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Ich habe gegen den WDR geklagt

Ende September hat ein Jurastudent aus Münster für Aufsehen gesorgt, als er vor dem Verwaltungsgericht Münster ein Urteil gegen den WDR erstritt, wonach für Computer keine allgemeine Rundfunkgebühr besteht. Moritz M. ist dieser Student. Wie er darauf gekommen ist, gegen seinen Gebührenbescheid zu klagen, welche Argumente er ins Feld führte und welche Bedeutung er dem Fall zumisst, erklärt er im Interview mit Christoph Gieseler.
Viele Leute ärgern sich über ihren „GEZ-Bescheid“. Wie bist du darauf gekommen, gerichtlich dagegen vorzugehen?
Weil ich es einfach nicht einsah, dass ich für meinen Computer auf einmal rundfunkgebührenpflichtig sein sollte, obwohl es ein Computer ist und nicht ein Gerät wie ein Radio oder Fernseher, das originär dafür bestimmt ist, Rundfunk zu empfangen.

Hast du dabei auch schon im Auge gehabt, dass diese Rechtsfrage sehr viel mehr Leute als dich betrifft?
Das war schon im Vorfeld klar, dass es viele Leute betrifft. Ich glaube, in diesem Kontext wurde auch der Betrag von der Fernsehgebühr auf die Radiogebühr gesenkt. Allein dadurch hat sich ja schon abgezeichnet, dass es große Diskussionen um die Rundfunkgebührenpflicht von internetfähigen Endgeräten geben würde. Insofern war mir schon klar, dass das eine Vielzahl von Leuten betrifft, aber vorwiegend hat es natürlich mich betroffen.

Weil du nämlich weder Radio noch Fernsehen zuhause hast. Wie kommt das, brauchst du keinen Rundfunk?
Ich würde es zu wenig nutzen, als dass es sich lohnen würde, dafür GEZ zu zahlen. Wenn ich dann im Monat vielleicht 10 oder 20 Stunden Fernsehen gucken würde, dafür würde es sich nicht lohnen, über 17 Euro pro Monat an GEZ-Gebühren zu zahlen. Mit dem Radio ist es ähnlich. Darauf lässt sich noch eher verzichten, finde ich, als auf den Fernseher. Mit der Musik, die da gesendet wird, kann ich mich sowieso nicht so richtig identifizieren und die fünf Minuten Nachrichten, die da in der Stunde kommen, habe ich lieber im Internet oder durch Zeitungen.

Wie ging das Ganze vonstatten? Hattest du von vornherein vor zu klagen, falls dein Widerspruch abgelehnt würde?
Ich ging schon davon aus, dass mein Widerspruch abgelehnt würde. Die Entscheidung war nicht besonders schwierig, denn Klagen vor dem Verwaltungsgericht sind günstig und ich sah auch nicht, dass ich unbedingt einen Anwalt brauchte, um mich zu vertreten. Insofern war auch das finanzielle Risiko recht gering – und dafür studiere ich schließlich Jura.

Wie bist du weiter vorgegangen? Es war sicher nicht einfach, zu einer Rechtsfrage zu argumentieren, zu der es noch kein Urteil gibt.
Ich bin nur zum Gericht gefahren und habe gesagt, ich will Klage gegen diesen Bescheid einreichen. Der Beamte sagte: „Ach ja, seit die den Rundfunkgebührenstaatsvertrag geändert haben, sind schon viele hier gewesen“. Zur Begründung habe ich einfach auf meinen Widerspruch verwiesen, insofern war das auch eine Sache von 5 bis 10 Minuten.

Was für rechtliche Ausführungen hattest du da gemacht?
Vorwiegend habe ich angeführt, dass es sich beim Computer um ein Endgerät handelt, das zu einer Vielzahl von Anwendungen gedacht ist, eben nicht originär dem Rundfunkempfang dient. Computer dienen der Recherche mit Datenbanken, sie dienen der Textverarbeitung, der Programmierung, Entertainment im Hinblick auf Spiele und dergleichen. Man kann aber nicht darauf schließen, dass an jedem Computer gespielt wird, genauso wenig wie man darauf schließen kann, dass an jedem Computer Rundfunkempfang stattfindet.

So hat das Verwaltungsgericht das ja auch gesehen. Hattest du von vornherein damit gerechnet, dass du den Prozess gewinnen würdest?
Ich fühlte mich im Recht, war mir aber absolut unsicher, wie das Gericht das sehen würde. Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ist zurückgewiesen worden, allerdings mangels Rechtswegserschöpfung. Andere Klagen, die zwischenzeitlich entschieden wurden, tendierten mal in die eine und mal in die andere Richtung, zudem betrafen sie meines Wissens ausschließlich beruflich genutzte Computer und knüpften wohl daran an, dass es beruflich genutzte Endgeräte sind und nicht unbedingt daran, dass kein Rundfunkempfang stattfindet und deshalb die Geräte nicht rundfunkgebührenpflichtig sind.

Stichwort Rechtswegerschöpfung: Du bist jetzt dabei, den Rechtsweg zu erschöpfen. Wie wird es weitergehen? Hat der WDR, der ja als die für dich zuständige Rundfunkanstalt Beklagter ist, schon Revision eingelegt?
Ich habe noch von keiner Revision erfahren, gehe aber fest davon aus, dass sie Rechtsmittel einlegen werden, denn das Urteil werden sie wohl kaum auf sich sitzen lassen können. Das Urteil betrifft ja nicht nur mich, es betrifft alle, die kein Radio und kein Fernsehen haben, aber über ein internetfähiges Endgerät verfügen. Das sind nicht nur Privatleute, sondern vor allem auch Firmen, Selbstständige, die gesamte IT-Branche. Heutzutage sind Computer nun mal ubiquitär und jeder nutzt die Geräte. Kaum eine Firma wird wirklich darauf verzichten können, einen Internet-Zugang zu nutzen.

Wie weit wirst du gegebenenfalls mit dem Verfahren gehen?
Das kann ich jetzt noch nicht absehen. Vielleicht gibt das OVG mir ja auch Recht und der WDR gibt klein bei. Wovon ich aber sehr viel stärker ausgehe, ist, dass der Rundfunkgebührenstaatsvertrag in nächster Zeit angepasst wird und entweder nicht an das „zum Empfang Bereithalten“ angeknüpft wird oder es auf andere Weise abgeändert wird, sodass sich entweder wieder eine neue Gebührenpflicht ergibt, sodass man wieder den Verwaltungsrechtsweg beschreiten muss, oder dass man ausgenommen wird.

Meinst du, dein Urteil spielt eine Rolle auf diesem Weg zu einer solchen Änderung?
Definitiv. Wenn die Verwaltungsgerichte sagen „Egal, was im Rundfunkgebührenstaatsvertrag steht, ihr braucht nicht zu zahlen“, hätte man die Änderung auch weglassen können, insofern wird das sicherlich auch Auswirkungen darauf haben.

Du sagst ja selbst, dass das Urteil viele Leute betrifft. Was für ein Feedback hast du bekommen?
Es ist schon durchweg positiv aufgenommen worden und nicht als die kleine Streitigkeit um 5,52 Euro im Monat. Es geht um die generelle Ausweitung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus dem klassischen Rundfunk mehr in das Medium Internet, ob das mitfinanziert werden sollte, ob es überhaupt stattfinden sollte. Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ist das ja mehr als fraglich.

Das Urteil des VG Münster im Volltext.

Der Beschluss des BVerfG zur Rundfunkgebühr für PCs.

  • Adrian Schneider

    Adrian Schneider ist Mitbegründer, Vorstand und Hausnerd von Telemedicus sowie Rechtsanwalt bei Osborne Clarke in Köln.

, Telemedicus v. 22.10.2008, https://tlmd.in/a/1015

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