Die französische Musik-Verwertungsgesellschaft SACEM hat dieses Jahr ein Projekt gestartet, das ihren Mitgliedern die Lizenzierung von Inhalten unter Creative Commons gestattet. Damit ist es möglich, Eigenkompositionen unter dieser Lizenz anzubieten, ohne auf die Vergütungsmodelle der Verwertungsgesellschaft zu verzichten.
Getrennt werden die Nutzungsarten in kommerziell und nicht-kommerziell: Dem Mitglied steht es offen, seine Komposition zum Beispiel via Filesharing zu verbreiten oder für Blogs freizugeben (nicht-kommerziell). Wird das Stück etwa im Radio gespielt (kommerziell), kann wie gehabt die Vergütung erhoben und an den Urheber ausgeschüttet werden.
Wäre ein solches Modell auch in Deutschland denkbar? Telemedicus hat die GEMA um eine Stellungnahme gebeten.
Keine Vereinbarkeit von GEMA-Berechtigungsvertrag mit CC-Lizenzen
Der derzeitige Berechtigungsvertrag räumt der GEMA die Nutzungsrechte vollumfänglich ein. Der Urheber kann im Rahmen dieses Vertrages einzelne Werke nicht ausschließen. Laut GEMA soll sich das insbesondere aus Gründen der Praktikabilität nicht ändern: Die Rechtewahrnehmung könne nur effektiv erfolgen, wenn nicht einzelne Werke durch den Urheber selbst ausgenommen werden könnten. Der Berechtigungsvertrag lasse jedoch zu, dass Mitglieder einzelne Nutzungsarten, etwa die Onlinenutzung, von der Wahrnehmung durch die GEMA ausschließen können.
Die GEMA sieht die Aufspaltung in kommerzielle und nicht-kommerzielle Nutzungsarten kritisch. Katharina Reindlmeier von der GEMA erklärt:
„So lässt die in einigen CC-Lizenzverträgen enthaltene Formulierung, wonach die entsprechende Rechteeinräumung nur für Handlungen gelten soll, die nicht vorrangig auf einen geschäftlichen Vorteil oder eine geldwerte Vergütung gerichtet sind, keine klare Abgrenzung von CC-Lizenz zur kollektiven Rechtewahrnehmung durch die GEMA zu. Dies führt zu einer Beeinträchtigung der Rechtssicherheit für Berechtigte und Nutzer sowie zu einer Erschwernis der Verwaltung der Rechte durch die GEMA.“
Nachteile für die Solidargemeinschaft befürchtet
Laut GEMA soll außerdem das „Rosinenpicken” vermieden werden. Damit ist gemeint, dass Urheber den Verkauf ihrer Konzertkarten oder Fanartikel durch die freie Veröffentlichung ihrer erfolgreicheren Werke befördern wollen, während die weniger erfolgreichen Titel weiterhin unter das GEMA-Vergütungsmodell fallen.
„Dies würde zu einer erheblichen Verminderung der Verteilungssumme für alle durch die Verwertungsgesellschaft vertretenen Mitglieder, mithin also auch für diejenigen Berechtigten, die in der Solidargemeinschaft auf die Zahlung einer Vergütung für die Nutzung ihrer Werke angewiesen sind, führen und hätte zwangsläufig einen Rückgang der schöpferischen Tätigkeit und der kulturellen Vielfalt im Bereich der Musik zur Folge.“
„Kommerziell“ nicht trennscharf genug?
John Weitzmann von Creative Commons Deutschland erläutert, dass die von der GEMA angesprochene Möglichkeit, einzelne Nutzungsarten aus dem Wahrnehmungsvertrag auszunehmen, mit dem CC-Lizenzmodell nicht vereinbar ist: CC-Lizenzen unterscheiden nicht zwischen verschiedenen Sparten, sondern gelten immer für alle Nutzungsarten. Für eine CC-Lizenzierung müssten im Berechtigungsvertrag sämtliche Sparten ausgenommen werden, was die Rechtewahrnehmung durch die GEMA obsolet machen würde. Auch im Rahmen der CC-Projekte der ausländischen Verwertungsgesellschaften können deren Mitglieder nicht einzelne Werke von der Rechtewahrnehmung ausnehmen, sondern haben zusätzlich die Wahl einer CC-Lizenz. Sie ist das „Add-on“ – also ein Zusatz, kein Ersatz.
Die Trennung in kommerziell und nicht-kommerziell mag noch unscharf sein. Beim französischen Modell wurde die Aufspaltung durch eine beispielhafte Aufzählung konkretisiert. Jede Nutzung im Rahmen einer gewinnorientierten Organisation soll unter das Merkmal „kommerziell“ fallen. Das wird man wohl auch bei einer Bandhomepage mit einem Shop für Fanartikel annehmen müssen – bei Werbebannern auf diesen Seiten laut SACEM-FAQ nur dann jedoch, wenn damit Gewinne erzielt werden. Der Negativkatalog nennt unter anderem Filesharing und Konzerte, bei denen die Musiker nicht bezahlt werden.
Interesse überhaupt vorhanden?
Schon vor vier Jahren hat Telemedicus über die dänische KODA berichtet, die diesen Weg ebenfalls beschritten hat. Die SACEM ist die vierte ausländische Verwertungsgesellschaft für Musikwerke, die im Rahmen ihres Wahrnehmungsmodells eine CC-Lizenzierung erlaubt. Laut Stellungnahme der GEMA ist das Interesse ihrer Mitglieder an CC-Lizenzen gemeinhin gering. Daher bestehe kein Handlungsbedarf, das geltende Wahrnehmungsmodell zu verändern. Das mangelnde Interesse an Modellen wie diesen dürfte auch damit zusammenhängen, dass für viele Akteure der Internetmusikszene eine GEMA-Mitgliedschaft ohnehin nicht in Frage kommt. Die könnte jedoch für einige durchaus reizvoll sein, wenn das starre Korsett der Rechtewahrnehmung gelockert würde.
Zwar bietet die GEMA ihren Mitgliedern die Möglichkeit, Werke auf der eigenen Homepage zu streamen und auf kommerziellen Downloadplattformen kurze Ausschnitte streamen zu lassen. Dennoch ist auch in diesem Rahmen keine freie Lizenz, und damit kein freies Weitergeben der Titel vorgesehen. Für GEMA-Mitglieder hingegen, die es sich anders überlegen und künftig unter CC veröffentlichen möchten, bleibt derzeit wohl nur der Austritt. Tatsächlich ist es um die ausländischen Vorreiterprojekte eher ruhig geworden – Schaden haben sie jedenfalls keinen angerichtet. Im Sinne der Mitglieder liegen sie allemal, denn solche Modelle bieten den Musikschaffenden mehr Flexibilität. Und schließlich sind sie es, um die es geht.
Die Stellungnahme der GEMA im Volltext (PDF).
Die Meldung zum Pilotprojekt der SACEM bei urheberrecht.org.
Update, 15.30 Uhr: