Framing ist regelmäßig keine Urheberrechtsverletzung. Das hat der EuGH vergangene Woche entschieden (Az.: C-348/13). Was manche zunächst als Sieg für die Netzfreiheit gefeiert haben, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen aber als etwas komplizierter. Wir haben uns den Beschluss genauer angeschaut.
Der Fall betraf einen typischen Sachverhalt im Internet: Ein Webseitenbetreiber zeigt ein Video auf seiner Homepage. Dieses Video speichert er nicht auf einem eigenen Server, sondern bettet es über eine Drittwebseite bei sich ein. Dieses „Embedding“, manchmal auch „Framing“ genannt, hat mehrere Vorteile: Unter anderem spart man eigenen Webspace und verursacht meist keinen eigenen Traffic.
Das dachten sich auch einige Handelsvertreter auf dem Markt für Wasserfiltersysteme. Sie zeigten das Video eines Unternehmens auf ihrer Webseite, indem sie es als so genannten Inline-Frame einbetteten. Dieses Video hatte das Unternehmen zuvor auf YouTube veröffentlicht. Mit einer Veröffentlichung darüber hinaus war man aber nicht einverstanden – und klagte gegen die Einbindung auf den fremden Webseiten.
So geschah es, dass sich schließlich der BGH mit der Sache auseinander setzen musste. Das Argument der Klägerin: Als Rechteinhaberin stünde nur ihr das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung aus § 19a UrhG zu. Dieses habe sie mit der Veröffentlichung auf YouTube wahrgenommen. Sonstige Veröffentlichungen bedürften aber ihrer Zustimmung. Eine solche habe sie für die Fälle der beklagten Handelsvertreter aber nicht erteilt.
Der BGH hatte also die Frage zu beantworten, ob das Einbetten eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Für eine „öffentliche Zugänglichmachung“ nach § 19a UrhG verneinte er das: Allein YouTube (bzw. der Uploader) entscheide darüber, ob ein Film der Öffentlichkeit zugänglich ist und bleibt. Eine öffentliche Zugänglichmachung durch diejenigen, die ein Video einbinden, lag also nach Ansicht des BGH nicht vor.
Damit war aber noch nicht geklärt, ob dieses Einbinden eine „öffentliche Wiedergabe“ sein kann. Dieser Terminus ist der Oberbegriff unter anderem für die „öffentliche Zugänglichmachung“ und stammt aus § 15 Abs. 2 UrhG. Weil diese Vorschrift aber auch auf die europäische Urheberrechtsrichtlinie (2001/29/EG) zurückgeht, musste der BGH für die Auslegung den EuGH befragen.
Die konkrete Vorlagefrage des BGH an den EuGH lautete:
Stellt die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werks in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dar, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet?
Die klare Antwort des EuGH: Nein. Für eine Einstufung als öffentliche Wiedergabe sei es erforderlich, „dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeteten unterscheidet, oder, ansonsten, für ein neues Publikum wiedergegeben wird, d.h. für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten“.
Der EuGH stützt seine Entscheidung dabei im Wesentlichen auf das Urteil „Svensson“ (Urteil vom 13. Februar 2014, C-466/12). Dort hatte er entschieden, dass Verlinkungen zu urheberrechtlich geschützten Inhalten keine Urheberrechtsverletzung darstellen, wenn der Urheber die Inhalte auf der ursprünglichen Website für jedermann zum freien Abruf bereithält.
Dabei spiele es keine Rolle, ob der Nutzer erkennen kann, von welcher Webseite der Inhalt stammt. Entscheidend sei nur, ob die Wiedergabe des Werkes gegenüber einem neuen Publikum erfolgt. Genau das sei bei der Technik des Inline-Framing aber meist nicht der Fall:
Zwar kann diese Technik (…) verwendet werden, um ein Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ohne es kopieren zu müssen und damit dem Anwendungsbereich der Vorschriften über das Vervielfältigungsrecht zu unterfallen. Unbeschadet dessen führt aber ihre Verwendung nicht dazu, dass das betreffende Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird. Denn sofern und soweit dieses Werk auf der Webseite, auf die der Internetlink verweist, frei zugänglich ist, ist davon auszugehen, dass die Inhaber des Urheberrechts, als sie die Wiedergabe erlaubt haben, an alle Internetnutzer als Publikum gedacht haben.
– Hervorhebung durch den Autor.
Der EuGH sagt also zweierlei: Erstens muss sich im Rahmen des Inline-Framings das Publikum ändern, um eine öffentliche Wiedergabe darzustellen. Zweitens kann dies nicht mehr angenommen werden, wenn der Rechteinhaber ein Werk bereits frei zugänglich gemacht hat. Daraus lässt sich schließen, dass man ein einmal frei veröffentlichtes Video ohne Erlaubnis des Urhebers „embedden“ darf.
Was heißt das für die Zukunft? Man könnte meinen, beim „embedding“ dürfte es keinen rechtlichen Rattenschwanz mehr geben. Zurecht weisen aber einige Kommentatoren auf eine differenzierte Heransgehensweise hin.
Zunächst muss man prüfen, ob überhaupt eine rechtmäßige „Vorveröffentlichung“ vorliegt. Hat jemand das Werk, beispielsweise auf YouTube, ohne Zustimmung des Rechtsinhabers hochgeladen, dürften die Bewertungen des EuGH nicht gelten. Denn dieser hatte eindeutig auf eine rechtmäßige Quelle abgestellt. Genau hier dürfte sich aber in Zukunft erhebliches Konfliktpotential entwickeln. Denn woher soll ein Drittnutzer wissen, ob der Rechteinhaber das Werk bewusst veröffentlicht hat? Das kann offensichtlich sein, es kann aber genau so gut überhaupt nicht feststellbar sein – zumal man häufig über eine konkludente Einwilligung nachdenken könnte.
Zudem muss man sich die Frage stellen, ob das Werk mit dem „embedding“ für ein neues Publikum wiedergegeben wird. Wann genau das der Fall sein soll, sagt allerdings auch der EuGH in seinem Urteil nicht. Das kann laut Jens Ferner zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Video durch das „embedding“ für (theoretisch) jeden Benutzer frei zugänglich wird, obwohl es ursprünglich erst nach einem Login zu sehen war. Ähnlich wird man wohl den EuGH verstehen müssen: Dieser schließt ein neues Publikum dann aus, wenn ein Rechteinhaber das Video bereits komplett frei für „alle Internetnutzer als Publikum“ zur Verfügung gestellt hat. Das macht auch Sinn: Wer soll als neues Publikum eines Werkes in Betracht kommen, wenn es theoretisch jeder Mensch mit einem Internetzugang bereits ohne weiteres anschauen konnte? Allerdings wird erst die Zukunft zeigen, ob beispielsweise allein ein Login immer geeignet ist, diese Unterscheidung zielsicher zu treffen.
Die Entscheidung zeigt auch, dass man in aktuellen Rechtsfragen des Internets immer ein Auge auf Europa werfen muss. Ein beträchtlicher Teil der Entscheidungen im Internetrecht aus den letzten Monaten und Jahren stammt vom EuGH. Das verwundert einerseits nicht, leitet sich der deutsche Rechtsrahmen doch immer wieder aus europäischen Richtlininen ab. Andererseits erschwert das die Rechtsanwendung, weil selbst der BGH hier zunächst nicht abschließend Recht sprechen kann.
Für das Urheberrecht und Inline-Frames hat der EuGH außerdem nur bedingt für Klarheit gesorgt. Nur weil man ein Video „embedded“, entbindet das nicht von jeglichen Prüfpflichten – insbesondere, ob der Rechtsinhaber das Video ursprünglich rechtmäßig veröffentlicht hat oder man durch das „embedden“ ein neues Publikum ansteuert.
Schließlich bleibt auch die ganze weitere Reihe von Abwehrrechten im Internet anwendbar: Unterlassungsansprüche aus Persönlichkeitsrecht, Markenrechte, das Wettbewerbsrecht. Einen Freibrief für das Framing hat der EuGH also nicht erteilt. Ein echter Sieg für die Netzfreiheit ist das Urteil damit nicht – eher eine gute Platzierung in der Gruppenphase.
Das Urteil in der Datenbank von Telemedicus.
Telemedicus zum damaligen Vorlagebeschluss des BGH an den EuGH.