2013 war ein netzpolitisch und medienrechtlich äußerst spannendes Jahr – auch für Telemedicus. Wir haben auf diesem Blog viele wichtige Debatten begleitet, und auch für uns als Team war einiges los. Ein subjektiver Jahresrückblick.
Allem voran standen 2013 die Enthüllungen von Edward Snowden im Fokus. Dieser hatte Anfang Juni auf massive Überwachung durch die NSA aufmerksam gemacht und damit einen Stein ins Rollen gebracht, der bis heute nicht zum Stehen gekommen ist. Nachdem die Bundesregierung die Affäre Mitte August für „beendet” erklärte, platzte dann Ende Oktober die Nachricht in die Runde, die NSA hätte sogar das Kanzlerinnen-Handy abgehört. Ein Ende der Affäre ist weiterhin nicht in Sicht.
Aus juristischer Sicht stellt sich die Frage, ob der Staat es dulden darf, wenn sich bei seinen Bürgern ein (alles andere als diffuses) Gefühl des Überwachtwerdens einstellt, so dass diese in die Selbstzensur flüchten. Auch die Frage, ob der BND deutsche Netze überwachen darf, spielt dabei eine Rolle. Das Ausmaß der Enthüllungen mag man erahnen, die Auswirkungen sind noch lange nicht abzusehen.
In diese Diskussion spielte auch die diesjährige Entwicklung zu einer neuen Datenschutzgrundverordnung auf EU-Ebene herein, die Telemedicus mit vielen Artikeln begleitet hat. Die neue Verordnung soll den Datenschutz europaweit auf ein einheitliches Niveau bringen – nicht alle sind begeistert. Die EU-Kommission stellte den Entwurf bereits Anfang 2012 vor. Anfang 2013 gab es dann über 3000 Änderungsanträge allein auf EU-Parlamentsebene. Mitte Oktober präsentierte der LIBE-Ausschuss dann eine überarbeitete Version der Verordnung, der das Parlament zustimmte. Beim EU-Ministerrat sieht es anders aus: Dort ist noch keine Einigung in Sicht. Ob sich Rat, Parlament und Kommission bis zu den Europaparlamentswahlen im Mai 2014 noch einigen, ist fraglich. Ist das nicht der Fall, könnten sämtliche Bemühungen umsonst gewesen sein.
Auch auf nationaler Ebene gab es genug Stoff für Berichte. Einiges, was aus medienrechtlicher Sicht wünschenswert gewesen wäre, blieb aus – dass es keinen Dritten Korb zum UrhG geben würde, war insofern ein Offenbarungseid der damals noch regierenden schwarz-gelben Koalition. Wie anders hatte sich das noch in der „Berliner Rede” der Bundesjustizministerin angehört! Statt dessen: Das Presse-Leistungsschutzrecht. Selten war eine urheberrechtliche Änderung so umstritten, selten hat eine Reform so viel Rechtsunsicherheit produziert. Dennoch: Presseverlegern steht seit August ein ausschließliches Veröffentlichungsrecht an „Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon” zu; ausgenommen sind nur „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte”, die sogenannten Snippets. Was das alles bedeuten wird, das werden nun die Gerichte klären. Für die Anwälte ein spannendes Thema – auch weil sich seit Herbst 2013 zwei Verwertungsgesellschaften ein Wettrennen dazu liefern, wer künftig das Leistungsschutzrecht wahrnehmen wird.
Was die damalige Bundesregierung nicht mehr in Gesetzesform gießen konnte, darum kann sich nach der diesjährigen Bundestagswahl jetzt die „GroKo“, die große Koalition aus CDU/CSU und SPD, kümmern. Mitte Dezember war klar: Die beiden größten Volksparteien wollen in den kommenden vier Jahren koalieren. Und sie haben auch ganz konkrete Vorstellungen zu netzpolitischen Aktivitäten. Vorne mit dabei: Die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Nachdem sich eine riesige Gegenbewegung formiert hatte und das Bundesverfassungsgericht 2010 bereits entsprechende Vorschriften für verfassungswidrig erklärt hatte, stößt dieses Vorhaben nun erneut auf heftige Kritik. Kein Wunder, die Vorratsdatenspeicherung konterkariert viele fest verwurzelte Prinzipien des Datenschutzrechts: Datenvermeidung, Datensparsamkeit, Zweckbindungsgrundsatz. Einfach hatte es die GroKo in diesem Jahr nicht: Erst vereinbarten die Parteien im Koalitionsvertrag eine Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung – und keine zwei Wochen später erklärt ein Generalanwalt am EuGH, eben diese Richtlinie sei grundrechtswidrig. Auch in anderen Dingen sorgt die GroKo bereits für allerlei Unterhaltung, z.B. mit ordentlich Kabbelei zu der Frage, welches Ministerium eigentlich die Netzpolitik bearbeiten darf.
Auch in der Rechtsprechung hat sich bestätigt, dass das Internet und die Informationsgesellschaft nicht mehr nur auf dem Vormarsch sind, sondern mittlerweile eine Abbildung der gesellschaftlichen Wirklichkeit darstellen. Die Obergerichte hatten deshalb viel zu tun im Internetrecht: So hat zum Beispiel der BGH entschieden, dass das Internet für die Lebenshaltung von zentraler Bedeutung ist. Was man bei Google als Suchauftrag eintippt, kann weitreichende Folgen haben. Denn Googles Autocomplete-Funktion kann laut dem BGH Persönlichkeitsrechte verletzen. In einer anderen Sache herrscht für Verbraucher mittlerweile Klarheit: Es handelt sich nicht um eine „Flatrate“, wenn ein Netzbetreiber die Surfgeschwindigkeit nach einer bestimmten Datenmenge drosselt. Ob das Datenvolumen allerdings für das Anschauen von (Porno-)Streams genutzt werden sollte, darüber streiten sich zunächst Abmahnanwälte – vielleicht auch bald mit Staatsanwälten. Gerichte werden dieses Feld frühestens 2014 klären.
Und sonst so? Für Telemedicus war es ein vergleichsweise normales Jahr. Ein paar Zahlen: Wir hatten 173 neue Artikel im Blog, @Telemedicus hat 919 Tweets abgesetzt. In der Urteilsdatenbank gibt es 37 neue Urteile. Insgesamt 12 neue Autoren haben bei uns veröffentlicht, einige davon in Gastbeiträgen, andere als Teammitglieder. Um uns zu organisieren, haben wir 500 E-Mails über die internen Mailinglisten geschrieben. Um die Aus- und Weiterbildung unserer Autoren voranzutreiben, haben wir insgesamt 15 Telefonkonferenzen und Workshops veranstaltet. Telemedicus hatte ca. 1/2 Million Pageviews, ca. 4.000 mal wurde unsere interne Suchfunktion verwendet. 130 Personen haben sich im Jahr 2013 entschieden, unseren Newsletter zu abonnieren.
Im Sommer haben wir uns in Berlin zur Telemedicus-Sommerkonferenz getroffen. Wir hatten spannende Gespräche und Diskussionen, nur das Grillen fiel der Sommerhitze (und der damit verbundenen Waldbrandgefahr) zum Opfer. Einige unserer Mitarbeiter haben festgestellt, dass die Arbeit an Telemedicus-Artikeln auch examensrelevant sein kann. Unser Trägerverein, der Telemedicus e.V., tut weiter seine Arbeit. Und Telemedicus als solches hat dieses Jahr seinen 7. Geburtstag gefeiert.
Wir bedanken uns bei allen, die uns dieses Jahr unterstützt haben, sei es als Autor, als Spender, als Werbekunde, als Netzwerker, als Organisator, als Redakteur oder auf andere Weise. 2013 war toll, wir freuen uns auf das nächste Jahr!