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Interview: Vernetzung von Wissenschaft und Praxis bei KI

Dieses Interview ist Teil der Artikelreihe „Künstliche Intelligenz”.

Künstliche Intelligenz ist seit Jahrzehnten ein beliebtes Forschungsthema. Angeblich war es sogar ein Forschungsprojekt, das den Begriff „Künstliche Intelligenz” erfunden und das Thema als Forschungsdisziplin etabliert hat: das Dartmouth Summer Research Project on Artificial Intelligence. Auch hierzulande forscht beispielsweise das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) seit 1988 zu den Methoden der Künstlichen Intelligenz. Die „Strategie Künstliche Intelligenz der Bundesregierung” soll explizit „die Forschung stärken” und „den Transfer von Forschungsergebnissen in die Wirtschaft beschleunigen”.

„Künstliche Intelligenz” ist ein interdisziplinäres Thema. Wie funktioniert das Zusammenspiel von Forschung, Rechtswissenschaft und Praxis in Deutschland? An dieser Stelle setzt RAILS an. RAILS steht für „Rechtswissenschaftliche Gesellschaft für Künstliche Intelligenz und Robotik e.V. / Robotics & AI Law Society (RAILS) e.V.”. Der Verein will die Diskussion um den Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz und Robotik in wissenschaftlicher Hinsicht begleiten. Wir haben mit dem Vorstandsmitglied Tina Krügel gesprochen.

Warum gibt es RAILS und was wollt ihr erreichen?

RAILS wurde 2017 gegründet, um eine Diskussion über die rechtliche Gestaltung smarter Robotik und künstlicher Intelligenz anzustoßen. Der Einsatz künstlicher Intelligenz und smarter Robotik wird in allen Lebensbereichen vorangetrieben und bringt rechtliche, ethische, gesellschaftspolitische und soziale Herausforderungen mit sich, deren Tragweite zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu überschauen ist.

Mitte dieses Jahres sind KI-Strategiepapiere auf nationaler und europäischer Ebene veröffentlicht worden. Das zeigt, dass die Diskussion auch auf gesetzgebender Ebene angekommen ist. RAILS hat es sich zum Ziel gesetzt, die Diskussion um den gegenwärtigen und zukünftigen nationalen und internationalen Rechtsrahmen für KI und Robotik in (rechts-)wissenschaftlicher Hinsicht aktiv mitzugestalten. Wir möchten die Entwicklung verantwortungsvoller intelligenter Systeme vorantreiben. Dabei soll ein etwaiger zukünftiger Rechtsrahmen die technologische Entwicklungen nicht ausbremsen, sondern befördern. Gleichzeitig sollen aber Diskriminierungen vermieden, demokratische Grundprinzipien geschützt und eine angemessene Teilhabe aller Akteure an den wirtschaftlichen Ergebnissen der Digitalisierung eröffnet werden. Das alles unter einen Hut zu bekommen, ist eine große, internationale Herausforderung.

Ausschnitt der Webseite von RAILS

Welche Themenbereiche der KI sind für RAILS besonders interessant und warum?

Im Grunde ist alles interessant. Trotzdem haben wir uns für den Anfang natürlich auf ein paar Themengebiete festlegt. Insgesamt sind dabei fünf Fachsektionen entstanden: „Industrial Systems“, „Legal Tech“, „Autonomous Transportation“, „Personal Systems“ und „Grundsatzfragen“. Letztere adressiert dabei sektionsübergreifende Fragen. Mit den anderen Sektionen haben wir Bereiche aufgegriffen, in denen smarte Robotik und KI bereits vermehrt eingesetzt werden.

Wie stehst du zur Unterscheidung „schwache KI“ und „starke KI“? Siehst du bereits jetzt Einschränkungen auf einen Bereich oder Entwicklungen in beide Richtungen? Und wie glaubst du würde dies den rechtswissenschaftlichen Diskurs beeinflussen?

Diese Unterscheidung ist ein Versuch, den Begriff „künstliche Intelligenz“ trennschärfer zu machen. „Künstliche Intelligenz“ ist zur Zeit das Schlagwort. Ohne den entsprechenden technischen Hintergrund zu haben, ist für mich der Eindruck entstanden, dass sämtliche Verfahren des Maschinellen Lernens, Deep Learnings, neurale Netze, etc. unter diesem Begriff zusammengefasst werden, sie unterscheiden sich aber ganz erheblich. Eine Kategorisierung von „KI“ ist daher sicher sinnvoll, um die Fähigkeiten des konkret eingesetzten Verfahrens beschreiben zu können.

Auch die Unterscheidung in starke und schwache KI ist aus meiner Sicht aber ein Ansatz, der im Ergebnis zu undifferenziert ist und somit keine in der momentanen Situation hilfreiche Trennschärfe liefert. Insbesondere da existierende Systeme und auch die Systeme der näheren Zukunft wohl der „schwachen KI” zu zuordnen sind. Von einer „starken KI“ sind wir in der Forschung und Entwicklung noch weit entfernt. Letztlich kann das aber ein Informatiker viel besser beurteilen als ich.

Aus rechtswissenschaftlicher Sicht werden Herausforderungen, Auswirkungen und Regulierungsansätze im Hinblick auf (schwache) KI jedenfalls vornehmlich vor dem Hintergrund des jeweiligen Anwendungsbereiches diskutiert. Dies spielgelt sich auch in unseren Fachsektionen wider. Trotzdem ist es aber erforderlich und unser erklärtes Ziel, über diesen anwendungsbezogenen Ansatz hinauszugehen. Denn letztlich wird man über einen generell-abstrakten, durch die anwendungsbezogenen Erkenntnisse bereicherten Rahmen nachdenken müssen. Hier setzt RAILS mit der Fachsektion „Grundsatzfragen und Regulierung” an, die quasi als Querschnittssektion fungiert.

Wie siehst du generell die Vernetzung von Wissenschaft und Praxis im Bereich der KI?

Ich glaube, dass das sehr von der Disziplin abhängt. Im Bereich der Informatik und Robotik ist die Vernetzung mit der Praxis nach meinem Eindruck deutlich ausgeprägter als etwa in den Rechtswissenschaften. Bei uns ist das Thema – noch – überwiegend wissenschaftlich getrieben und auch das erst in den letzten paar Jahren. Eine Ausnahme ist wohl der Bereich „Legal Tech“, der schon seit längerem durch eine immer größer werdende Zahl an Startups befördert wird und den die Wissenschaft erst anfängt zu adressieren.

Tatsächlich ist also gerade aus juristischer Sicht noch viel zu tun, um den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis voranzutreiben. RAILS besetzt, um diese Vernetzung zu fördern und eine Rückkopplung in die Praxis zu gewährleisten, den Beirat mit Unternehmen. Bislang haben wir hierfür drei Großkanzleien gewinnen können, weitere Unternehmen werden angesprochen. Selbstverständlich können Unternehmen bei uns auch Mitglied werden. Einige Legal Tech Unternehmen durften wir in unseren Reihen bereits begrüßen.

Zudem wollen wir den Austausch durch das Tech & Law Camp fördern, das zwei Mal im Jahr mit wechselnden Kooperationspartnern aus dem Legal Tech Bereich stattfindet. Und selbstverständlich wird der Austausch durch Tagungen vorangetrieben. Die nächste RAILS-Fachtagung wird am 5. April 2019 in Berlin stattfinden. Vertreter aus Politik, Praxis und Wissenschaft werden zu dem Thema „Governance of AI and Robotics: A European Approach?“ diskutieren. Die Resonanz ist gut und wir sind schon sehr gespannt.

Welchen Stellenwert hat der Austausch zwischen Rechtswissenschaften und anderen Disziplinen im Bereich der KI?

Gerade im Bereich von KI und smarter Robotik ist der Austausch mit anderen Disziplinen, allen voran der Informatik und Robotik entscheidend. Denn nur, wenn wir Juristen den Untersuchungsgegenstand und seine Funktionsweise verstehen, sind wir auch in der Lage angemessen über Auswirkungen und Regulierungsmöglichkeiten nachzudenken. Aus diesem Grund ist RAILS interdisziplinär aufgestellt, was sich insbesondere in dem Umstand widerspiegelt, dass mit Sami Haddadin einer der weltweit renommiertesten Robotikforscher zum Vorstandsteam zählt.

Aber auch gesellschaftspolitische, soziologische und ethische Perspektiven müssen in die Betrachtung einbezogen werden. RAILS ist gerade dabei, auch diese und weitere Disziplinen für unser Ziel zu begeistern und in die Arbeit einzubeziehen.

Was kann man deiner Meinung und Erfahrung nach alles tun, um den Austausch überhaupt anzustoßen oder besser zu fördern?

Es muss das gegenseitige Verständnis für die jeweils andere Disziplin gestärkt werden. Dies kann insbesondere durch interdisziplinäre Graduiertenkollegs, gemeinsame Forschungsprojekte, Workshops oder Konferenzen erreicht werden, bei denen Rechtswissenschaftler, Informatiker, Soziologen, Philosophen und Psychologen, um nur einige Disziplinen zu nennen, sich vernetzen und versuchen, eine gemeinsame Sprache zu finden. Ziel muss es sein, gemeinsam aus unterschiedlichen Fachrichtungen an der gleichen Forschungsfrage zu arbeiten und wissenschaftlich zu publizieren.

Aktuell schauen alle Disziplinen hauptsächlich auf ihre eigenen Probleme, ohne zu verstehen, welche Ursachen, Lösungsansätze aber auch Auswirkungen sich in den anderen Disziplinen ergeben. Insbesondere auch in den Rechtswissenschaften fangen wir allerdings gerade erst an, uns diesem interdisziplinären Ansatz über entsprechend aufgesetzte Doktorandenprogramme mit Betreuern aus unterschiedlichen Disziplinen und der Beteiligung an interdisziplinären Forschungsprojekte zu nähern. Hier herrscht nach wie vor viel Skepsis. Es kann und muss also noch viel getan werden, aber wir sind dran.

Liebe Tina, herzlichen Dank für dieses Interview.

Prof. Dr. Tina Krügel
Foto: Alle Rechte vorbehalten

Prof. Dr. Tina Krügel, LL.M. ist Gründungs- und Vorstandsmitglied des RAILS eV. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften nahm sie 2002 an dem LL.M.-Programm EULISP (IT-/IP-Recht) teil und hat 2005 mit einer Arbeit im E-Commerce-Recht ihren Doktortitel erlangt. Seit 2004 arbeitet sie als Rechtsanwältin und war von 2004 bis 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Rechtsinformatik (www.iri.uni-hannover.de) mit besonderen Schwerpunkt im (nationalen und europäischen) Datenschutz-, E-Commerce-, IT-Sicherheits- und IT-Vertragsrecht. Sie verantwortet eine Vielzahl von europäischen und nationalen Forschungsprojekten zu allen Fragen des IT-Rechts, insbesondere zum Datenschutz- und Datensicherheitsrecht. 2014 wurde sie zur Juniorprofessorin für Informationsrecht, insbesondere Datenschutzrecht, an der Leibniz Universität Hannover berufen und ist seit 2016 Mitglied des L3S.

, Telemedicus v. 30.01.2019, https://tlmd.in/a/3352

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