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EuGH zu Nizzaklassen: DPMA zieht mit

Welche Anforderungen muss das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis bei einer Markenanmeldung erfüllen? Mit dieser Frage hat sich der EuGH Ende Juni befasst. Die Entscheidung ist aber nicht nur auf Gegenliebe gestoßen: Kritiker werfen dem EuGH vor, mit dem angeblich klarstellenden Urteil für Verwirrung zu sorgen. Nicht so das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA): Dieses begrüßte die Entscheidung des EuGH, wie es Ende Juni mitteilte.

Was war passiert?

Mitte Oktober 2009 meldete das Chartered Institute of Patent Attorneys (CIPA) die Bezeichnung „IP TRANSLATOR“ im vereinten Königreich als nationale Marke an. Als Dienstleistungen zeigte es (nur) die Oberbegriffe der entsprechenden Klasse der Nizza-Klassifikation an. Das nationale Markenamt lehnte die Eintragung ab: Auf dieser Basis sei die Bezeichnung „IP TRANSLATOR“ beschreibend, es fehle ihr an Unterscheidungskraft. Das wollten die Patentanwälte nicht auf sich sitzen lassen: Der Rechtsstreit landete über den britischen High Court schließlich beim EuGH.

(Nicht) Alle Wege führen zur Marke?

Wer eine Marke anmeldet, muss viele Formalia erfüllen. Eines der wichtigsten: Er muss ein Verzeichnis der Waren und/oder Dienstleistungen angeben, für die die Marke genutzt wird. Diese Markenklassifikation wird auch Nizza-Klassifikation genannt. Sie unterteilt verschiedenste Waren oder Dienstleistungen in insgesamt 45 Klassen. Je nachdem, in welchem Bereich man die Marke nutzen möchte, muss man verschiedene Klassen bei der Anmeldung angeben.

Eine Besonderheit des Verzeichnisses: Den Klassen sind Oberbegriffe vorangestellt. Sie beschreiben grob, um welche Wirtschaftsgüter es in der jeweiligen Klasse geht. Zusätzlich gibt es eine alphabetische Liste mit tausenden Produkten oder Tätigkeiten. Wer nun eine Marke anmeldet, hat oft die Qual der Wahl.

Markenanmeldung auf der DPMA-Webseite mit Hinweis auf die Nizza-Klassifikation.
Markenanmeldung auf der DPMA-Webseite mit Hinweis auf die Nizza-Klassifikation.

EuGH: Wahl ja, Qual nein?

Der EuGH hat nun klargestellt: Wer Marken anmeldet, kann sowohl nur die Oberbegriffe angeben, als auch Oberbegriffe und einzelne Waren oder Dienstleistungen der alphabetischen Liste. Diese Angaben müssten aber immer „hinreichend klar und eindeutig“ sein. Ausserdem müsse stets klargestellt werden, ob nun alle Listeneinträge der alphabetischen einbezogen sein sollen, oder nur einige. Wenn nur einige erfasst sein sollen, muss man diese konkret benennen.

Genau das haben die verschiedenen Markenämter der EU bisher unterschiedlich gehandhabt: Waren nur (sämtliche) Oberbegriffe angegeben, deuteten dies einige so, dass auch sämtliche Waren oder Dienstleistungen der alphabetischen Liste erfasst sein sollten. Andere wiederum forderten zusätzlich eine genaue Beschreibung. So offenbar auch das DPMA. Das DPMA begrüßte deshalb das Urteil des EuGH:

Das DPMA begrüßt die Entscheidung des EuGH (…), durch die der Gerichtshof klarstellt, dass die Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, vom Anmelder so klar und eindeutig anzugeben sind, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschaftsteilnehmer allein auf dieser Grundlage den Umfang des Markenschutzes bestimmen können (…).

Dieser Grundsatz wurde auch bisher schon vom DPMA beachtet und dementsprechend – auch im Falle der Verwendung von Klassenüberschriften durch die Markenanmelder – auf eine eindeutige Formulierung der Waren und Dienstleistungen hingewirkt.

Klarheit oder nicht?

Ob der EuGH wirklich Klarheit geschaffen hat, bezweifeln einige. Kritiker meinen, dass er „sich eines klaren und eindeutigen Urteils enthielt, was nun weitere Verwirrung stiften wird.“

Und in der Tat: Der EuGH schiebt den „schwarzen Peter“ letztlich wieder den Markenämtern zu:

Einige der Oberbegriffe in den Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation sind für sich gesehen so klar und eindeutig, dass sie es den zuständigen Behörden und den Wirtschaftsteilnehmern ermöglichen, den Schutzumfang der Marke zu bestimmen, während andere diesem Erfordernis nicht genügen können, wenn sie zu allgemein formuliert sind und zu unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen abdecken, als dass sie mit der Herkunftsfunktion der Marke vereinbar wären.

Daher ist es Sache der zuständigen Behörden, im Einzelfall nach Maßgabe der Waren oder Dienstleistungen, für die der Anmelder den Markenschutz beantragt, zu beurteilen, ob diese Angaben den Erfordernissen der Klarheit und der Eindeutigkeit genügen.

Und so muss letztlich auch das DPMA selbst eingestehen: Wie genau ein Markenanmelder klar und eindeutig darlegen kann, dass alle Waren oder Dienstleistungensich der alphabetischen Liste erfasst sein sollen, „bedarf noch der Prüfung.“

Betrachtet man das Urteil genau, sagt auch der EuGH an keiner Stelle, was denn genau klar und eindeutig eigentlich bedeutet. Auch auf den Teil einer der Vorlagefragen, „konkret mit welchem Grad“ die Angaben gemacht werden müssten, schweigt er sich aus. Hier schlummert weiterhin Streitpotential. Ob sich der EuGH also gegebenenfalls sogar ein Eigentor geschossen hat, bleibt deshalb abzuwarten.

Das Urteil des EuGH im Volltext.
Die Mitteilung des DPMA.
Blogbeitrag von RAin Viola Lachenmann.

  • Fritz Pieper

    Fritz Pieper ist Rechtsanwalt bei Taylor Wessing.

, Telemedicus v. 11.07.2012, https://tlmd.in/a/2367

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