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DLM stellt Leitfaden für Drei-Stufen-Test vor

Vereinfachtes Bewertungssystem soll Drei-Stufen-Tests beschleunigen und vergleichbarer machen

Die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) hat heute einen Leitfaden für externe Gutachten zu marktlichen Auswirkungen im Rahmen von Drei-Stufen-Tests (DST) vorgestellt. Das Gutachten wurde im Auftrag der DLM vom Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung an der Universität Zürich erstellt. Es soll dazu dienen, die Gutachten im Rahmen des Drei-Stufen-Tests transparenter und vergleichbarer auszugestalten. Zuvor hatte die DLM Ende Mai in einem ersten Positionspapier die mangelnde Vergleichbarkeit und die Komplexität der bisherigen Gutachten kritisiert.

Das im neuen Leitfaden nun vorgeschlagene Verfahren soll nach Angaben der DLM den Drei-Stufen-Test vereinfachen und beschleunigen. Dazu wird empfohlen, bei den marktlichen Gutachten zukünftig mit einem Katalog einfacher Indikatoren zu arbeiten, denen je nach Grad der marktlichen und publizistischen Auswirkungen Punktbewertungen zugewiesen werden. Zur Ermittlung eines Endergebnisses soll es dann ausreichen, die einzelnen Punktwerte zu addieren. Eine weitere Differenzierung findet nicht statt.
Die benannten Indikatoren

Die Ausgangsfrage, die über dem Gutachten steht, lautet:

Nach welchen Kriterien ist im Rahmen eines Drei-Stufen-Tests und unter Berücksichtigung publizistischer Faktoren ein externes Gutachten zu den marktlichen Auswirkungen anzulegen und auszuführen?

Als Antwort legt das Gutachten zunächst einen Katalog von Indikatoren zur Bewertung der marktlichen und publizistischen Auswirkungen von Angeboten vor. Insgesamt nennt das Papier aus Zürich dabei zwölf Indikatoren, die bei der kommunikationswissenschaftlichen und medienökonomischen Betrachtung der zu prüfenden Angebote berücksichtigt werden sollen:

A Angebotsorientierte Indikatoren

A1 Geographische Ausrichtung des Angebots
Auf welches geographische Zielgebiet konzentriert sich das geplante Angebot?

A2 Inhaltliche Spezialisierung des Angebots
Welchen Grad erreicht die inhaltliche Spezialisierung?

A3 Aktualität des Angebots
Welcher „Aktualitätsdruck“ geht von dem geplanten Angebot aus?

B Wettbewerberorientierte Indikatoren

B1 Wettbewerberdichte im Publikumsmarktfeld
Wie groß ist die Zahl der Wettbewerber?

B2 Unternehmerische Intensität, Engagement der Wettbewerber im Marktfeld
Wie ernsthaft betreiben die Wettbewerber ihr Geschäft?

B3 Marktzutrittschancen im Publikumsmarktfeld
Welche Hürden bestehen für den Marktzutritt?

C Marktfeldorientierte Indikatoren

C1 Kommerzielle Attraktivität / Wachstumspotenzial eines Marktfelds
Ist das Marktfeld derzeit oder in Zukunft kommerziell lukrativ für private Anbieter?

C2 Marktphase und Marktdynamik
Befindet sich das Marktfeld in der Start-, Sättigungs- oder Spätphase?

C3 Auswirkungen auf die Werbepreise
Senkt das neue Angebot das Niveau der Werbepreise und TKPs im Marktfeld?

D Nutzerorientierte Indikatoren

D1 Nutzungsintensität im Publikumsmarktfeld
Nutzen eher viele/wenige User die Angebote im Marktfeld eher häufig/selten?

D2 Geplante Verweildauer der Inhalte
Wie lange sollen Beiträge/Sendungen/Text etc. online zur Verfügung stehen?

D3 Innovationsqualität und Substitutionswahrscheinlichkeit
Wie wahrscheinlich ist das neue Angebot ein Substitut für ein bestehendes Angebot?

Das Punktesystem

Den einzelnen Indikatoren soll dem Gutachten zufolge innerhalb des Prüfungsverfahrens dann ein Punktwert zwischen 1 und 5 zugewiesen werden. Ein niedriger Punktwert steht dabei für geringe marktliche Beeinträchtigungen, ein hoher Punktwert entsprechend für starke marktliche Beeinträchtigungen.

Bei dem Kriterium der Verweildauer des Angebots würde die Punktevergabe dann beispielsweise wie folgt aussehen:

Verweildauer von 24 Stunden: 1 Punkt
Verweildauer von einer Woche: 2 Punkte
Verweildauer von einem Monat: 3 Punkte
Verweildauer von einem Jahr: 4 Punkte
Unbegrenzte Verweildauer: 5 Punkte

Um das Endergebnis der Bewertung zu erhalten soll einfach die Summe aller vergebenen Punkte gebildet werden. Dabei ergibt sich dann bei 12 Indikatoren insgesamt ein Wert zwischen 12 und 60 Punkten, der in die folgende Skala eingeordnet werden kann:

12 bis 24 Punkte: unbedenkliches Angebot
25 bis 36 Punkte: Auflagen erwägen
37 bis 48 Punkte: Auflagen erforderlich
49 bis 60 Punkte: bedenkliches Angebot

Einschätzung

Viele bisher bekannte DST-Gutachten zu den marktlichen und publizistischen Auswirkungen von öffentlich-rechtlichen Angeboten fallen zunächst durch ihren Umfang und die unterschiedliche methodische Herangehensweise auf. Um hier für eine gewisse Vereinheitlichung und Vergleichbarkeit zu sorgen, bietet der Leitfaden der DLM sicherlich im Kern gute Ansätze.

Jedoch bleibt die Bewertung der einzelnen Indikatoren in der Praxis wahrscheinlich der wunde Punkt. Denn genau hier wird es oftmals nicht einfach sein, zweifelsfrei mit so trivialen arithmetischen Entscheidungen Punkte zwischen 1 und 5 zu verteilen. Welche Punktverteilung nimmt man beispielsweise im Bereich der geographischen Ausrichtung bei Angeboten vor, die sowohl lokalen als auch internationalen Bezug haben? Und erst recht bei solch „weichen” Indikatoren wie „Innovationsqualität und Substitutionswahrscheinlichkeit” wird die eindeutige und vergleichbare Zuweisung von Punkten im konkreten Einzelfall ein schweres Unterfangen werden.

Daneben muss die Frage gestellt werden, ob die im Leitfaden angeführten Indikatoren im Hinblick auf die marktlichen und publizistischen Auswirkungen wirklich eine vollständige Abbildung aller relevanten Prüfungsparameter bieten.

Vergleichbarkeit der Gutachten auf Kosten der Differenziertheit

Des Weiteren besteht die Möglichkeit, dass große Defizite von Angeboten in gewissen Bereichen, wenngleich sie dann dort auch mit einem Höchstwert in der einzelnen Kategorie berücksichtigt werden, im Endergebnis durch gute Punktzahlen in anderen Gebieten wieder ausgeglichen werden können. Der Leitfaden geht im Grundsatz also von einer Gleichgewichtung aller benannten Faktoren aus. Ob diese (aufgrund der Simplizität der Methodik) an vielen Stellen fehlenden Differenzierungen jedoch in der Praxis stets eine angemessene Arbeitshypothese darstellen, hängt sicherlich auch wieder von vielen Einzelfallfragen und der konkreten Marktsituation des zu prüfenden Angebots ab.

Es sollte jedoch bei der Bewertung dieses Leitfadens nicht außer Acht gelassen werden, dass die Gutachten zur marktlichen und publizistischen Auswirkung nur ein Bestandteil des gesamten Testverfahrens sind. Wobei den zuständigen Gremien ein großer Beurteilungsspielraum im Hinblick auf diese Gutachten zukommt; sie sind nur einer von mehreren Faktoren bei der Gesamtabwägung (Kops / Sokoll / Bensinger, Rahmenbedingungen für die Durchführung des Drei-Stufen-Tests, S. 161; 165 f.). Diese Letztentscheidungskompetenz der Gremien unterstreichen die Autoren des Leitfadens auch noch einmal; so heisst es schließlich in dem Papier:

„Soll ein von öffentlich-rechtlichen Veranstaltern betriebenes Nachrichtenportal, das zweifellos den öffentlichen Auftrag umsetzt, aber ebenso zweifellos erhebliche marktliche Auswirkungen aufweist, aus diesem Grunde als unzulässig qualifiziert werden? Die Erstellung von Gutachten nach diesem Leitfaden ist für politische Entscheidungen dieser Art kein Ersatz.”

Kompetenzen der DLM

Warum und auf Grundlage welcher Kompetenzen ausgerechnet die Landesmedienanstalten (LMAs) ein solches Gutachten in Auftrag gegeben haben, bleibt offen. Grundsätzlich ist die Aufgabe der Landesmedienanstalten, über die Einhaltung der Landesmediengesetze zu wachen und insoweit die Aufsicht über den Privatrundfunk in der Bundesrepublik zu führen. Dabei haben sie außerhalb von technischen Fragen wie insbesondere der Frequenzverwaltung keinerlei Kompetenzen gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk (Hesse, Rundfunkrecht, 3. Aufl., Kap. 5.14).

Ursprünglich wurde im Rahmen der Beratungen zum 12. RÄStV darüber diskutiert, die LMAs mit der Durchführung des Drei-Stufen-Tests zu betrauen. Davon wurde aber explizit wieder Abstand genommen. Ihr bisheriges Engagement im Bereich des Drei-Stufen-Tests haben die LMAs stets mit ihrer Aufgabe gerechtfertigt, das Gleichgewicht des Dualen Systems zu wahren (ALM-Jahrbuch 2008, S. 16 f.). Und auch in der aktuellen Pressemeldung betont der Vorsitzende der DLM, Thomas Heinrich, diese Rolle:

„Als Sachverwalter des Dualen Systems und Förderer der Digitalisierung haben die Landesmedienanstalten ein Interesse daran, Verwerfungen abzuwehren und das System im Gleichgewicht zu halten.”

Eine solche Kompetenzzuweisung als „Sachwalter des Dualen Systems” findet sich allerdings so in keinem Landesmediengesetz wieder.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Landesmedienanstalt im Saarland Medienberichten zufolge versucht hat, sich im Rahmen des DST als externe Gutachterin beim Saarländischen Rundfunk zu bewerben. Dabei soll sie ihre gutachterlichen Dienste kostenlos angeboten haben. Dies ist insofern nicht unproblematisch, als dass sich die Budgets der Landesmedienanstalten ebenfalls größtenteils aus den Rundfunkgebühren speisen. Und somit hätte eine kostenfreie Beauftragung einer LMA wiederum zu Verzerrungen auf dem Gutachtermarkt geführt. Aber auch hier wäre im Ergebnis die Frage nach der konkreten Kompetenzgrundlage für eine solche Handlung auf Seiten der LMA unbeantwortet geblieben.

Die zuständigen Gremien von ARD & ZDF haben gegenüber Telemedicus für die nächsten Tage offizielle Stellungnahmen zum DLM-Leitfaden für DST-Gutachten angekündigt.

Leitfaden der DLM für Drei-Stufen-Test-Gutachten (PDF).

Pressemeldung der DLM zum Leitfaden.

, Telemedicus v. 17.09.2009, https://tlmd.in/a/1493

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