Die Diskussion um die öffentlich-rechtliche Digitalstrategie hat sich festgefahren. Neue Argumente sind selten zu hören, nur die alten Debatten werden mit größerer Lautstärke geführt. Vor diesem Hintergrund ist hochinteressant, wie Andrea Beyer und Hanno Beck bei FAZ.net eine ganz neue Perspektive einnehmen: Sie betrachten den Streit aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht.
Warum sollten die Öffentlich-Rechtlichen aus wirtschaftswissenschaftlicher Hinsicht ins Internet? Wegen der Konzentrationstendenzen, die dort angeblich herrschen? Weil Marktmechanismen allein keine ausreichende publizistische Qualität sicherstellen können? Wegen einer „Rundfunk-Sondersituation“ auch im Internet?
Der Artikel nennt diese Argumente, diskutiert sie ausführlich – und widerlegt sie.
Am Ende steht die Erkenntnis, das wirtschaftswissenschaftliche Gründe eine öffentlich-rechtliche Digitalexpansion nicht rechtfertigen. Aber möglicherweise „normative“ Gründe:
Letztlich geht es bei dieser Debatte um jene Inhalte, von denen man befürchtet, dass sie im Wettbewerb zu kurz kommen, weil sie nicht dem Geschmack der Mehrheit entsprechen, der bei Wettbewerb ja ausreichend bedient wird. Publizistische Vielfalt ist also ein normatives Konzept, das fordert, dass bestimmte Inhalte in den Medien vertreten sein müssen – unabhängig davon, wie stark und von wem diese nachgefragt werden. Das ist die Hauptverteidigungslinie der Befürworter des öffentlich-rechtlichen Internets: Bei Wettbewerb in der Medienbranche entsprechen das Angebot und der Konsum von Mediendienstleistungen nach Art und Umfang nicht dem, was der Staat für richtig und wünschenswert hält.
Was der Staat für richtig und wünschenswert hält, wird in demokratischen Prozessen entschieden. In diesem Prozessen orientieren sich die Akteure an fachlichen Argumenten. Politisch wünschenswert ist (theoretisch) das, was sachlich richtig ist – und sachlich richtig ist, zumindest nach Darstellung von Andrea Beyer und Hanno Beck, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht ins Internet expandieren soll. Insofern überrascht es nicht, dass der Artikel mit der Erkenntnis schließt, dass auch „normative“ Gründe die Digitalexpansion nicht rechtfertigen.
Das Resultat: Aus ökonomischer Perspektive ist ein öffentlich-rechtlicher Auftritt im Internet nicht notwendig, aus gesellschaftlicher Perspektive ließe er sich nur rechtfertigen, wenn man den privaten Anbietern unterstellt, dass sie ein minderwertiges Angebot abliefern – aber nur im Internet, nicht in der Printbranche. Eine Begründung dafür dürfte unmöglich sein. Lediglich aus politischer Perspektive erklärt sich, warum Politiker die erste Reihe auch gern im Internet hätten – weil sie dort selbst Platz nehmen wollen.
Ein ähnlicher Ansatz in einem Aufsatz von mir und Laura Dierking.
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