Die Open Data Initiative fragdenstaat.de hat sich vor Land- und Kammergericht Berlin gegen das Bundesinnenministerium durchgesetzt. Das Ministerium hatte fragdenstaat.de Anfang des Jahres abgemahnt, weil das Portal ein internes Gutachten des Ministeriums im Netz veröffentlicht hatte. Der Vorwurf des BMI: Urheberrechtsverletzung.
Wie nun (auf etwas kuriose Weise) bekannt wurde, haben sowohl Land- als auch Kammergericht im einstweiligen Rechtsschutz zu Gunsten von fragdenstaat.de entschieden (Az. 15 O 58/14 und 24 W 21/14). Kann das Urheberrecht nun nicht mehr gegen unliebsame Informationen im Netz genutzt werden? Ein Durchbruch für die Meinungsfreiheit? Mitnichten.
Sowohl Land- als auch Kammergericht stützen sich in ihren Begründungen ausschließlich darauf, dass das streitgegenständliche Gutachten des Innenministeriums nicht urheberrechtlich geschützt ist. Das Kammergericht führt dazu aus:
„Zwar trifft es zu, dass grundsätzlich auch inhaltliche Werkelemente – wie etwa die Fabel eines Romans – dem Urheberrechtsschutz zugänglich sein können; dies gilt bei Sprachwerken wissenschaftlichen und technischen Inhalts aber nur mit der Einschränkung, dass Gedanken und Lehren in ihrem Kern, ihrem gedanklichen Inhalt, in ihrer politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Aussage, Gegenstand der freien geistigen Auseinandersetzung bleiben müssen und nicht auf dem Weg über das Urheberrecht monopolisiert werden können.”
Bedeutet das nun, dass die Meinungsfreiheit das Urheberrecht sperrt? Keineswegs. Das Kammergericht stellt lediglich klar, dass es bei Prüfung der Schutzfähigkeit des Gutachtens einzig auf dessen sprachliche Formulierung ankommt – und nicht auf dessen Inhalt. Das Gutachten mag also noch so kluge und kreative Schlussfolgerungen darlegen – wenn es nur knapp und schmucklos formuliert ist, unterfällt es nicht dem Schutz des Urheberrechtes.
Das bedeutet aber zweierlei:
Erstens sind auch interne Gutachten von Ministerien nicht per se vom Urheberrecht ausgeschlossen. Ein Gutachten kann durchaus urheberrechtlich geschützt sein – nur in diesem konkreten Fall reichte die Schöpfungshöhe nicht aus. Das lag unter anderem auch daran, dass es sich um ein eher knappes Dokument von vier Seiten handelte. Bei umfassenderen Stellungnahmen kann dagegen ein Urheberrechtsschutz durchaus in Betracht kommen. Vor allem, wenn sie nicht nur Text, sondern möglicherweise auch Skizzen oder Abbildungen enthalten. Wenn Fotos eingefügt sind, kann ergänzend auch das Leistungsschutzrecht aus den §§ 72 ff. UrhG greifen.
Zweitens geben die Entscheidungen keinerlei Freifahrtschein für geleakte Dokumente. Die eigentlich spannende Frage ist nämlich, was passiert, wenn ein geleaktes Dokument tatsächlich urheberrechtlich geschützt ist. Ob und in welchen Fällen die Meinungs- und Pressefreiheit als Schranke des Urheberrechts in solchen Fällen in Betracht kommt, ist aber auch nach den Entscheidungen von LG und KG Berlin noch nicht gesagt.
Die Klarstellungen aus Berlin sind also mit Vorsicht zu genießen. Sie sind für fragdenstaat.de ein erfreulicher Sieg, aber über den Einzelfall hinaus sind sie wenig aussagekräftig. Im Verhältnis zwischen Urheberrecht und Meinungsfreiheit besteht nach wie vor erheblicher Klärungsbedarf.
Der Beschluss des KG Berlin im Volltext.
Der Beschluss des LG Berlin im Volltext.
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