitimen proprietären Interessen.

, Telemedicus v. 10.04.2013, https://tlmd.in/a/2515

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