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Hintergrund: Die Medienbeteiligungen der SPD

Bonsai-Imperium oder Medienkonzern

Der Streit um das Hessische Privatrundfunkgesetz (Telemedicus berichtete) ist der vorläufige Höhepunkt in einer Reihe von Auseinandersetzungen um die vielfältigen Medienbeteiligungen der SPD. Wie die ZEIT vor einigen Jahren berichtete, betätigen sich die Sozialdemokraten schon seit 140 Jahren als Zeitungsverleger. Im Kaiserreich hätten sich die mit mühsam angesparten „Arbeitergroschen“ finanzierten SPD-Blätter als Gegengewicht zu den meist obrigkeitshörigen, bürgerlichen Zeitungen verstanden. Die in der DDVG zusammengefassten Beteiligungen seien die Reste dieser einst stolzen Arbeiterpresse.

Aber auch im Jahre 2007 sind die Verzweigungen der DDVG, die sich ausweislich der Startseite ihrer Unternehmenshomepage als „Unternehmensbereich der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ definiert, beträchtlich. Aus dem Spiegel vom 16.04.2007:

In der Öffentlichkeit wenig bekannt, hält die DDVG Anteile an 17 Zeitungen, darunter neben der „Frankfurter Rundschau“ auch an der „Sächsischen Zeitung“, der „Frankenpost“, dem „Nordbayerischen Kurier“, der „Neuen Westfälischen“, der „Hannoverschen Allgemeinen“ und am „Göttinger Tageblatt“. Zusammen kommen die Titel auf eine tägliche Gesamtauflage von mehr als 1,1 Millionen Exemplaren. Hinzu kommen Druckereien und Buchverlage.

Die Bewertung der SPD-Beteiligungen geht indes auseinander: Während diese auf der einen Seite, unter Verweis auf die vielen regionalen Beteiligungen der DDVG, zu einem „Bonsai“-Imperium verniedlicht werden, wird gerade aus den FDP- und Unionsreihen immer wieder angeprangert, dass die Ausübung von politischer Macht und Einflussnahme auf die Medien nicht in eine Hand gehörten.
SPD-Schatzmeisterin als zentrale Figur

Zentrale Figur im SPD-Mediengeflecht ist die für die DDVG verantwortliche SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier, denn die DDVG steht nahezu ausschließlich im Eigentum des jeweiligen Schatzmeisters der SPD, der den Anteil treuhänderisch für den Parteivorstand der SPD verwaltet. Der Spiegel vom 16.04.2007 schreibt über die Grande Dame und ihre Rolle in der SPD wie folgt:

Inge Wettig-Danielmeier, Genossin seit 48 Jahren, schaffte es zu ihrem 70. Geburtstag im vergangenen Jahr gar auf die Seite drei der zum SPD-Medienimperium gehörenden „Frankfurter Rundschau“ („FR“). Deren Chefredakteur, Uwe Vorkötter, verstieg sich in seiner Jubelarie sogar zu dem Satz: „Sie hat die ‚FR‘ gerettet.“ (…) Mit weit weniger Emphase sehen dagegen Teile ihrer eigenen Partei mittlerweile Leben und Wirken der großen alten Dame der deutschen Sozialdemokratie. Denn mit jedem Wechsel an der Parteispitze wurde sie selbstbewusster. Die studierte Sozialwissenschaftlerin hat Björn Engholm politisch überlebt, Rudolf Scharping, Oskar Lafontaine, Gerhard Schröder, Franz Müntefering und Matthias Platzeck sowieso. Einigen in der Partei ist sie einfach zu mächtig. Und diese Macht verdankt die Frau, die von Mitarbeitern bisweilen mit dem Spitznamen „Dagoberta“ tituliert wird, in erster Linie ihrer Kontrolle über das verzweigte Medienimperium der Partei.

Jährlich spülten die Beteiligungen, vor allem Dank etlicher Zeitungen, einige Millionen in die Kassen der klammen Genossen.

Medienbeteiligungen Ursache heftiger politische Auseinandersetzungen

Angesichts dessen wird von der politischen Konkurrenz immer wieder versucht die unternehmerische Betätigung der Parteien im Partei- und Verlagswesen als verfassungsrechtlich bedenklich zu qualifizieren und gesetzlich zu untersagen, sei es, dass die CDU-Landesregierung in Dresden die regelmäßige Nennung der SPD-Holding im Impressum ihrer sächsischen Blätter erzwingt, sei es, dass wie in Hessen Minderheitsbeteiligungen von Parteien an Privatradios ganz untersagt werden. Zwar ist die Kritik von Seiten der CDU in den vergangenen Jahren deutlich leiser geworden, dies ist aber wohl vor allem den temporären Verschiebungen im politischen Koordinatensystem der Bundesrepuplik Deutschland geschuldet. Noch vor wenigen Jahren wurde die SPD als „regelrechter Medienkonzern“ bezeichnet, dessen Medienmacht den fairen Wettbewerb in Gefahr bringe, dabei sollten doch eigentlich die Medien als „Vierte Gewalt“ die Parteien kontrollieren und nicht etwa umgekehrt.

Zudem wird insbesondere von der FDP immer wieder angemahnt, dass den Medien in einem demokratischen Rechtsstaat eine entscheidende Rolle bei der politischen Willensbildung der Bevölkerung zukomme und die Medienbeteiligungen der SPD abzulehnen seien. Die Kontrolle der Parteien durch die Medien sei ein Kernelement der politischen Kultur in Deutschland. Dieser Aufgabe könnten die Medien nur aufgrund einer staatsunabhängigen Stellung und Finanzierung wirksam nachkommen. Die Sicherung freier Medien sei eine Grundvoraussetzung für ein freiheitliches Staatswesen. Die Parteien müssten sich daher eine wirtschaftliche Selbstbeschränkung auferlegen. Bereits 2004 hatte die FDP daher gefordert, dass Medienbeteiligungen von Parteien sowohl im Parteiengesetz wie auch in den Landespressegesetzen ausdrücklich verboten werden sollten. Solange eine entsprechende Änderung des Parteiengesetzes nicht erfolge, müsse zumindest die Impressumspflicht in den Landespressegesetzen ausgeweitet werden. Das Impressum müsse eindeutig eine Parteibeteiligung an dem entsprechenden Verlag ausweisen. Durch diese Pflicht zur Offenlegung soll nach außen hin kenntlich gemacht werden, wer an einem Verlag wirtschaftlich beteiligt ist. Dies diene dem Schutz der Informationsfreiheit der Bürger.

Die SPD sieht sich zu Unrecht angegriffen: Die SPD-Minderheitsbeteiligungen an Medien böten der Partei laut Wettig-Danielmeier lediglich einen teilweisen wirtschaftlichen Ausgleich für das höhere Spendenaufkommen von CDU und FDP. Inge Wettig-Danielmeier sieht die SPD-Medienbeteiligung denn auch nur als ein Zufallsprodukt der Geschichte. Die SPD sei nie ein großer Medienkonzern gewesen. Die Schatzmeisterin weiter: „Wir sind in der Regel an regionalen Zeitungen beteiligt, meist als Minderheitenpartnerin. Es ist Aufgabe und Erbe zugleich, Pressevielfalt zu erhalten.“ Kurt Beck bezeichnete die Gesetzesänderungen der politischen Konkurrenz als verfassungswidrige Versuche, einen politischen Konkurrenten per Gesetz gezielt zu schädigen. Die Regelungen sollten mitnichten die Meinungsfreiheit im Rundfunk schützen, für die Minimalbeteiligungen von politischen Parteien an Rundfunkveranstaltern keine Rolle spielten.

Streit auf publizistischer Ebene

Neben den politischen Querelen tobt der Streit auch auf publizistischer Ebene: Seien es Spiegel, Focus, die Welt am Sonntag oder die FAZ, eine breite Phalanx von Zeitungen und Magazinen berichtet regelmäßig kritisch über die Medienverflechtungen der SPD bzw. der DDVG. Auch ein Buch, dass sich mit den Medienverflechtungen der SPD auseinandersetzt, sorgte vor einigen Jahren für Aufregung. In „Vermögensmacht und Medieneinfluß“ hatte der damalige Leiter der Planungsgruppe der CSU-Landesgruppe im Bundestag Andreas Feser ausführlich die Medienbeteiligungen der SPD beschrieben und kam zu der Schlussfolgerung, dass der wirtschaftliche Einfluß einer Partei auf Medien „eine Gefahr für die Chancengleichheit der Parteien“ darstelle. Darüber hinaus unterhöhlten diese Investitionen die Unabhängigkeit der Presse. Die Bewertung dieses Disskussionsbeitrags ging erwartungsgemäß auseinander. Während in der FAZ von einer „fundierten und zugleich bahnbrechenden“ Betrachtung die Rede war, wurde das Buch von anderer Seite als unseriös, einseitig und unwissenschaftlich abgetan. Zugleich kontert die DDVG derartige Vorwürfe ihrerseits u.a. mit Gutachten, die ihre „Medienmacht“ widerlegen sollen.

Die Auseinandersetzung um die Frankfurter Rundschau

Publizistische Ambitionen, so auch die ZEIT, hätten die Genossen in den vergangenen dreißig Jahren kaum gehabt. Die DDVG sei für die SPD vor allem eine lukrative Einkommensquelle gewesen. Doch der im Jahre 2004 erfolgte Einstieg bei der Frankfurter Rundschau, einer überregionalen, in Geldnöte geratenen, links-liberalen Zeitung, sei von ganz anderer Qualität gewesen: Hier habe die DDVG ihre bis zu diesem Zeitpunkt zurückhaltende Unternehmenspolitik aufgegeben.

Die DDVG hatte 2004 die „FR“ zu 90 Prozent übernommen und einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. In manchen Kommentaren war gar von einer „Berlusconisierung“ auf dem deutschen Medienmarkt die Rede. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Ramsauer, wird von der FAZ dazu wie folgt zitiert: „Mit den Wertvorstellungen einer offenen Gesellschaft, in der eine unabhängige Presse die politischen Entscheidungsträger kontrolliert, steht das verlegerische Engagement einer Partei im krassen Gegensatz.“ Wettig-Danielmeier äußerte sich zu den Vorwürfen seinerzeit im Spiegel (15. März 2004): „Die Vorstellung, es gehe der Partei hier um politische Einflussnahme, ist doch absoluter Quatsch. Seit 1958 ist die Politik der Intervention in die Redaktionsarbeit bei SPD-Beteiligungszeitungen aufgegeben worden.“ Aber auch in der FAZ nahm sie Stellung: Die Pressefreiheit werde gewahrt bleiben: „Wir haben mit unseren bisherigen Medien-Beteiligungen gezeigt, daß wir keinen Einfluß auf Redaktionen nehmen.“ Mit dem Erhalt der „Frankfurter Rundschau“ werde vielmehr ein Beitrag dazu geleistet, die Vielfalt der Medienlandschaft zu erhalten.

Nach Ansicht von Medienwissenschaftler Röper hatte der damals geplante Einstieg aber deshalb „eine neue Qualität“, weil er „weitgehend medienpolitisch begründet“ war. Dies sei „ein Rückfall in jene Zeiten, als die DDVG aus inhaltlichen Gründen noch Verluste in Kauf nahm“. Die ZEIT weiter:

Wir engagieren uns in Frankfurt, weil wir die Rundschau als linksliberale überregionale Tageszeitung entsprechend dem Stiftungszweck erhalten wollen“, sagt Wettig-Danielmeier. Die Satzung der Karl-Gerold-Stiftung, der das Blatt bisher gehört, schreibt eine linksliberale Ausrichtung und die überregionale Verbreitung vor. Die SPD-Frau beeilt sich allerdings hinzuzufügen, dass das geplante Investment nicht nur politisch motiviert sei. So habe das Blatt noch „Potenzial im überregionalen Vertrieb“.

Über eine interessante Anekdote am Rande der Übernahme berichtete das Manager-Magazin: Kurz nach der Übernahme der FR durch die SPD, mussten die Zeitungsmacher eines Abends feststellen, dass ihnen offenbar ein gravierender „Fehler“ unterlaufen war. Frisch aus dem Druck kommend deklarierte sich die Zeitung unter dem „FR“-Schriftzug nicht mehr als „unabhängige“sondern als „abhängige“ Tageszeitung. Das „Un“ war verschwunden. Der Verlag der „FR“ sah sich daraufhin gezwungen die Auslieferung großer Teile der überregionalen Ausgabe zu stoppen und bereits gelieferte Exemplare wieder eingesammelt, drohte doch ein katastrophaler Imageschaden. Die FR schloss jedoch Sabotage aus, es habe lediglich ein kleines Bild von Woody Allen in der Kopfzeile unglücklicherweise ausgerechnet das „Un“ verdeckt, nur ein Versehen also…

Versuchte Einflussnahme durch SPD-Schatzmeisterin

Seit dem Einstieg des Kölner Verlags DuMont Schauberg im Juli 2006 gehört der DDVG allerdings nur noch eine Minderheitsbeteiligung von 40 %. Nachdenklich stimmt jedoch ein aktueller Bericht des Spiegels vom 20.08.2007. Danach soll die SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier im Vorfeld der letzten Bundestagswahlen im Jahre 2005 versucht haben, Einfluss auf die Berichterstattung der „Frankfurter Rundschau“ („FR“) über die Linkspartei zu nehmen. Unter SPD-Briefkopf habe sie an den damaligen „FR“-Chefredakteur Wolfgang Storz geschrieben und ihm den Abdruck eines Textes empfohlen, der „einen interessanten Aspekt des Verhältnisses von SPD und Linkspartei“ beschreibe. Chefredakteur Storz sei der Empfehlung nicht nachgekommen, da er der festen Überzeugung wäre, dass die redaktionelle Unabhängigkeit berührte.

Wie der Spiegel weiter berichtete, teilte Wettig-Danielmeier zu den Briefen mit, dass sie in diesem Sonderfall „in dem die ,Frankfurter Rundschau‘ unter der Chefredaktion von Herrn Storz über Wochen zu einem Propagandablatt der WASG (Linkspartei) geworden war“, ihre Bitte als begründet ansehe. Ein Jahr später musste der widerspenstige Chefredakteur die Zeitung verlassen. Ob die oben beschriebene Episode etwas mit der Personalentscheidung zu tun hatte, ist jedoch nicht bekannt. Die Trennung, so Geschäftsführer Peter Skulimma zu Spiegel Online, sei in beiderseitigem Einvernehmen vereinbart worden, weil die Vorstellungen über die künftige Ausrichtung des Blattes zu unterschiedlich gewesen seien, und zwar sowohl in strategischer als auch in inhaltlicher Hinsicht.

Fazit der Betrachtung

Wie groß der tatsächliche Einfluss der SPD auf die deutsche Medienlandschaft tatsächlich ist, weiß außer der SPD-Schatzmeisterin selber wohl so recht niemand. Insbesondere hinsichtlich des tatsächlichen Ausmaßes der Beteiligungen gehen die Meinungen, angesichts der komplzierten Beteiligungsgeflechte, weit auseinander: Die Angaben schwanken je nach rechnerischem Ansatz zwischen einer täglichen Gesamtauflage, die sich im niedrigen sechsstelligen Bereich bewegt, bis hin zu Schätzungen, die im hohen siebenstelligen Bereich anzusiedeln sind. Doch von welcher Seite man die Angelegenheit auch betrachtet: Mag die SPD zwar kein „regelrechter Medienkonzern“ sein – ein „Bonsai-Imperium“ sieht jedenfalls anders aus.

, Telemedicus v. 19.09.2007, https://tlmd.in/a/410

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