Ein Aufsatz von Sascha Arnold.
Wie kann sich die GEZ gegen rufschädigende Äußerungen und unwahre Tatsachenbehauptungen wehren?
Die GEZ ist regelmäßig Gegenstand kritischer Berichterstattung in (Privat-)Rundfunk, Presse und Internet. Neben berechtigter Kritik werden dabei häufig auch gängige Vorurteile bedient, scharfe Werturteile gefällt oder fragwürdige Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Das Ergebnis ist für die GEZ selten schmeichelhaft. Dass sich die GEZ dies nicht klaglos gefallen lässt, haben die vergangenen Wochen gezeigt, in denen sie gegen Artikel und Berichte auf der Webseite akademie.de sowie in der Süddeutschen Zeitung vorgegangen ist.
Aber kann sich die GEZ überhaupt im gleichen Umfang wie eine natürliche Person oder ein Unternehmen gegen verfälschende, ehrverletzende oder unwahre Äußerungen zur Wehr setzen?
Die Frage ist berechtigt, denn die GEZ hat selbst keine Rechtspersönlichkeit. Sie ist vielmehr lediglich eine nicht rechtsfähige, öffentlich-rechtliche Verwaltungsgemeinschaft, die auf Grund einer Verwaltungsvereinbarung gegründet wurde und für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Erhebung der Rundfunkgebühren übernimmt (vgl. die Selbstdarstellung der GEZ). Die besondere Rechtsnatur der GEZ wirkt sich dabei sowohl auf die materiellen Voraussetzungen der in Betracht kommenden Abwehransprüche als auch auf die prozessuale Durchsetzung aus.
Welche Ansprüche kann die GEZ geltend machen?
Geht die GEZ gegen rufschädigende Äußerungen Privater vor, so bewegt sie sich, trotz ihres öffentlich-rechtlichen Charakters, auf der Ebene des Privatrechts (vgl. BGH, NJW 1983, 1183, 1184). Denn sie steht ihren Anspruchsgegnern weder in Ausübung hoheitlicher Befugnisse, noch in einem Über-Unterordnungsverhältnis gegenüber. Insofern stehen der GEZ alle (aber auch nur diese) zivilrechtlichen Ansprüche zur Verfügung, die auch eine Privatperson an ihrer Stelle geltend machen könnte. In Betracht kommen demnach vor allem Ansprüche gerichtet auf: Unterlassung, Widerruf, Richtigstellung, Schadenersatz und Gegendarstellung.
1. Ansprüche gerichtet auf Unterlassung, Widerruf, Richtigstellung oder Schadenersatz
Unterlassungs-, Widerruf-, Richtigstellungs- und Schadenersatzansprüche setzen u.a. die Verletzung eines absoluten Rechts oder den Verstoß gegen ein Schutzgesetz voraus. Aus dem öffentlich-rechtlichen Charakter der GEZ ergeben sich insofern aber Einschränkungen.
a) Verletzung eines absoluten Rechts i.S.v. § 823 I BGB
Bei ehrverletzenden Äußerungen und unwahren Tatsachenbehauptungen rügen Privatpersonen vor allem die Verletzung ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das dem Einzelnen Schutz vor verfälschenden und herabwürdigen Darstellungen in der Öffentlichkeit gewährt. Eine Verletzung ihres Personlichkeitsrechtes kann die GEZ allerdings gerade nicht geltend machen. Denn dieses findet seine verfassungsrechtliche Legitimation in den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 GG, knüpft also vor allem an die Menschenwürde an. Die GEZ ist aber, wie im Übrigen auch (fast) alle sonstigen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen, grundsätzlich nicht grundrechtsfähig – und letztlich auch nicht in gleicher Weise auf den Schutz einer ungestörten Persönlichkeitsentwicklung angewiesen wie eine Privatperson (vgl. BVerfG, NJW 1967, 1411).
Ferner in Betracht käme auch eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, das die Gerichte auch Körperschaften des öffentlichen Rechts zuerkennen – sofern sich diese wie private Unternehmen im freien Wettbewerb behaupten müssen (BGH, NJW 1984, 1607, 1609). Dies ist bei der GEZ aber nicht der Fall. Denn die GEZ muss gerade nicht mit anderen Unternehmen um den „Kunden“ Gebührenzahler konkurrieren. Vielmehr ist jeder Rundfunkteilnehmer schon durch den Rundfunkgebührenstaatsvertrag zur Zahlung der Rundfunkgebühren verpflichtet.
b) Verletzung eines Schutzgesetzes: § 823 II BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB
Auch wenn sich die GEZ somit nicht auf eine Verletzung dieser absoluten Rechte berufen kann, ist sie gegenüber ehrverletzenden und verfälschenden Darstellungen dennoch nicht ungeschützt. Denn die GEZ kann sich nach herrschender, wenn auch nicht unumstrittener, Meinung zumindest auf die Ehrschutzdelikte der §§ 185 ff. StGB berufen. Verstößt ein Bericht z.B. durch seinen herabwürdigenden Inhalt gegen § 185 StGB oder durch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen gegen § 186 StGB, kann die GEZ diesen Verstoß zivilrechtlich als Verletzung eines Schutzgesetzes i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB geltend machen.
Denn, so das BVerfG:
„ohne ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz vermögen staatliche Einrichtungen ihre Funktion nicht zu erfüllen. Sie dürfen daher grundsätzlich auch vor verbalen Angriffen geschützt werden, die diese Voraussetzungen zu untergraben drohen.“ (BVerfG, NJW 1995, 3303, 3304)
Auf Gesetzesebene wird diese Rechtsprechung durch § 194 Abs. 3 S. 2 StGB bestätigt, der ausdrücklich von der Beleidigungsfähigkeit von „Behörden oder sonstigen Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen“ ausgeht. Geschützt wird somit nicht so sehr die persönliche Ehre – staatliche Einrichtungen sind gerade nicht Träger des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes – sondern vielmehr die Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen (BVerfG, NJW 2006, 3769, 3771).
Dieses unterschiedliche Schutzgut ist auch bei der Abwägung mit den berechtigten Interessen des Äußernden, vor allem also der Meinungsfreiheit, zu berücksichtigen. Denn das Grundrecht der Meinungsfreiheit wurde gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik heraus geschaffen, das nicht durch die Einbeziehung staatlicher Institutionen in den strafrechtlichen Schutzbereich der §§ 185 ff. StGB ausgehöhlt werden darf (BVerfG, NJW 1995, 3303, 3304). Grundsätzlich muss öffentliche Kritik an staatlichen Einrichtungen, auch in besonders scharfer Form, also weiterhin möglich sein. Bestehenden berechtigten Interessen kommt in dieser Konstellation ein besonderes Gewicht zu. Folglich müssen sich staatliche Einrichtungen, im Unterschied zu Privatpersonen, also auch deutlich harschere Kritik gefallen lassen.
Uneingeschränkt gilt dies freilich nur für Meinungsäußerungen, die durch Art. 5 I GG geschützt sind. Handelt es sich hingegen um Tatsachenbehauptungen, so gilt auch gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts, dass unwahre Tatsachenbehauptungen grundsätzlich unzulässig sind, da an ihnen kein berechtigtes Interesse bestehen kann (BVerfG, NJW 2006, 207, 209 sowie BGH NJW 2006, 601, 603).
2. Gegendarstellungsanspruch
Der Gegendarstellungsanspruch setzt keine Rechtsguts- oder Rechtsverletzung voraus – unabhängig davon, ob er sich aus dem jeweiligen Landespresse- oder Rundfunkgesetz bzw. dem Rundfunkstaatsvertrag ergibt. Vielmehr genügt eine bloße „Betroffenheit“ des Anspruchstellers durch eine Tatsachenbehauptung. Diese muss sich also in konkreter, individueller Weise auf den Anspruchssteller beziehen. Betroffen sein kann auch die GEZ, denn die Regelungen zur Gegendarstellung sprechen einheitlich von einer „Person oder Stelle“ als Anspruchsberechtigten. Der Begriff der „Stelle“ soll dabei gerade Behörden sowie sonstige nicht rechtsfähige Einrichtungen des öffentlichen Rechts erfassen. Hintergrund ist, dass sich die jeweils betroffene Organisationseinheit selbst gegen eine Tatsachenbehauptung zur Wehr setzen können soll. Probleme bereitet in diesem Zusammenhang aber die in den meisten Gegendarstellungsvorschriften vorgesehene Unterzeichnungspflicht des „gesetzlichen Vertreters“. Denn eine nicht rechtsfähige Verwaltungsgemeinschaft wie die GEZ hat gerade keinen gesetzlichen Vertreter. Damit das Recht auf Gegendarstellung aber nicht leer läuft, wird insofern vertreten, dass in diesen Fällen der jeweilige Leiter der Stelle zeichnungsberechtigt sein soll (Wenzel, Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 11 Rz. 157; Löffler, Handbuch des Presserechts, 5. Auflage, § 11 Rn. 52).
Dass auch der GEZ ein Gegendarstellungsanspruch gewährt wird, ist allerdings nicht gänzlich konsequent. Denn verfassungsrechtlich hat das Recht zur Gegendarstellung seine Wurzeln im Allgemeinen Persönlichkeitsrecht, auf das sich die GEZ gerade nicht berufen kann. Legitimieren lässt sich diese gesetzgeberische Entscheidung aber wohl dennoch mit dem Schutz der Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen.
Prozessuale Geltendmachung
Von der materiellen Anspruchsberechtigung strikt zu trennen ist die Frage, wer die soeben dargestellten Ansprüche gerichtlich durchsetzen kann. Hier gelten die allgemeinen Vorschriften des Zivilprozessrechtes: Der Anspruchsteller muss also rechtsfähig sein. Die GEZ als nicht rechtsfähige Verwaltungseinrichtung ist somit grundsätzlich nicht zur Geltendmachung dieser Ansprüche berechtigt. Für sie muss vielmehr die jeweils zuständige Rundfunkanstalt als Prozessvertreterin handeln. Dies dürfte auch der Grund sein, warum mittlerweile der SWR die rechtlichen Streitfälle der GEZ übernommen hat (Link: http://www.heise.de/newsticker/meldung/97772/).
Für die Frage, ob die GEZ auch Abmahnungen verschicken kann, kommt es darauf an, wie eine solche Abmahnung rechtlich zu qualifizieren ist. Versteht man sie als bloße Realhandlung, so kann auch die GEZ als nicht rechtsfähige Einrichtung eine Abmahnung aussprechen. Hält man die Abmahnung hingegen für eine rechtsgeschäftsähnliche Erklärung, so wäre zur wirksamen Abgabe Geschäftsfähigkeit erforderlich; die aber liegt bei der GEZ gerade nicht vor. Eine vom Anspruchsgegner abgegebene Unterlassungserklärung bedarf als Willenserklärung ebenfalls grundsätzlich des Zugangs bei einer geschäftsfähigen Person.
Zusammenfassung
Grundsätzlich kann sich die GEZ mit den gleichen Ansprüchen wie eine Privatperson gegen herabwürdigende Äußerungen oder unwahre Tatsachenbehauptungen wehren. Da sich die GEZ allerdings nicht auf eine Verletzung ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berufen kann, gewinnt vor allem die Verletzung eines Schutzrechtes aus § 823 Abs. 2 BGB, in Verbindung mit den Beleidigungstatbeständen aus §§ 185 ff. StGB besondere praktische Bedeutung. Mit Ausnahme unwahrer Tatsachenbehauptungen oder besonders gravierender Herabwürdigungen überwiegt allerdings regelmäßig das berechtigte Interesse des sich Äußernden, denn geschützt ist lediglich die Funktionsfähigkeit der GEZ als staatliche Einrichtung.
Über den Autor
Sascha Arnold ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Öffentliches Recht mit Rechtsvergleichung von Prof. Dr. Fehling an der Bucerius Law School, Redakteur beim Bucerius Law Journal (www.law-journal.de) und freier Mitarbeiter bei TaylorWessing in Hamburg.