Seit Vorgestern liegt die schriftliche Begründung des Urteilsspruches zum Supernature-Fall vor. Das Landgericht Hamburg hatte über die Frage zu entscheiden, inwiefern der Betreiber des Supernature-Forums für bestimmte Einträge Dritter haften muss. Ein Unternehmen, das sich von kritischen Einträgen der Foren-Nutzern verletzt sah, hatte ihn abgemahnt.
Das Gericht gab dem Unternehmen jetzt in Teilen Recht: ein Forenbetreiber hafte nicht nur für eigene Informationen, sondern auch für Beiträge Dritter, wenn sich der Betreiber nicht konkret von den rechtswidrigen Äußerungen distanziert oder sich dies aus dem „Umfeld“ ergibt. Wann genau das der Fall sein soll, ließ das Gericht offen.
Das Urteil ist im Internet stark kritisiert worden. Ob zurecht oder zu Unrecht, beantwortet Telemedicus-Autor Adrian Schneider, der kürzlich seine Seminararbeit zum Thema „Urheber- und markenrechtliche Haftung in Suchmaschinen und Foren“ abgeschlossen hat.
Warum haftet ein Forenbetreiber denn für Inhalte, die er nicht selbst verfasst hat?
Er kann als Störer haften. Das heißt, er wirkt hat an der Rechtsverletzung mit, ohne dass er dabei groß irgendetwas verschuldet haben müsste. Er muss allerdings eigentlich Prüfungspflichten verletzt haben. Wie die aussehen, ist stark umstritten – in der Rechtssprechung hat sich in etwa herauskristalisiert, dass man von Forenbetreibern nicht verlangen kann, jeden Beitrag im Vorhinein zu prüfen. Wenn der Betreiber aber von rechtswidrigen Beiträgen Kenntnis erlangt oder sich bestimmte Rechtsverletzungen häufen, kann man von einem Forenbetreiber verlangen, dass er solche Verletzungen auch zukünftig abstellt.
Im vorliegenden Fall war es wohl das erste Mal, dass das Unternehmen die Rechtsverletzung beanstandet hat. Und ob der Forenbetreiber von den Beiträgen wusste, geht aus dem Urteil nicht hervor. Nach der bisher überwiegenden Rechtsprechung hätte man also wohl davon ausgehen können, dass kein Unterlassungsanspruch besteht.
Was genau ist ein Mitstörer?
Mitstörer ist jeder, der ohne Täter oder Mittäter zu sein, adäquat kausal eine Rechtsverletzung herbeiführt. Das bedeutet, dass man als Störer nicht selbst ein Recht verletzt haben muss – wenn man eine Rechtsverletzung irgendwie mitermöglicht hat, kann man dafür in Anspruch genommen werden, zumindest auf Unterlassung.
Das Landgericht Hamburg sagt in seinem Urteil:
„Der Kläger ist hinsichtlich der Verbreitung dieser Äußerung Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB, denn Störer ist jede Person, von der eine Störung von Rechten des Betroffenen ausgeht. Für die Störereigenschaft reicht – wie sich auch aus den Normen der §§ 186 StGB oder 824 BGB ergibt – das bloße Verbreiten einer unzulässigen Äußerung aus; dass der Verbreiter selbst hinter den rechtswidrigen Inhalten steht oder sie gar verfasst hat, ist danach nicht erforderlich.“
Was meint das Gericht? Ist der Kläger nun Störer oder Täter?
Das Gericht widerspricht sich hier eigentlich. Es sagt einerseits, dass die Informationen, die in einem Forum verbreitet werden, zu behandeln sind wie Informationen, die der Forenbetreiber selbst in die Welt gesetzt hat, weil er sie „verbreitet“. Andererseits sagt das Gericht aber, dass der Forenbetreiber als Mitstörer haftet. Das Gericht spricht hier zwar von Störerhaftung – in der Argumentation läuft aber alles auf eine Täterschaft hinaus.
Warum war der Forenbetreiber nicht vom Haftungsprivileg des Host-Providers geschützt?
Wir haben eigentlich Bestimmungen, die besagen, dass Host-Provider nicht für Inhalte Dritter haften. Das heißt, der Forenbetreiber könnte nicht strafrechtrechtlich oder auch unmittelbar zivilrechtlich belangt werden. Das Problem ist aber seit der Rolex/Ricardo-Entscheidung des BGH, dass diese Haftungsprivilegien nicht für Unterlassungsansprüche gelten. Also auf die Pflicht, bestimmte Inhalte zu löschen. In diesem Fall gilt dann die Störerhaftung.
Das Gericht erstreckt die Verantwortung des Forenbetreibers auf alle Einträge, bei deren Verbreitung er mitwirkt, außer er distanziert sich im konkreten Fall. Entspricht das dem Maßstab der §§ 6 ff. MDStV?
§ 6 MDStV spricht ausdrücklich von „eigenen“ Informationen. In diesem Fall haben wir aber gerade keine eigenen Informationen, sondern fremde Informationen, die auf der Plattform des Forenbetreibers eingestellt wurden. Wenn auch fremde Informationen unter § 6 MDStV fallen würden, dann wäre das Haftungsprivileg des Host-Providers aus § 8 MDStV völlig überfüssig. Denn darum geht es ja gerade in der Bestimmung: um Inhalte Dritter.
Das Gericht argumentiert, dass der Forenbetreiber den fremden Inhalten gerade dadurch, dass er sie in sein Forum aufnimmt, besondere Glaubwürdigkeit verleiht. Anders sei das nur zu beurteilen, wenn sich der Kläger konkret von der Äußerung distanziert:
„Nur dadurch kann verhindert werden, dass sein Internetauftritt als Gewähr für die Richtigkeit der Information angesehen und deren weitere Verbreitung als zutreffende Tatsachenbehauptung gefördert wird. Dies entspricht der Konzeption für alle Angebote, über die Äußerungen verbreitet werden, die nicht ausschließlich von deren Inhaber stammen, sondern von Dritten verfasst sind, und wie sie nach der Regelung in § 54 RStV nunmehr kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung für alle Anbieter redaktionell gestalteter Angebote, wozu auch Internetforen gehören, gelten.“
Wie beurteilst du das?
§ 54 RStV ist auf den Fall eigentlich gar nicht anzuwenden, weil das Gesetz damals noch nicht in Kraft war. Davon abgesehen: Das Problem ist, dass § 54 Abs. 2 RStV keine „redaktionell gestalteten Angebote“ umfasst, sondern journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote.
Wenn ein Internet-Angebot redaktionell gestaltet ist – da habe ich bei einem Forum schon erhebliche Zweifel – dann muss es noch lange nicht journalistisch-redaktionell sein. Das setzt eigentlich voraus, dass da ein Mensch mit Sachverstand dahinter steht. Das ist ja auch gerade Zweck der Regelung: Wenn jemand sich journalistisch betätigt, dann hat er eine größere Meinungsbildungsrelevanz und Glaubwürdigkeit. Das ist etwas anderes, als wenn jemand einfach was in ein Forum schreibt. User Generated Content ist schon nicht „redaktionell“ – in keinem Fall aber „journalistisch“. Es spricht also einiges dagegen, dass Foren unter § 54 Abs. 2 RStV fallen sollten.
Dein Fazit?
Das Gericht widerspricht mit seiner Entscheidung einem Großteil der bisherigen Rechtsprechung. Aus dem Urteil geht nicht klar hervor, ob der Forenbetreiber nun als Täter oder Störer haftet. Ob für Forenbetreiber Prüfungspflichten bestehen und ob diese im vorliegenden Fall verletzt wurden, bleibt völlig offen. Und auch die Bezugnahme auf § 54 RStV ist höchst fragwürdig. Insgesamt würde das Urteil in dieser Form einer Revision wohl kaum standhalten.