Der US-amerikanische Jurist Eugene Volokh ist in einem Rechtgutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass auch Suchmaschinen sich mit ihren Diensten auf den Schutz der Meinungsfreiheit berufen können. Demnach handele es sich bei Suchergebnissen ebenso um Ergebnisse eines Wertungsprozesses, die vom First Amendment der amerikanischen Verfassung erfasst sind. Hintergrund ist ein Kartellverfahren gegen Google, in dem es darum geht, dass Google selektiv Unternehmen bei seinen Suchergebnissen benachteiligt haben soll.
Volokh ist nun zu dem Ergebnis gekommen, Suchmaschinen seien analog zu Zeitungen und Buchverlagen zu sehen. Damit stehe ihnen derselbe Schutze zu. Das Gutachten wird als Strategiewechsel gesehen. So habe Google bislang versucht, seine marktbeherrschende Stellung herunter zu reden und sich nicht als ein Medienunternehmen darzustellen, dass subjektive Wertungen vornimmt.
In seiner Wirkung muss das Gutachten Volokhs nicht viel bedeuten. Schließlich bringt es zunächst nur seine eigene Rechtsansicht zum Ausdruck. Ob diese in dem Kartellverfahren auch berücksichtigt wird, ist noch offen. Davon unabhängig würde dies noch lange nicht bedeuten, dass sich Google gleichzeitig auch auf einen entsprechenden Schutz nach dem deutschen Grundgesetz berufen könnte.
Maßgeblich für eine „Meinung” nach Art. 5 I 1 GG ist nämlich ein „Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens” im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung. Dieses wertende Element könnte in der Auswahl der Suchalgorithmen gesehen werden. Nach meiner Ansicht ist der Schutzbereich der Meinungsfreiheit nicht eröffnet. Die Grundentscheidung, welcher Algorithmus zur Ermittlung der Suchergebnisse gewählt wird, wirkt sich nur mittelbar auf das Ergebnis aus. Die Suchergebnisse selbst sind das Ergebnis eines mathematischen und logisch nachvollziehbaren Prozesses. Auch einen redaktionellen Inhalt, der für die Pressefreiheit aus Art. 5 I 2 GG sprechen würde, halte ich für nicht einschlägig.
Was wäre die Konsequenz, wenn Suchmaschinenergebnisse als Meinungen grundrechtlich geschützt wären? Thomas Stadler sieht hierin die Möglichkeit einer verschärften Haftung für Google. Wer journalistisch-redaktionell auf die Suchergebnisse einwirke, könne für diese Inhalte auch haftbar gemacht werden.
Das Hauptproblem liegt meiner Ansicht nach jedoch eher bei der Netzneutralität. Netzneutralität bedeutet, dass Diensteanbieter Daten im Internet wertneutral übertragen. Dazu zählt auch Google, wenn es Suchergebnisse präsentiert. Wenn das Unternehmen aber tatsächlich Wertungen mit einfließen lässt, werden die Daten in Form der Suchergebnisse möglicherweise auch nicht mehr wertneutral übertragen. Damit macht sich Google aber wiederrum wettbewerbsrechtlich angreifbar. Es liegt nämlich dann der Verdacht nahe, dass es durch seine Wertungen Unternehmen benachteiligt.
In den USA beruft sich Google auf die Meinungsfreiheit, um in dem Kartellverfahren zu gewinnen und betont damit den eigenen wertenden Einfluss auf die Suchergebnisse. Diese Argumentation mag in den USA helfen, in Europa könnte sie Google aber neuen Ärger bereiten. Denn eben dieser wertende Einfluss könnte nicht nur kartellrechtlich ein Problem sein, sondern auch einen Verstoß gegen die vieldiskutierte Netzneutralität darstellen. Der Schuss könnte also nach hinten losgehen.
Das Gutachten im Volltext.
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