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EuGH zu Marktmachtmissbrauch bei SEP-Unterlassungsansprüchen

Letzte Woche hat der EuGH eine wichtige Entscheidung im Zusammenhang mit dem kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand bei standardessenziellen Patenten (SEP) gefällt (Az.: C-170/13). Die Frage war, ob ein SEP-Inhaber seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, wenn er einen vermeintlichen Verletzer seines Patents auf Unterlassung in Anspruch nimmt. Unter bestimmten Umständen soll dies nicht der Fall sein, so der EuGH. Hier eine Analyse der Entscheidung.

Streit um standardessenzielles Patent für LTE-Standard

Hintergrund ist ein Rechtsstreit vor dem LG Düsseldorf (Az.: 4b O 104/12). Dort stritten die beiden Unternehmen Huawei und ZTE über die Zulässigkeit patentrechtlicher Ansprüche aus einem sogenannten standardessenziellen Patent (SEP). Dabei handelt es sich um bestimmte Patente, die für den Wettbewerb unerlässlich sind, da Wettbewerber keine Alternativlösungen entwickeln können. Huawei hatte beim European Telecommunications Standards Institute (ETSI) ein Patent angemeldet, das im Zusammenhang mit dem LTE-Standard als essenziell gilt. Dabei verpflichtete sich Huawei gegenüber ETSI, Lizenzen an Dritte zu FRAND-Bedingungen zu erteilen. Rechte an dem Patent sollen dabei zu Bedingungen erteilt werden, die fair, reasonable and non-discriminatory sind.

Was aber, wenn ein Unternehmen über keine eingeräumten Rechte verfügt, aber dennoch die als SEP patentierte Erfindung nutzt? Kann der Patentinhaber in diesem Fall seine Rechte sofort vollumfänglich geltend machen? In der Rechtspraxis ist für SEP anerkannt, dass der Patentverletzer einen Zwangslizenzeinwand geltend machen kann. Das bedeutet, dass Wettbewerber von dem Patentinhaber verlangen können, dass sie eine Lizenz eingeräumt bekommen. Dieser Anspruch kann dem Patentinhaber wiederum entgegen gehalten werden, wenn er patentrechtliche Ansprüche geltend macht. In diesem Fall kann es ein Missbrauch von Marktmacht sein, wenn der Pateninhaber seine Rechte geltend macht. Wettbewerber könnten dadurch vom Markt verdrängt werden oder erst gar nicht Zutritt erhalten. Der BGH hat dies in der Entscheidung „Orange-Book-Standard” bereits einmal definiert (Az.: KZR 39/06). Will sich demnach der Patentverletzer auf den Zwangslizenzeinwand berufen, dann müsse er dem Patentinhaber ein unbedingtes Angebot auf den Abschluss eines Lizenzvertrages unterbreiten. Dieses müsse inhaltlich so ausgestaltet sein, dass der Patentinhaber es nicht ablehnen darf, ohne dass er sich unbillig oder diskriminierend verhalten würde. Wird das Patent bereits benutzt, so muss der Patentverletzer bereits die Bedingungen einhalten, die sich bei einer unterstellten Lizenzvereinbarung ergeben würden. Die Europäische Kommission sieht dies jedoch scheinbar nicht so eng und verlangt lediglich, der Patentverletzer müsse „verhandlungsbereit” sein.

Der Fall vor dem LG Düsseldorf stellt sich nun etwas anders dar als bei Orange-Book-Standard. Hier gab es im Vorfeld keine konkreten Verhandlungen über Lizenzvereinbarungen. Allerdings hatte sich ZTE immer verhandlungsbereit gezeigt. Nach der Ansicht der EU-Kommission könnte allein dies also bereits ausreichen, um Patentinhaber auszubremsen, wenn sie ihre Rechte geltend machen wollen. Das LG Düsseldorf setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH verschiedene Fragen zur Auslegung vor. Zum einen wollte das Gericht wissen, welche konkreten patentrechtlichen Ansprüche von dem Einwand betroffen sein können. Zum anderen ging es um den konkreten Maßstab, wann der Einwand berechtigt ist.

Wann verhält sich ein SEP-Inhaber missbräuchlich?

Der EuGH hatte nun zu entscheiden, wie die kollidierenden Interessen von Patentinhaber und Patentverletzer gegeneinander abgewogen werden müssen. Bereits das LG Düsseldorf hatte angedeutet, dass alleine Verhandlungsbereitschaft nicht ausreichen könne. Vielmehr müsse sich der Patentverletzer als „redlicher Lizenzsucher” qualifizieren. Da nämlich die Ausübung gesetzlich gewährter Rechte allein nicht missbräuchlich sein könne, müssten weitere Umstände hinzu kommen. Das könnte auch ein enstprechendes Lizenzvertragsangebot sein, das der Patentinhaber nicht einfach ablehnen kann.

Der EuGH entschied, dass Ansprüche auf Rückruf oder Unterlassung erst dann zulässig erhoben werden können, nachdem der Patentinhaber den Patentverletzer auf die Verletzung hingewiesen und ihn angehört hat. Der Anspruchsteller müsse dabei über das konkrete SEP informieren und auf die Möglichkeit hinweisen, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen abzuschließen. Erwiedert der Patentverletzer daraufhin, dass er einen derartigen Lizenzvertrag abschließen will, so muss der SEP-Inhaber ihm ein konkretes Angebot unterbreiten. Auf dieses Angebot müsse der Patentverletzer innerhalb angemessener Zeit reagieren. Er kann dieses Angebot also entweder ablehnen, annehmen oder aber seinerseits ein Gegenangebot machen, das den FRAND-Bedingungen entsprechen muss. Dies setzt ihm einen engeren Rahmen als die bloße Verhandlungsbereitschaft, da ihm Mitwirkungsobliegenheiten auferlegt werden. Der Patentverletzer darf sich dann nur noch auf Bedingungen berufen, die der SEP-Inhaber einräumen müsste.

Für Ansprüche auf Rechnungslegung oder Schadensersatz gelte jedoch etwas anderes: Ein SEP-Inhaber missbrauche seine marktbeherrschende Stellung bei derartigen Ansprüchen dann nicht, wenn hierdurch keine Marktverdrängung zu befürchten sei. Bei Verbotsrechten wie Rückruf oder Unterlassung kann dies der Fall sein, da die Wettbewerber keine Produkte auf den Markt bringen können, die auf dem standardessenziellen Patent beruhen. Anders ist dies bei Schadensersatz und Rechnungslegung. Diese Ansprüche wirken sich nicht darauf aus, ob Produkte der Wettbewerber auf den Markt gelangen oder nicht.
Das Urteil des EuGH in unserer Entscheidungsdatenbank.

, Telemedicus v. 27.07.2015, https://tlmd.in/a/2975

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