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Gutachten: Adblocker verfassungsrechtlich zulässig

Verletzen Adblocker die Grundrechte von Medienunternehmen? Und welche verfassungsrechtlichen Vorgaben sind bei möglichen Verboten von Adblockern zu berücksichtigen?

Mit diesen Fragen hat sich der ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio in einem hier erstmals veröffentlichten Gutachten befasst. Der Staatsrechtler kommt in dem von der Eyeo GmbH (Adblock Plus) in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten zu dem Schluss, dass digitale Adblocker – auch mit einer entgeltlichen Whitelist-Funktion – verfassungsrechtlich zulässig sind und kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf zum Schutz der Medienunternehmen besteht.

Verlage wehren sich weiter

Neben den zahlreichen angestrebten Gerichtsverfahren, insbesondere gegen den Anbieter von Adblock Plus (Eyeo GmbH), streben einige Medienunternehmen nunmehr auch auf politischer Ebene ein Verbot von Werbeblockern an. Offenbar glauben die Verlage trotz eines ersten Teilerfolgs gegen Adblock Plus beim OLG Köln wohl selbst nicht so recht daran, auf gerichtlichem Weg ein vollständiges Verbot von Werbeblockern erreichen zu können. Jedenfalls sei aber ein Abwarten der Verfahren unzumutbar und das Umstellen auf Bezahlangebote oder ein technisches Wettrüsten keine tragfähige Alternative, so die Interessenvertreter.

Gutachten: Kein Bestandsschutz für Medienunternehmen

Das nun Telemedicus vorliegende Gutachten von Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio (Bundesverfassungsrichter a.D.), beleuchtet die kollidierenden Privatinteressen bei der Verwendung von digitalen Werbeblockern.

So stehen sich nach Ansicht von Prof. Di Fabio auf Seiten der Medienunternehmen und der Anbieter von Werbeblockern deren Grundrechte auf Berufsfreiheit und Bestandsschutz des jeweiligen Geschäftsmodells (Art. 12 und 14 GG) gleichwertig gegenüber. Somit ließe sich grundsätzlich eine Gleichrangigkeit der Geschäftsinteressen feststellen.

Für die Medienunternehmen greife zudem das Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 GG) und für die Anbieter der Adblocker das Grundrecht der Allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG).

Die Grundrechte der Nutzer von Adblockern, namentlich der selbstbestimmte Zugang zu Netzinformationen als Ausfluss ihrer Privatautonomie, dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (!) als Schutz vor heimlichem Tracking durch Onlinewerbung und nicht zuletzt auch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 und 5 Abs. 1 GG), müssten zusätzlich zugunsten der Anbieter von Werbeblockern in die Abwägung einbezogen werden. Auch der verbraucherschützende Charakter des Schutzes vor unzumutbarer Belästigung durch Werbung (§ 7 UWG) schütze die Interessen der Nutzer und stärke dadurch das Geschäftsmodell der Anbieter.

Im Rahmen der Abwägung der unterschiedlichen Grundrechte überwiegen die Interessen der Anbieter von Adblockern und Nutzer derselben die Interessen der Medienunternehmen, wobei die Grundrechte der Anwender das Geschäftsmodell der Anbieter der entsprechenden Software stärke, so der Verfassungsrechtler.

„Weder das Netz noch zivilrechtliche oder wettbewerbsrechtliche Ansprüche garantieren einen Bestandsschutz von Medienunternehmen. Die Pressefreiheit ist nicht darauf gerichtet, den Bestand eines Presseorgans gegen den Wettbewerb zu schützen. Die Pressefreiheit der Medienunternehmen muss daher hier hinter den Interessen der Anbieter und Nutzer zurücktreten. Denn der private Entfaltungsraum der Nutzer ist vor einer öffentlichen Durchdringung – auch durch Medienunternehmen – im Kernbereich verschlossen.”

Entgeltliches Whitelisting stärkt Nutzer-Autonomie

Im Ergebnis seien digitale Werbeblocker verfassungsrechtlich zulässig. Dies gelte auch für Werbeblocker mit einer entgeltlichen Whitelist Funktion. Die letztgenannte Funktion stärke vielmehr die Autonomie der Nutzer und insgesamt sei das Whitelisting als Quasi-Mediator zwischen Nutzer und Medienunternehmen eine schonendere Maßnahme als ein 100% Werbeblocker (ein bereits bekanntes Argument).

Die Verbreitung von Werbefiltern und deren selektive Freischaltung gegen Entgelt ist innerhalb des Netzambientes aus verfassungsrechtlicher Sicht jedenfalls nicht in einem solchen Maße asymmetrisch und intransparent, dass die öffentliche Gewalt hier zugunsten einer benachteiligten Seite mit dem Lauterkeitsrecht oder mit der Veränderung der gesetzlichen Rechtslage reagieren müsste.

Insgesamt bestehe daher mangels Gefährdungslage für das Institut der meinungsbildenden Presse und im Hinblick auf die Rechte der Nutzer und Anbieter keine gesetzliche Schutzpflicht des Staates, mithin auch kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf.

Ausblick

Die aktuelle Debatte heizt das Thema „Adblocker“ nochmal kräftig an. Es wird sich in den zahlreichen Gerichtsverfahren zu Adblock Plus bald zeigen, was der BGH von dem Geschäftsmodell des bezahlten Whitelistings beim Vertrieb des Werbeblockers hält. Ein generelles Adblocker-Verbot, wie von einigen Medienunternehmen gefordert, wird aber ein eher unwahrscheinliches Szenario bleiben.

Das Gutachten im Volltext.
Executive Summary des Gutachtens.
Mehr auf mobilgeeks.de.
Bericht bei Golem.
Der Streit um Adblock Plus im Überblick.

, Telemedicus v. 05.08.2016, https://tlmd.in/a/3116

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