Das Verwaltungsgericht Hannover hat einen gegen die Vergabe der RTL-Drittsendelizenzen gerichteten Eilantrag abgelehnt: Anfang des Jahres hatte sich der ehemalige Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert mit seiner Produktionsfirma UWP darum beworben, bei RTL die sog. „Fensterprogramme“ besetzen zu dürfen. Die entsprechenden Lizenzen wurden jedoch den bisherigen Rechteinhabern zugeteilt. Wickert und UWP hatten daraufhin schwere Vorwürfe erhoben, u.a. war von einer „eklatanten Ungleichbehandlung“ sowie dem Verdacht einer „rechtswidrigen Monopolisierung“ der Lizenzen die Rede.
RTL ist aufgrund eines Zuschaueranteils von über 10% dazu verpflichtet, Sendezeiten für unabhängige Dritte einzuräumen (§ 26 Abs. 5 Rundfunkstaatsvertrag). Durch diese Regelung, die aus der Entstehungszeit des Privatfernsehens stammt, soll zur Vielfalt im Programm beigetragen werden. Dementsprechend hatte die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) als Lizenzgeber von RTL die Sendezeitschienen für eine Laufzeit von 5 Jahren neu ausgeschrieben. Zwar hatten sich auch Ulrich Wickert und UWP damals beworben, den Zuschlag erhielten jedoch die bisherigen Veranstalter: Zum einen die von Alexander Kluge vertretene dctp, zum anderen die AZ Media TV. Zu den auf den dctp-Sendezeitschienen ausgestrahlten Sendungen gehören Formate wie „Spiegel TV“ und „Stern TV“ sowie „10 vor 11“. Die AZ Media TV ist mit den Sendungen „Trend-Reportage“ und „Große Reportage“ vertreten.
Wickert: „Eklatante Ungleichbehandlung“
Ulrich Wickert und seine Produktionsfirma UWP, die man von der Ablehnung nicht einmal benachrichtigt habe, fühlten sich durch die Vergabe an dctp jedoch benachteiligt. Die in der Folge eingereichte Klage beanstandete, wie einem ausführlichen FAZ-Bericht zu entnehmen ist, gleich mehrere Punkte: Zunächst habe es seitens der NLM keine Gelegenheit gegeben, die Pläne im Rahmen einer Anhörung zu erläutern. Darüber hinaus seien die Fristen so kurz gewesen, dass es einem potentiellen neuen Anbieter nicht möglich gewesen sei, ausreichend vorbereitet an dem Vergabeverfahren teilzunehmen. Mehr noch: Die zeitliche Abfolge zeuge davon, dass „schon davon ausgegangen wurde“, dass dctp wieder zum Zuge käme. Bemängelt wurde auch, dass Alexander Kluge und dctp im Hinblick auf RTL keine unabhängigen Dritten seien. Vielmehr bestünde „eine Vielzahl von Verflechtungen“. Schließlich sei auch die Ausgestaltung der Sendezeitschienen kritikwürdig, denn diese seien exakt auf die seit zehn Jahren laufenden dctp-Magazinen ausgerichtet.
Zugleich, so das VG Hannover, hatte UWP in einem gesonderten Eilverfahren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage beantragt, um dergestalt zu verhindern, dass dctp weiter sendet. Außerdem hatte UWP die vorläufige Erteilung der Lizenz verlangt, hilfsweise im wöchentlichen Wechsel mit dctp. Diesen Anträgen im Eilverfahren war jedoch kein Erfolg beschieden, wie der Pressemitteilung des Gerichts weiter zu entnehmen ist:
Das Gericht stellte fest, dass die NLM das Vergabeverfahren ordnungsgemäß durchgeführt hat. Da es sich um ein Ausschreibungsverfahren handelt, sei die NLM nicht verpflichtet gewesen, die UWP vor der Auswahl- und Zulassungsentscheidung gesondert anzuhören oder ihr Gelegenheit zu geben, ihre im Vergleich zu dctp allgemeiner gehaltene Bewerbung nachzubessern. Auch in der Sache sei die Auswahl der dctp nicht zu beanstanden, die im Einvernehmen mit RTL und im Benehmen mit der KEK erfolgt sei. Im Gegensatz zur Rüge von UWP sei die dctp auch von RTL unabhängig. Dies habe auch die KEK erneut festgestellt. Die von dctp veranstalteten Informationssendungen steigerten auch die Vielfalt bei RTL. Die Frage, ob der Wechsel von dctp zu UWP einen weiteren Vielfaltsgewinn mit sich brächte, sei von der NLM abgewogen und im Einvernehmen mit RTL und im Benehmen mit der KEK zulässigerweise verneint worden, weil die Bewerbungen von UWP und dctp nicht vergleichbar waren.
Kritische Töne von der KEK
Tatsächlich hatte die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) seinerzeit keine schwerwiegenden Bedenken gegen die Vergabe an dctp und AZ Media angemeldet. Einige kritische Anmerkungen hatte sie sich aber dennoch gestattet: So seien die beiden Veranstalter seit 1998 durchgängig als Drittsendezeitveranstalter bei RTL zugelassen. Unter Vielfaltsaspekten könne es aber nicht nur auf die Leistungen in der Vergangenheit ankommen, es müsse auch erwogen werden, ob ein Wechsel auf einen anderen Anbieter nicht schon an sich einen Vielfaltsgewinn darstelle. Auch sei zu berücksichtigen, dass dctp seit 1998 wiederholt auch als unabhängiger Dritter bei Sat. 1 zugelassen sei. Zudem veranstalte die dctp einen Teil des bundesweiten Vollprogramms von VOX. Die NLM habe bei ihrer Entscheidung jedoch insbesondere den Aspekt der Mehrfachlizenzierung berücksichtigt und einen Vielfaltsgewinn durch andere Anbieter verneint. Diese Ermessensentscheidung sei nicht zu beanstanden. Auch seien beide Veranstalter von RTL rechtlich und redaktionell unabhängig. Aber, so die KEK weiter:
Angesichts des Konzepts, wonach die dctp zwar Zulassungsinhaberin ist, aber ihre Funktion hauptsächlich darin besteht, dritten Unternehmen feste Sendeplätze auf ihrer „Herausgeberplattform“ zuzuweisen, stellt sich allerdings die Frage, ob die Ausschreibung einzelner Sendeplätze, die auch Newcomern die Möglichkeit bieten würde, sich gezielt auf einen Sendeplatz zu bewerben, im Hinblick auf die Meinungsvielfalt nicht vorzugswürdig wäre.
Längst überfällige Debatte
Kritiker der Regelung halten die Drittfensterprogramme sogar für gänzlich überflüssig. So hatte man beim Mediendienst DWDL die Klage begrüßt und große Hoffnungen damit verbunden:
Mit Wickerts Klage dürfte sich (…) endlich eine längst überfällige Debatte über die Notwendigkeit der Fensterprogramme für Drittanbieter ergeben. In Zeiten von nie gekannter Vielfalt digitaler Spartenkanäle und dem nicht frequenz-technisch begrenzten Internet erscheint es wie ein schlechter Witz, dass man sich um die Meinungsvielfalt sorgt und an dieser Angstregelung der Medienpolitik festhält.
Auch bei der FAZ steht man der Regelung kritisch gegenüber:
Denn vor Gericht steht ein Monopol – das Monopol des Alexander Kluge, das bei RTL, auf fünf Jahre gerechnet, nach Expertenmeinung fünfzig Millionen Euro wert sein soll.(…) Worüber hier gestritten wird, das ist als systematischer Sündenfall in der Branche Bekannt (…) – man wollte Vielfalt sichern, in Wahrheit sanktionierte man ein lukratives Monopol.
Und auch in der Vergangenheit wurden schon Klüngelvorwürfe erhoben. Angesichts dessen dürfte die jetzige Entscheidung eine Enttäuschung für die Kritiker darstellen. Für Ulrich Wickert und UWP besteht derweil die Möglichkeit, gegen die Entscheidung des VG Hannovers Beschwerde beim Niedersächsische Oberverwaltungsgericht einzulegen.
Die Entscheidung des VG Hannovers (Az.: 7 B 3575/08) im Volltext bei Telemedicus.
Zur Pressemitteilung des VG Hannover.
Die FAZ zu einer früheren Auseinandersetzung um die Drittsendelizenzen.
Einzelheiten zum Vergabeverfahren für die Drittsendelizenzen bei der KEK (PDF).