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EuGH zum Bankgeheimnis bei IP-Auskunftsansprüchen

Der EuGH hat heute in einem Vorabentscheidungsverfahren zu der Frage entschieden, ob Bankinstitute bei markenrechtlichen Auskunftsansprüchen Auskunft geben müssen. Ein unbegrenztes und bedingungsloses Auskunftsverweigerungsrecht schränke die Rechte am geistigen Eigentum ein (Az.: C-580/13). Die Entscheidung wird weitreichende Folgen im Zusammenhang mit sämtlichen Auskunftsansprüchen aus dem Recht des geistigen Eigentums haben. Telemedicus mit einer Analyse:

Markenrechtsverletzung und der Auskunftsanspruch gegenüber einer Sparkasse

Hintergrund dieser Entscheidung ist folgender: Die Klägerin ist die Inhaberin von Markenrechten für Parfums. Als solche hat sie wie viele Markeninhaber mit gefälschten Markenprodukten zu kämpfen. Insbesondere in Auktionshäusern werden immer wieder massenhaft Plagiate verkauft. Die Klägerin hatte einen Testkauf über eine Auktionsplattfom getätigt und festgestellt, dass ihr ein gefälschtes Produkt verkauft worden war. Da sie nun markenrechtliche Ansprüche gegenüber dem Verletzer geltend machen wollte, benötigte sie noch dessen Kontaktdaten. Eine Anfrage über das Nutzerkonto der Auktionsplattform blieb erfolglos. Deshalb wandte sich die Klägerin an die Bank, zu der sie den Kaufbetrag überwiesen hatte. Diese sollte ihr die Daten über den Kontoinhaber heraus geben, damit sie ihm gegenüber ihre Ansprüche geltend machen kann.

Die Anspruchsgrundlage für derartige Auskunftsansprüche bildet § 19 Abs. 2 S. 1 MarkenG. Allerdings gilt dies nicht uneingeschränkt. Der Anspruch besteht nicht, wenn die Person die Aussage verweigern darf, weil sie ein Zeugnisverweigerungsrecht hat. Dazu § 19 Abs. 2 S. 1 MarkenG als Auszug:

(2) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
1. rechtsverletzende Ware in ihrem Besitz hatte,
2. rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm,
3. für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder
4. nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Waren oder an der Erbringung solcher Dienstleistungen beteiligt war,

es sei denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 der Zivilprozessordnung im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt.

Hervorhebungen nicht im Original

Ähnliche Regelungen bestehen auch im Urheberrecht. Die Bank berief sich gemäß § 383 ZPO auf ihr Bankgeheimnis und verweigerte die Herausgabe der Kontoinformationen, weshalb die Klägerin vor dem LG Magdeburg Klage erhob. Im Instanzenzug hatte der BGH jedoch Zweifel, ob diese Norm europarechtskonform ist (Az.: I ZR 51/12). Problematisch erschien insbesondere Artikel 8 Abs. 3 lit. e der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (PDF), der lautet:

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten unbeschadet anderer gesetzlicher Bestimmungen, die

e) den Schutz der Vertraulichkeit von Informationsquellen oder die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln.

Die Frage war nun, ob die Vorgaben aus der Richtlinie eine Regelung zugunsten der beklagten Bank erlauben, wonach diese ohne weiteres die Auskunft verweigern darf.

EuGH: Grundrechte am geistigen Eigentum wären vereitelt

Der EuGH hält eine derartig weitreichende Regelung über die Auskunftverweigerung für nicht richtlinienkonform. Hintergrund ist der Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs. Den Inhabern geistiger Eigentumsrechte soll ein wirksamer Rechtsbehelf an die Hand gegeben werden, um ihre Rechte durchsetzen zu können. Dieser Regelungszweck ist ebenso in der EU-Grundrechtecharta (PDF) (abgekürzt GRC) abgesichert. Die Klägerin kann sich nämlich auf Grundrechte berufen, dass erstens ihr geistiges Eigentum geschützt wird und zweitens wirksame Rechtsbehelfe bestehen. Ebenso ist in der GRC aber auch der Schutz personenbezogener Daten als Grundrecht verankert. In diesem Zusammenhang ist die Auskunftsverweigerung der Bank zu sehen. Die Folge ist, dass sich hier verschiedene Grundrechte in einem Konflikt gegenüber stehen.

Derartige Normenkollisionen werden in der deutschen Rechtsprechung auf grundrechtlicher Ebene dadurch gelöst, dass ein angemessener Ausgleich zwischen den Positionen herzustellen ist. Diesen Ausgleich zwischen den verschiedenen Grundrechten müssen die Mitgliedstaaten aber auch auf EU-rechtlicher Ebene herstellen und einhalten. Der EuGH sieht in § 383 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO isoliert betrachtet die unbegrenzte Möglichkeit, das Zeugnis zu verweigern. Dies könne aber den Auskunftsanspruch vereiteln und würde deshalb gegen die Grundrechte auf einen wirksamen Rechtbehelf und den Schutz des geistigen Eigentums verstoßen. Hierzu aus dem Urteil:

[41] Nach alledem ist eine nationale Rechtsvorschrift wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende isoliert betrachtet geeignet, zu einer qualifizierten Beeinträchtigung des Grundrechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und letztlich des Grundrechts des geistigen Eigentums zu führen, die den Inhabern der Rechte des geistigen Eigentums zustehen. Eine solche Vorschrift genügt damit nicht dem Erfordernis, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen in Art. 8 der Richtlinie 2004/48 gegeneinander abgewogenen Grundrechten zu gewährleisten.

Die Folgen: BGH muss Ausgleich prüfen

Der EuGH hat die Vorlage eindeutig beantwortet: Ein national geregeltes Auskunftsverweigerungsrecht darf nicht unbegrenzt und bedingungslos gelten. Vielmehr muss das Recht auf geistiges Eigentum wirksam geschützt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich Banken gegenüber markenrechtlichen Auskunftsansprüchen überhaupt nicht mehr auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen können. Dieses Verständnis würde zu weit gehen und die Grundrechtskollission in das andere Extrem auflösen. Vielmehr fordert das Gericht den BGH zur Prüfung auf, ob entsprechende andere Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel bestehen, die es den Gerichten erlauben, die erforderlichen Auskünfte „nach Maßgabe der spezifischen Merkmale des Einzelfalls” anzuordnen. Im konkreten Einzelfall soll also die Auskunft angeordent werden und der in Anspruch Genommene die Auskunft nicht verweigern können. Welche Voraussetzungen für diese konkrete Einzelfallprüfung gelten, bleibt einer abschließenden Entscheidung des BGH überlassen.

Die Entscheidung im Volltext in der Telemedicus-Datenbank.
Carlo Piltz auf delegedata.de mit einer Bewertung vor Erlass der Entscheidung.

, Telemedicus v. 17.07.2015, https://tlmd.in/a/2972

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