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EuGH: Das Urteil zur Privatkopievergütung im Detail

Die europäische Privatkopieschranke greift nicht, wenn die Kopiervorlage selbst eine Schwarzkopie ist. Das hat der EuGH mit vorgestrigem Urteil entschieden und klargestellt, dass eine Leermedienabgabe zur Kompensation der Privatkopieschranke illegale Quellen nicht berücksichtigen darf (C-435/12).

Der EuGH stellt damit wenig überraschend enge Anforderungen an die Schranke der Privatkopie. Das grundlegende Dilemma eines gesunden Interessenausgleichs bleibt.

Das Verfahren vor dem EuGH

Anstoß für die Entscheidung des EuGH ist ein Vorlageverfahren des niederländischen Obersten Gerichts, bei dem ein Streit über die Festsetzung der Leermedienabgabe anhängig ist. Diese Abgabe müssen Hersteller von USB-Sticks, CD-Rs und Brennern entrichten, um die durch Privatkopien entgangenen Einnahmen zu kompensieren. Die Höhe der Abgabe bestimmt in Holland eine Stiftung (in Deutschland erhebt diese Abgabe die ZPÜ).

Ein holländischer Hersteller von CD-Rohlingen hatte die Festsetzung der Leermedienabgabe durch die dafür zuständige Stiftung moniert. Grund: Die holländische Abgabe berücksichtigt auch Schäden, die durch private Schwarzkopien entstehen. Sie unterscheidet nicht zwischen unrechtmäßiger und rechtmäßiger Quelle zur Kopie. Dagegen wandte sich der Hersteller der Leermedien. Das niederländische Oberste Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob auch illegale Kopien für die Festsetzung der Abgabe berücksichtigt werden dürfen. Dies hing entscheidend davon ab, ob allgemein die europäische Vorgabe zur Privatkopieschranke (Art. 5 Abs. 2 lit. b InfoSoc-RL) auch dann greift, wenn die kopierte Quelle illegal ist.

Der EuGH entschied nun: Die Schranke greift nicht bei illegalen Quellen; die Abgabe darf in der Konsequenz keine Kompensation für illegale Vervielfältigungen darstellen.

Illegale Quelle? Keine Privatkopie!

Privatkopieschranke toleriert keine Rechtsverletzung
Art. 5 Abs. 2 lit. b InfoSoc-RL erlaubt es den Mitgliedstaaten, eine Privatkopieschranke zu schaffen. Die Norm spricht lediglich von Vervielfältigungen „zum privaten Gebrauch“ und nennt als weitere Voraussetzung, dass Rechteinhaber dafür einen „gerechten Ausgleich“ erhalten müssen. Ob zwingende Voraussetzung für die Privatkopie eine rechtmäßige Quelle ist, regelt die InfoSoc-RL nicht explizit.

Da der EuGH urheberrechtliche Schranken gewöhnlich eng auslegt, überrascht es nicht: Auch im Fall zulässiger Privatkopien steht für den EuGH die Schranke

„einer Lesart […] entgegen, wonach sie den Inhabern des Urheberrechts über diese ausdrücklich vorgesehene Beschränkung hinaus auferlegt, Verletzungen ihrer Rechte, die mit der Anfertigung von Privatkopien einhergehen können, zu tolerieren.

Rn. 31; Hervorhebungen, auch im Folgenden, nicht im Original.

Zum Vergleich: Die deutsche Regelung zur Privatkopie in § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG spricht sich zur Kopievorlage genauer aus, indem sie bestimmt, dass die Quelle „nicht offensichtlich rechtswidrig“ sein darf – wenngleich auch diese Regelung massive Probleme aufwirft.

Dreistufentest: Schranke darf Verbreitung gefälschter Werke nicht fördern
Zudem muss sich die Privatkopieschranken am sogenannten Dreistufentest nach Art. 5 Abs. 5 InfoSoc-RL messen lassen. Danach dürfen Schranken nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, die die normale Verwertung des Werks nicht beeinträchtigen und die berechtigten Interessen der Urheber nicht ungebührlich verletzen. Der Dreistufentest definiert dabei nicht Inhalt und Reichweite einer nationalstaatlichen Schranke, sondern dient als Schranken-Schranke für die jeweilige national umgesetzte Norm, hier die der Privatkopie.

Der EuGH stellt fest: Eine nationale Vorschrift, die eine Privatkopie von illegaler Quelle zulässt, scheitert am Dreistufentest. Die Privatkopieschranke darf nicht so ausgelegt werden, dass sie zugleich mit der Verletzung von Urheberrechten einhergehen darf. Nach Ansicht des EuGH würde ein zu weites, also auch auf illegale Quellen bezogenes Schrankenverständnis zum einen

„die Verbreitung von nachgeahmten oder gefälschten Werken fördern und damit zwangsläufig den Umfang an Verkäufen oder anderen rechtmäßigen Transaktionen im Zusammenhang mit geschützten Werken verringern (…)“

Rn. 39

sowie zum anderen

„den Rechtsinhabern einen nicht gerechtfertigten Schaden zuzufügen.“

Rn. 40

Damit ist klar: Nur die legale Quelle lässt die Privatkopie greifen. Im konkreten Fall bedeutet das: Die Leermedienabgabe findet bei illegalen Quellen keine Legitimation; es muss daher zwischen illegaler und legaler Quelle unterschieden und die Abgabe auf letztere begrenzt werden. Dogmatisch ist das konsequent. Denn es wäre wenig überzeugend und illegitim, auf der einen Seite enge rechtliche Schranken zu postulieren, um andererseits die Kompensation für eine tatsächlich engere Schranke ausufern zu lassen. Derlei Widersprüche sind dem urheberrechtlichen Schrankensystem ohnehin schon gemein.

Der EuGH stellt außerdem fest, dass der Dreistufentest zur aufgeworfenen Frage auch dann keine Differenzierung rechtfertigt, wenn bei unterschiedlichen Trägermedien unterschiedlich starker oder gar kein Kopierschutz üblich ist.

Bei einer rechtswidrigen Quelle ist das Nein zur Privatkopie also apodiktisch.

Nutzersicht: Mittelbare Bestrafung und Zusatzkosten
Der EuGH äußert sich schließlich zur Abgabenhöhe aus Nutzersicht. Weil die Abgabe bei Berücksichtigung rechtswidriger Quellen für alle Nutzer von Leermedien gleichermaßen steigt, würden

„alle Nutzer, die solche Anlagen, Geräte oder Träger erwerben, mittelbar bestraft, da sie mit der Vergütung belastet werden, die unabhängig davon festgelegt wird, ob die Quelle, auf deren Grundlage solche Vervielfältigungen angefertigt werden, rechtmäßig oder unrechtmäßig ist, und sie dadurch zwangsläufig zum Ausgleich des Schadens beitragen, der durch Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch auf der Grundlage einer unrechtmäßigen Quelle entsteht, die nach der Richtlinie 2001/29 nicht erlaubt sind; sie müssen dadurch nicht unerhebliche Zusatzkosten in Kauf nehmen, um Privatkopien anfertigen zu können, die unter die Ausnahme nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie fallen.“

Rn. 56

Fazit

Im konkreten Fall steht der Rohling-Hersteller als Gewinner der Rechtsansicht des EuGH fest. Im übergeordneten Kontext jedoch manifestiert das Urteil ein altes urheberrechtliches Dilemma: Die nach heutigem Verständnis illegalen Kopien lassen sich wohl nicht aus der Welt schaffen – zumal im privaten Bereich. Wäre es da nicht pragmatisch, dasjenige zu kompensieren, was allgemein praktiziert (und wohl auch akzeptiert) wird? Genauer: die Schranken weiter zu fassen, und dafür pauschalen finanziellen Ausgleich zu gewähren? Das jetzige Urteil zeigt einmal mehr: Eine pragmatische Lösung ist im europäischen Urheberrecht derzeit nicht denkbar.

Dass der EuGH an einer restriktiven Schrankenlehre festhält, dürfte Rechteinhaber zwar zunächst erfreuen. Auf der anderen Seite wird so vielleicht schlicht weniger Geld in die Vergütungskassen gespült.

Enge Schranke, weniger Ausgleichsvergütung – haben am Ende womöglich sowohl Nutzer als aus Rechteinhaber verloren? Die Frage darauf kann und muss gewiss nicht der EuGH beantworten, sondern der europäische Gesetzgeber.

Das Urteil im Volltext.
Meldung zum Urteil bei Telemedicus.

, Telemedicus v. 12.04.2014, https://tlmd.in/a/2759

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