Die EU-Kommission hat Mittwoch beschlossen, das umstrittene ACTA-Abkommen vom EuGH prüfen zu lassen. Laut dem zuständigen Handelskommissar De Gucht soll der Gerichtshof feststellen:
(…) ob ACTA in irgendeiner Weise mit den europäischen Grundrechten und Grundfreiheiten, wie der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit, dem Datenschutzrecht und dem Recht des geistigen Eigentums, unvereinbar ist.
EU-Abgeordnete der Grünen und Liberalen hatten schon im Dezember eine Prüfung durch den EuGH gefordert. Dem schloss sich vergangene Woche auch EU-Justizministerin Reding an.
Das Vorgehen der Kommission ist ein Resultat der vergangenen Wochen. Europaweit gingen Menschen auf die Straße, um gegen das Abkommen zu protestieren: Unter anderem Polen, Tschechien und Deutschland setzten die Unterzeichnung des Abkommens deshalb aus.
ACTA: Inhalt und Kritik
ACTA ist ein völkerrechtliches Abkommen, das heißt, es schafft selbst kein Recht. Die Unterzeichnerstaaten müssen die Vorgaben erst innerstaatlich umsetzen. Deutschland nimmt an ACTA als EU-Mitgliedsstaat teil. In Deutschland hätte das Abkommen, wenn überhaupt, nur sehr wenige Auswirkungen auf bestehendes Recht: Die vorgesehenen Regelungen sind bereits im deutschen Recht enthalten. Auf europäischer Ebene hingegen geht es allerdings in einigen Punkten über bestehendes Recht hinaus.
ACTA soll Mindeststandards zum Schutz von Immaterialgüterrechten einzuführen. Kritiker bemängeln, dass das Abkommen nicht-öffentlich verhandelt wurde und Grundrechte verletze. Insbesondere wenden sie sich gegen Netzsperren und Internet-Filter. Diese sind aber im Text konkret nicht mehr enthalten. Rechtswissenschaftler kritisierten aber, man könne einige Punkte des Abkommens so auslegen, dass sie Grundrechte verletzen. Außerdem sehe das Abkommen keine ausreichenden Rechtsschutzgarantien vor.
Kommission fordert Gutachten des EuGH an
Die Rechtsgrundlage für das Verfahren, das die Kommission nun einleiten will, ist Art. 218 Abs. 11 AEUV. Dieser sieht vor, dass die Kommission ein Gutachten „über die Vereinbarkeit einer geplanten Übereinkunft mit den Verträgen” einholen kann. Das Verfahren wäre das zweite seiner Art. Das erste hat fast zwei Jahre gedauert.
Was passiert, wenn der EuGH ACTA für rechtswidrig erklärt? Wenn das Gutachten ACTA ablehnt, müssten entweder das Abkommen oder die Verträge geändert werden (Art. 218 Abs. 11 Satz 2 AEUV). Eine nachträgliche Änderung des ACTA-Inhalts steht aktuell nicht zur Debatte, und auch eine Änderung des EU-Primärrechts ist unwarscheinlich. Es bliebe also nur, das Abkommen nicht zu ratifizieren. Wenn der Gerichtshof allerdings keine Unvereinbarkeit mit europäischem Recht feststellt, könnte ACTA in der aktuellen Version ratifiziert werden.
ACTA in deutscher Übersetzung.
Zur Pressemitteilung der EU-Kommission.
Zur Stellungnahme von EU-Kommissar Karel De Gucht.
Telemedicus zur Kritik an ACTA, speziell zu der Frage, ob ACTA Internetsperren vorsieht.
Prof. Axel Metzger fasst in der c’t die Kritik zu ACTA verständlich zusammen.