Manchmal hat man den Eindruck, dass Google ein Gespür dafür hat, den Finger in die Wunden des deutschen Medienrechts zu legen. Neuestes Beispiel: „Instant Preview”, die neue Vorschaufunktion, die Google gestern vorgestellt hat. Neben den Suchergebnissen will Google künftig Screenshots der gefundenen Seiten anzeigen, um den Nutzern einen schnelleren Eindruck der gelisteten Webseiten zu ermöglichen.
Mal wieder hat Google damit einen Nerv getroffen. Denn urheberrechtlich sind solche Screenshots eine knifflige Angelegenheit.
Urheberrecht bei Webseiten
Die Probleme beginnen mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Design einer Webseite urheberrechtlich geschützt ist. Dabei kommt es – wie fast immer im Urheberrecht – darauf an, ob die erforderliche „Schöpfungshöhe” erreicht ist. Die Leistung des Designers muss „diejenige eines Durchschnittsdesigners überragen”, formuliert es etwa das LG München. Viel klarer wird die Lage dadurch aber nicht. Das LG München war zum Beispiel von der „optisch sehr ansprechend gestalteten Menüführung” beeindruckt und nahm einen Urheberrechtsschutz der Webseite an. Ob das Menü in dem konkreten Fall aber auch den Vorstellungen anderer Gerichte von einer gelungenen Nutzerführung genügt hätte, weiß man nicht.
Wenn alle Stricke reißen, lässt sich ein urheberrechtlicher Schutz aber zumindest über Fotos konstruieren – diese sind nämlich über das Leistungsschutzrecht aus § 72 UrhG auf jeden Fall schutzfähig.
Screenshots und Urheberrecht
Die nächste Frage ist, wie Screenshots urheberrechtlich überhaupt einzuordnen sind. Schon im Jahr 2000 hat das LG Berlin entschieden, dass die Veröffentlichung von Screenshots ohne Quellenangabe urheberrechtlich nicht zulässig ist. Und auch in der juristischen Literatur sieht man Screenshots als urheberrechtlich relevante Vervielfältigung an.
Zumindest bei Webseiten, die entweder selbst urheberrechtlich geschützt sind oder aber per Leistungsschutzrecht geschützte Fotos enthalten, können Googles Screenshots also urheberrechtlich kritisch sein. Man könnte auch überlegen, ob eine Vervielfältigung der dargestellten Texte stattfindet. Zwar sind die Texte bei Googles Screenshots kaum zu erkennen, vervielfältigt werden sie aber auch dann, wenn sie nachträglich verkleinert werden.
BGH Thumbnails-Entscheidung
Nun hat der BGH aber schon einmal die Kohlen aus dem Feuer geholt, als es um die urheberrechtliche Bewertung der Thumbnails in der Google-Bildersuche ging. Damals entschied der BGH, dass die Veröffentlichung der Bilder in der Google-Suche zwar urheberrechtlich unzulässig sei, man aber nicht gegen Google vorgehen könne, wenn man die Erfassung seiner Bilder nicht aktiv verhindert und obendrein seine Webseite auch noch für Suchmaschinen optimiert. Wer seine Bilder im Netz veröffentlicht und Suchmaschinen den Zugriff darauf erlaubt, willigt stillschweigend ein, dass die Bilder auch in Suchmaschinen gelistet werden dürfen und muss „mit den nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen rechnen”.
Bei den Screenshots liegt der Fall aber etwas anders: Anders als bei der Erfassung von Thumbnails gibt es – soweit ich das derzeit überblicken kann – keine Möglichkeit, Google die Erstellung von Screenshots zu verbieten (siehe Update am Ende des Artikels). Eine stillschweigende Einwilligung kann man hier also nicht annehmen, zumal es sich auch nicht um eine „übliche Nutzung” handelt, wie der BGH sie bezeichnet. Schließlich hat Google das Feature erst gestern neu eingeführt.
Und auch die Optimierung der eigenen Seite für Google kann hier nicht die selbe Rolle spielen. Der BGH ging im Thumbnails-Fall davon aus, dass es widersprüchlich sei, wenn man seine Seite einerseits für Google optimiert, andererseits dann aber gegen Google vorgeht. Hier ist das anders: Wer seine Webseite für Suchmaschinen optimiert, erhofft sich dadurch mehr Besucher. Die Screenshot-Vorschau birgt aber die Gefahr, dass einige Google-Nutzer erst gar nicht mehr auf die angezeigten Links klicken, sondern sich mit der Vorschau zufrieden geben. Es ist also keineswegs ein Widerspruch, seine Webseite für Google zu optimieren, Screenshots aber für Google verbieten zu wollen.
Grenzfall Google
Urheberrechtlich ist „Instant Preview” also eine schwierige Angelegenheit und keineswegs vergleichbar mit der jüngsten BGH-Entscheidung zur Google Bildersuche. Und mal wieder geht Google mit einem neuen Feature an die Grenzen des deutschen Medienrechts. Das kann man dem Unternehmen einerseits vorwerfen: Google kümmert sich nicht um rechtliche Grenzfälle, sondern macht einfach. Andererseits kan mann aber auch genau das positiv sehen: Gerade das deutsche Urheberrecht ist voller Tücken und Untiefen. Da brauchen Innovationen manchmal den Mut, die häufig nicht klar definierten Grenzen auszureizen. Und wenn es sich jemand erlauben kann, das ein oder andere Verfahren auch mal zum BGH durchzuziehen und Klarheit zu schaffen, dann ein Konzern wie Google mit 23 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr.
Googles Ankündigung von Instant Preview.
Update 11.11.2010:
In den Kommentaren wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass es mit Hilfe von Meta-Tags doch möglich ist, Instant Preview durch Google zu verhindern. Derzeit ist der Hinweis aber nur auf den englischen Hilfe-Seiten von Google zu finden. Außerdem ist es nur möglich, Snippets und Instant Preview gleichzeitig abzuschalten. Ob das für eine stillschweigende Einwilligung ausreicht, ist fraglich.