Wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft. Das sagt § 130 Abs. 4 StGB, der vom Bundesverfassungsgericht vor kurzem als verfassungsgemäß beurteilt wurde – obwohl dieser Paragraph die Meinungsfreiheit beeinträchtigt und kein „allgemeines Gesetz” darstellt.
In einem Interview mit dem Deutschlandfunk äußert der ehemalige Verfassungsrichter Winfried Hassemer seine Ansicht zu § 130 Abs. 4 StGB.
Meurer: Es gibt ja auch die Kritik, dass der Paragraf sich nur gegen die Verherrlichung des Nationalsozialismus richtet. Wäre es besser, wenn man schon etwas wegen Volksverhetzung unterbinden will, man unterbindet jegliche Verherrlichung von Terrortaten, also auch die Verherrlichung beispielsweise des Stalinismus?
Hassemer: Ja und nein. Die Frage, die sich verfassungsrechtlich stellt: Ist das ein allgemeines Gesetz in dem Sinne, dass eben es dort keine Sondergesetze geben soll. Ihr Argument, das Sie gerade völlig zurecht anführen, läuft darauf hinaus: Das ist kein allgemeines Gesetz, eben weil es nur diese nationalsozialistischen Gräueltaten betrifft. Dem könnte man natürlich entgegenkommen, dass man sagt, man nimmt die Stalinisten mit dazu. Das aber wiederum – und das ist das Negative daran – würde diese, für mich enge und wichtige historische Verbindung gerade zu den Nazis aufheben. Das ist für mich eigentlich auch unter dem internationalen Aspekt die wesentliche Rechtfertigung dieses Paragrafen 130, gerade die Verbindung zum Nationalsozialismus.