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EuGH: Gebrauchte Softwarelizenzen können weiterverkauft werden

Wer eine CD mit Software kauft, kann diese auch weiterverkaufen. Lange war unklar, ob ein Weiterverkauf auch möglich ist, wenn die Software per Download erworben wird. Der EuGH hat sich in Sachen Oracle gegen UsedSoft nun dazu geäußert: Der Weiterverkauf ist auch beim Erwerb per Download zulässig. Die Entscheidung enthält auch darüber hinaus Sprengstoff, der das IT-Recht die nächste Jahre beschäftigen wird.

Der Fall

Oracle hatte ihre Software zum Download angeboten. Gleichzeitig hatte Oracle mit den Kunden einen Lizenzvertrag abgeschlossen. Danach wurde eine „nicht abtretbare“ Lizenz eingeräumt.

Einige der Oracle-Kunden hatten ihre „gebrauchte“ Lizenz an das Unternehmen UsedSoft weiterverkauft. Die eigene Kopie der Software hatten sie zuvor gelöscht. Die Kunden von UsedSoft wiederum hatten die „gebrauchte“ Lizenz gekauft und anschließend selbst die Software online über die Internetseite von Oracle bezogen und genutzt.

Das Landgericht München I und das Oberlandesgericht München verurteilten UsedSoft auf Unterlassung. Auch für den BGH war klar, dass die UsedSoft-Kunden jedenfalls keine Lizenz erworben hatten. Denn die Lizenz war ja „nicht abtretbar“.

Der BGH hatte jedoch überlegt, ob nicht zugunsten der UsedSoft-Kunden der sogenannte Grundsatz der Erschöpfung gem. § 69c Abs. 1 Nr. 3 UrhG bzw. Art. 4 Abs. 2 Computerprogramm-RL eingreift. Der Grundsatz der Erschöpfung besagt nach Art. 4 Abs. 2 Computerprogramm-RL:

Mit dem Erstverkauf einer Programmkopie […] durch den Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung erschöpft sich […] das Recht auf die Verbreitung dieser Kopie; […].

Erschöpft sich das Recht also, kann der Verkäufer die Weitergabe der Kopie nicht mehr untersagen. Anders als nach der europäischen Computerprogramm-RL muss nach der deutschen Regelung in § 69c Abs. 1 Nr. 3 UrhG jedoch ein „Vervielfältigungsstück“ vorliegen. Das Wort „Stück“ anstatt „Kopie“ legte für viele etwas Körperliches nahe.

Bei Computerprogrammen kommt noch ein Weiteres hinzu: Wer eine Programmkopie oder ein Vervielfältigungsstück der Software hat, will sie auch nutzen. Ohne Lizenzvertrag darf das aber nur, wer „berechtigter Erwerber“ ist (Art. 5 Abs. 1 Computerprogramm-RL, vgl. § 69d Abs. 1 UrhG).

Der BGH war deshalb ebenfalls geneigt, UsedSoft auf Unterlassung zu verurteilen: Wegen des unkörperlichen Downloads durch die Oracle-Kunden liegt ein „Vervielfältigungsstück“ ja nicht wirklich vor. Dass dann auch noch der UsedSoft-Kunde „berechtigter Erwerber“ sein soll, erschien vollends fraglich. Schließlich hatte der UsedSoft-Kunde die Software ja durch einen weiteren, eigenen Download von Oracle bezogen.

Der BGH setzte das eigene Verfahren deshalb aus und fragte beim EuGH an.

Die Entscheidung des EuGH

Der EuGH hatte weniger Probleme. Das Urteil entspricht weitgehend den Schlussanträgen des Generalanwaltes.

Erschöpfung auch beim Download

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nach Art. 4 Abs. 2 der […] [Computerprogramm-RL] sowohl körperliche als auch nichtkörperliche Programmkopien und somit auch Kopien von Computerprogrammen betrifft, die bei ihrem Erstverkauf aus dem Internet auf den Computer des Ersterwerbers heruntergeladen wurden.

Zur Begründung führt der EuGH aus:

[…] die Veräußerung eines Computerprogramms auf CD?ROM oder DVD und die Veräußerung eines Computerprogramms durch Herunterladen aus dem Internet [sind] wirtschaftlich gesehen vergleichbar. Die Online-Übertragung entspricht funktionell der Aushändigung eines materiellen Datenträgers.“

Denn:

„Würde die Anwendung des Grundsatzes der Erschöpfung […] auf Programmkopien beschränkt, die auf einem materiellen Datenträger gespeichert sind, könnte der Urheberrechtsinhaber den Wiederverkauf von aus dem Internet heruntergeladenen Kopien kontrollieren und bei jedem Wiederverkauf erneut ein Entgelt verlangen, obwohl ihm bereits der Erstverkauf der betreffenden Kopie ermöglicht hat, eine angemessene Vergütung zu erzielen.“

Der EuGH ging sogar noch einen Schritt weiter: Wenn Oracle-Kunden zusätzlich einen Wartungsvertrag abgeschlossen und deshalb Updates erhalten haben, erschöpfen sich auch die Rechte an den Updates.

Auch der „Gebraucht-Kunde“ ist „berechtigter Erwerber“

Zudem sind die UsedSoft-Kunden „berechtigte Erwerber“ und dürfen die Software daher auch nutzen:

Da der Urheberrechtsinhaber dem Weiterverkauf einer Programmkopie, für die sein Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 2 der […] [Computerprogramm-RL] erschöpft ist, nicht widersprechen kann, ist der zweite und jeder weitere Erwerber dieser Kopie „rechtmäßiger Erwerber“ derselben im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der […] [Computerprogramm-RL]

Schwierigkeiten wegen Raubkopien seien hinzunehmen. Raubkopien könnten schließlich auch von CDs oder DVDs erstellt werden. Oracle solle dann halt technische Schutzmaßnahmen ergreifen.

Übergang der Lizenz?

Bislang ging es nur um die Frage, wann sich Rechte an einer bestimmten Programmkopie erschöpfen und wann ein „berechtigter Erwerber“ vorliegt, der die Kopie auch nutzen darf. Diese Rechte sind gesetzliche Rechte.

Der EuGH hat aber auch entschieden, dass die vertraglich eingeräumte Lizenz übergegangen ist:

[…] das Herunterladen der […] Programmkopie […] und der Abschluss eines Lizenzvertrags über die Nutzung dieser Kopie [stellen] ein untrennbares Ganzes dar[…], das in seiner Gesamtheit als Verkauf einzuordnen ist. Im Hinblick auf diesen untrennbaren Zusammenhang zwischen der Kopie […] und der entsprechenden Nutzungslizenz […] umfasst der Weiterverkauf der Nutzungslizenz den Weiterverkauf „dieser Kopie“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der […] [Computerprogramm-RL] und ist somit ungeachtet der […] [Lizenz-]Klausel des Lizenzvertrags von der […] Erschöpfung […] erfasst.

Nach der Auffassung des EuGH haben die Oracle-Kunden also die Programmkopie und ihr vertraglich eingeräumtes Nutzungsrecht weiterübertragen.

Auswirkungen und Fazit

Die Entscheidung des EuGH dürfte zu deutlichen Änderungen beim Vertrieb von Software führen. Der EuGH hat klargestellt, dass es nicht mehr darauf ankommt, ob der Käufer die Software per Datenträger oder per Download bezieht: Ist die Software zum Verbleib beim Käufer gedacht, kann der Käufer diese auch an einen Dritten weiterverkaufen. Der Dritte kann die Software so nutzen wie der Ersterwerber.

Die Entscheidung wird massive Auswirkungen darauf haben, wie Software künftig vertrieben wird. Der EuGH hat jedoch auch klargestellt, dass technische Schutzmaßnahmen weiterhin zulässig sind, um Raubkopien zu verhindern (hierzu bereits das Half-Life-2-Urteil des BGH).

Mit dem eher beiläufigen Bekenntnis zur Einheit von Programmkopie und Lizenz dürfte der EuGH einen weiteren Schritt hin zur Verdinglichung von Lizenzen gegangen sein (hierzu kürzlich schon das Reifen-Progressiv-Urteil des BGH). Ob der EuGH die Tragweite dieses Bekenntnisses durchdacht hat, mag bezweifelt werden. Denn: Wenn die vertragliche Lizenz ohnehin mitverkauft wird, dann kommt es doch auf die gesetzliche Erschöpfung nach der Computerprogramm-RL gar nicht mehr an.

Welche Reichweite diese EuGH-Entscheidung haben wird, dürfte sich erst in Zukunft zeigen. Das kommende Urteil des BGH ist jedenfalls mit Spannung zu erwarten. Denn der BGH wird eine neue Dogmatik zu entwickeln haben.

Die Entscheidung des EuGH im Volltext.
Der Vorlagebeschluss des BGH.

, Telemedicus v. 03.07.2012, https://tlmd.in/a/2356

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