Ein Gastbeitrag von Anna K. Bernzen.
„Ende 2013 ging die Website zweier deutscher Unternehmer online. Was Millionen Nutzer dort täglich zu sehen kriegen, wird dich umhauen…”
So oder so ähnlich könnte es klingen, ließe man Michael Glöß und Peter Schilling sich und das Geschäftsmodell von heftig.co beschreiben – von der Website also, die zur Zeit die deutschen Social-Media-Charts anführt. Die Idee hinter dem aus den USA importierten Erfolgsmodell: Die Betreiber durchsuchen das Netz nach ausgefallenen Fotos, Videos und Texten, die dann mit einer knackigen Überschrift, teils auch mit einem Vorspann versehen auf ihrer Website landen. Den Link zu den Fundstücken posten sie auf ihrer Facebook-Seite. Deren rund eine Million Fans verbreiten die Inhalte durch Teilen und „Gefällt mir”-Klicken.
Mit den Vorgaben des deutschen Urheberrechts ist dieses Geschäftsmodell allerdings nur schwer zu vereinbaren. Stutzig macht das Vorgehen der Betreiber vor allem im Hinblick auf zwei Fragen, auf die weder Gesetzgeber noch höchste Gerichte bisher eine endgültige Antwort gegeben haben: Wie ist das sog. „Embedding” juristisch zu bewerten? Und erteilt ein Rechteinhaber, der Inhalte ins Netz steht, konkludent eine Einwilligung in alle internettypischen Nutzungen ein?
Selbstgemacht sind auf heftig.co maximal Überschrift und Vorspann der Beiträge. Fotos und Videos werden aus anderen Quellen übernommen. Sobald diese jedoch die nötige Schöpfungshöhe nach § 2 Abs. 2 UrhG aufweisen, sind sie urheberrechtlich geschützte Lichtbildwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG) oder Filmwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG). Auch wackelige Handyvideos oder Urlaubsschnappschüsse sind urheberrechtlich kein Freiwild: Fehlt es ihnen an Schöpfungshöhe, sind sie als Laufbilder (§ 95 UrhG) oder Lichtbilder (§ 72 UrhG) durch Leistungsschutzrechte geschützt.
Vor allem die verwendeten Fotos werden häufig auf heftig.co hochgeladen und so vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht (§§ 16, 19a UrhG) – eine Handlung, die dem Rechteinhaber vorbehalten ist. Spannender ist allerdings der technische Trick, zu dem die Macher bei einigen der Videos greifen: Diese werden im YouTube-Player auf der Website eingebunden und können so direkt auf heftig.co angesehen werden, obwohl sie auf einem fremden Server liegen. Ob dieses sog. Embedding das Urheberrecht verletzt, muss aufgrund einer Vorlage des Bundesgerichtshofs (Az. I ZR 46/12) momentan der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden. Aus dem Vorlagebeschluss wird jedoch bereits deutlich, dass die deutschen Richter ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe nach § 15 Abs. 2 UrhG annehmen, das durch das Embedding verletzt wird.
Ein Blick auf das Geschäftsmodell von heftig.co zeigt, dass diese Bewertung naheliegt: Technisch mag das Embedding eher mit dem Setzen eines Hyperlinks als mit dem Hochladen von Inhalten vergleichbar sein – wirtschaftlich könnten die Unterschiede aber kaum größer sein. Denn anders als beim Posten eines nur aus Text bestehenden Links kann der fremde Inhalt beim Embedding in der Regel so eingesetzt werden, als sei er selbst hochgeladen worden. Ob ein Katzenvideo auf dem Server von heftig.co liegt oder bloß auf der Website eingebettet ist, macht für seinen Betrachter keinen Unterschied. In beiden Fällen kann er den Stubentigern direkt auf der Seite zusehen. Der Betreiber musste kein Geld in die Hand nehmen, um das Video zu erstellen, kann aber zum Beispiel durch Werbung neben dem Video welches verdienen. Setzt er fremde Inhalte auf diese Weise wie eigene ein, fordert der Grundgedanke der angemessenen Beteiligung des Urhebers daher, diesen an den Profiten zu beteiligen.
Von Journalisten auf ihren Umgang mit dem Urheberrecht angesprochen, berufen sich die Macher darauf, im Interesse der Rechteinhaber zu handeln. Oder, wie es Mitgründer Peter Schilling im Interview mit der Wirtschaftswoche formulierte: „[Der] Nutzer will doch sicher nicht ständig um Erlaubnis gefragt werden, ob seine Botschaft weiterverbreitet werden darf, sondern vor allem als Quelle genannt werden.” Er könne seine Inhalte ja durch Wasserzeichen oder Disclaimer vor der Übernahme schützen, schlug ein Sprecher gegenüber der Rhein-Zeitung vor.
Die Betreiber berufen sich damit wohl auf eine konkludente Einwilligung durch „ins-Netz-Stellen” der Inhalte. Doch nicht jeder, der Bilder vom Urlaub am Traumstrand hochlädt, liefert damit automatisch die Rechtfertigung für alle im Netz möglichen Nutzungen seiner Fotos und Videos. Denkbar ist eine solche Auslegung allenfalls dort, wo der Nutzer mit der Weiterverbreitung rechnen musste. Bei YouTube hat er zum Beispiel die Möglichkeit, das Embedding zu unterbinden. Ist diese Funktion nicht abgeschaltet, kann der Dritte von seinem Einverständnis ausgehen. Auch wenn er die Bilder auf Facebook hochlädt oder einen passenden Tweet verfasst, muss der Nutzer wissen, dass andere diese Inhalte teilen oder retweeten können und willigt daher stillschweigend ein. Aber: Diese Einwilligung kann immer nur für die Handlungen gelten, die durch die Plattform ermöglicht werden – also für das Einbetten, Teilen und Retweeten.
Ganz anders steht es da beispielsweise um einen Werbefilm, der auf der Unternehmenshomepage hochgeladen wird: Damit, dass dieser ungefragt auf eine fremde Website übertragen wird, muss der Rechteinhaber nicht rechnen. Das bloße öffentliche Zugänglichmachen stellt also keine konkludente Einwilligung dar – auch nicht, wenn dem Video ein Wasserzeichen fehlt. Denn die vom heftig.co-Pressesprecher vorgeschlagene faktische Kennzeichnungspflicht entspricht wohl kaum der Beweislastverteilung im deutschen Recht: Nicht der Urheber, sondern der Rechtsverletzer muss darlegen, wie es um die Einwilligung steht.
Doch selbst bei einer so weitreichenden Auslegung der Nutzerverhaltens, wie sie die heftig.co-Macher offenbar vornehmen, wäre eine Rechtsverletzung nicht in jedem Fall ausgeschlossen. Denn gerade bei viral verbreiteten Inhalten ist oft unklar, wer diese ursprünglich ins Netz gestellt hatte. Waren es nicht der Urheber oder der Nutzungsrechtsinhaber, hilft den Betreibern nicht einmal eine ausdrückliche Einwilligung.
Eingefleischte heftig.co-Fans halten diese Überlegungen vermutlich nicht vom Besuch auf der Website ab. Sie müssen es auch nicht: Schließlich hat der EuGH in seiner „Meltwater”-Entscheidung (Rs. C?360/13) gerade festgehalten, dass das bloße Ansehen geschützter Werke im Internet das Urheberrecht nicht verletzt.
Beim Umgang mit den heftig.co-Postings auf Facebook ist allerdings Vorsicht geboten. Denn wer bei rechtsverletzenden Inhalten auf „Gefällt mir” klickt oder diese allzu enthusiastisch kommentiert, macht sich diese womöglich zu Eigen – und haftet wie der Rechtsverletzer (so das LG Stuttgart, Az. 17 O 303/12). Hinzu kommt, dass Facebook in jedes geteilte Posting automatisch ein Vorschaubild einfügt. Entsprechend der Google Thumbnails-Entscheidung des BGH (Az. I ZR 69/08) könnte also schon das Teilen eines rechtsverletzenden Postings eine eigene Rechtsverletzung darstellen.
Unabhängig von der urheberrechtlichen Bewertung seines Geschäftsmodells gilt auch für heftig.co: Wo kein Kläger, da kein Richter. Gut möglich, dass sich manche Urheber über die Gratis-PR freuen. Gut möglich aber auch, dass doch einmal einer sein Bild nicht auf der Seite sehen will. Dass das teuer werden kann, musste das ähnlich funktionierende US-Portal Buzzfeed erfahren: Weil es ungefragt ein auf Flickr veröffentlichtes Bild verwendete, reichte dessen Fotograf Klage ein. Es geht um nur ein Foto – aber 3.6 Millionen Dollar Schadensersatz.
Telemedicus zur EuGH-Vorlage wegen Framings.
Anna K. Bernzen, LL.B. studiert Rechtswissenschaft an der Universität Mannheim. Sie ist als geprüfte Hilfskraft am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Recht des Geistigen Eigentums sowie deutsches und europäisches Verfahrensrecht von Prof. Dr. Mary-Rose McGuire und am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie von Prof. Dr. Hans-Joachim Cremer tätig und schreibt als freie Autorin für diverse Print- und Onlinemedien. Ihre Interessenschwerpunkte liegen – wen überrascht es – im Medien- und Urheberrecht.