Der Bundesgerichtshof hat dem EuGH eine Frage zur Auslegung der Richtlinie über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz zur Vorabentscheidung vorgelegt. Im Detail ging es um die Frage, ob Verbrauchern im Fall des Widerrufs die Kosten der Zusendung der Ware auferlegt werden dürfen. Nun liegen die Schlussanträge des Generalanwalts am EuGH vor.
Der Fall
Ein im Versandhandel tätiges Unternehmen hatte in seinen AGB bestimmt, dass der Verbraucher einen pauschalen Betrag für die Versandkosten zu tragen habe. Im Fall eines Widerrufs wurde dieser Versandkostenanteil jedoch nicht erstattet.
Hiergegen erhob ein Verbraucherverband Unterlassungsklage, um es dem Versandhandelsunternehmen untersagen zu lassen, Verbrauchern, die ihr Widerrufsrecht ausüben, die Hinsendekosten aufzuerlegen.
Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass es nach deutschem Recht keinen ausdrücklichen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Zusendung der bestellten Ware im Fall des Widerrufs gibt. Ob dies mit der Verbraucherschutzrichtlinie vereinbar ist, soll nun der EuGH beantworten.
Der Meinungsstand
Dreh- und Angelpunkt bei der Frage ist der Kostenbegriff der Richtlinie 97/7/EG (PDF). Es muss daher geklärt werden, ob die Lieferkosten unter den Begriff der Kosten im Sinne von Art. 6 der Richtlinie fallen.
Stellungnahme der deutschen Regierung
Die deutsche Regierung ist in ihrer Stellungnahme der Meinung, dass der Kostenbegriff eng auszulegen ist. Dem zur Folge ist sie der Ansicht, dass nur der Preis der Ware oder der Dienstleistung unter die Formulierung „geleistete Zahlungen” fällt und die Versandkosten nicht zu erstatten sind.
Stellungnahme des Generalanwalts
Generalanwalt Paolo Mengozzi sieht das anders. Dem Verbraucher steht seiner Ansicht nach ein weitgehendes und unbedingtes Widerrufsrecht zu, das vorsieht, dass der Verbraucher den Vertrag „ohne Angabe von Gründen und ohne Strafzahlung” widerrufen kann. Das bedeutet, dass die Ausübung des Widerrufsrechts für den Verbraucher grundsätzlich keine negativen Folgen haben darf. Die einzige Ausnahme hiervon besteht laut Mengozzi darin, dass dem Verbraucher im Fall des Widerrufs die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Ware auferlegt werden dürfen. Die Formulierung „einzige Kosten“ verlangt nach Ansicht des Generalanwalts eine enge Auslegung.
Art. 6 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie sieht die Pflicht des Lieferers vor, die vom Verbraucher „geleisteten Zahlungen” im Fall des Widerrufs kostenlos zu erstatten. In Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie, wonach die Ausübung des Widerrufs zu keiner finanziellen Belastung des Verbraucher führen darf, kommt der Generalanwalt zum Schluss, dass alle vom Verbraucher gezahlten Beträge vollständig zu erstatten sind. Der Lieferer darf daher keine Kosten einbehalten oder dem Verbraucher auferlegen.
Dieses Verbot soll auch dazu führen, dass das Widerrufsrecht mehr als nur ein formales Recht ist. Werden dem Verbraucher weitere Kosten im Fall des Widerrufs auferlegt, könnte dieser davon abgehalten werden von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen. Genau dieses Recht soll Art. 6 der Richtlinie aber gewährleisten. Nach der Ansicht des Generalanwalts lässt sich die Richtlinie deshalb nicht dahin auslegen, dass sie den Mitgliedsstaaten erlaubt, eine Regelung zu treffen, die dem Verbraucher im Fall des Widerrufs die Lieferkosten auferlegt.
Ergebnis
Die Empfehlung des Generalanwalts besagt, dass der Kostenbegriff der Richtlinie 97/7/EG weit auszulegen ist. Das bedeutet, dass die Lieferkosten im Fall des Widerrufs eines Fernabsatzvertrags nicht dem Verbraucher auferlegt werden dürfen.
Die Schlussanträge der Generalanwälte sind für die Entscheidung des EuGH nicht verbindlich. In den meisten Fällen folgt das Gericht jedoch den Empfehlungen der Generalanwälte.
Zu den Schlussanträgen in der Rechtssache C-511/08.
Der Vorlagebeschluss des BGH, Az. VIII ZR 268/07 vom 01.10.2008.