Der Bundestag hat gestern die 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) beschlossen. Darin ist auch eine Ausnahmeregelung für das Presse-Grosso enthalten. Nun muss noch der Bundesrat dem Gesetz zustimmen. Presse-Verlage und Grossisten hätten dann eine gesetzliche Grundlage für ihre Absprachen, die bislang lediglich geduldet wurden.
Hintergrund waren mehrere gerichtliche Verfahren, in denen die bisherige Praxis beim Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften in Frage gestellt wurde. Dabei bieten Presse-Grossisten eine Vertriebsstruktur an, die es Verlagen ermöglicht, ihre Produkte diskriminierungsfrei an Händler abzugeben. Wichtigstes Merkmal dabei ist, dass Grossisten alle Medien neutral übermitteln und sowohl auf Seite der Verlage als auch auf der Abnehmerseite ein Kontrahierungszwang besteht. Sie haben allerdings auch eine Monopolstellung inne – zwischen den Grossisten besteht kein Wettbewerb, die jeweiligen Belieferungsgebiete sind streng aufgeteilt.
Zuletzt hatte der Bauer-Verlag vor dem LG Köln gegen den Grosso-Verband einen Rechtsstreit gewonnen und damit erreicht, dass er seine Vertriebs- und Verkaufsbedingungen individuell aushandeln kann. Das Urteil hatte bereits damals für erhebliche Unsicherheit gesorgt. Das Problem an der Entscheidung ist nämlich, dass nach seiner Argumentation nicht nur auf Grossistenseite Wettbewerb bestehen müsste. Vielmehr ist damit auch die Tür geöffnet worden für einen Wettbewerb auf Verlagseite um die günstigsten Konditionen für den Vertrieb ihrer Produkte. Damit könnten aber wirtschafts- und meinungsstarke Verlage bessere Konditionen für sich aushandeln, als kleinere Verlage. Genau das soll das Grosso-System aber vermeiden: Zeitungen und Zeitschriften sollen überall zu gleichen Bedingungen verfügbar sein.
Die aktuelle GWB-Novelle sieht nun eine Ausnahmeregelung für Pressegrossisten vor. § 30 Abs. 2a GWB sieht vor:
§ 1 gilt nicht für Branchenvereinbarungen zwischen Vereinigungen von Unternehmen, die nach Absatz 1 Preise für Zeitungen oder Zeitschriften binden (Presseverlage), einerseits und Vereinigungen von deren Abnehmern, die im Preis gebundene Zeitungen und Zeitschriften mit Remissionsrecht beziehen und mit Remissionsrecht an Letztveräußerer verkaufen (Presse-Grossisten), andererseits für die von diesen Vereinigungen jeweils vertretenen Unternehmen, soweit in diesen Branchenvereinbarungen der flächendeckende und diskriminierungsfreie Vertrieb von Zeitungs- und Zeitschriftensortimenten durch die Presse- Grossisten, insbesondere dessen Voraussetzungen und dessen Vergütungen sowie die dadurch abgegoltenen Leistungen geregelt sind. Insoweit sind die in Satz 1 genannten Vereinigungen und die von ihnen jeweils vertretenen Presseverlage und Presse-Grossisten zur Sicherstellung eines flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertriebs von Zeitungen und Zeitschriften im stationären Einzelhandel im Sinne von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut. Die §§ 19 und 20 bleiben unberührt.
Hinzu kommt in § 30 Abs. 3 GWB eine besondere Ermächtigung für das Bundeskartellamt. Dieses kann Grosso-Vereinbarungen für unwirksam erklären, wenn diese einen Missbrauch der Freistellungsvereinbarung darstellen.
Die Ausnahmeregelung versucht, die verschiedenen widerstreitenden Interessen beim Presse-Grosso zu vereinbaren. Auf der einen Seite stehen Wettbewerb und Privatautonomie: Unternehmen sollen vertragliche Vereinbarungen frei treffen können, wobei der Markt nicht unter Unternehmen aufgeteilt werden darf. Auf der anderen Seite steht Medienvielfalt und Pluralismus: Presse-Erzeugnisse sollen neutral vertrieben werden und überall verfügbar sein. Kleinen Verlagen darf dabei der Zugang zum Markt nicht versperrt werden.
Die neue Ausnahme im GWB schränkt deshalb die Privatautonomie in diesem Bereich ein: Branchenabsprachen beim Presse-Grosse sollen in Zukunft also erlaubt sein. Auch wenn das bedeutet, dass einzelne Verlage keine Sonderkonditionen aushandeln können. Ein massiver Eingriff in den Wettbewerb, der dadurch ausgeglichen wird, dass das Bundeskartellamt ein wachsames Auge auf die Absprachen hat, die im Rahmen des Presse-Grosso getroffen werden.
Die Beschlüsse des Bundestages vom 18. Oktober 2012.
Themenseite zum Presse-Grosso auf telemedicus.info.