Das EU-Parlament hat am Donnerstag die Richtlinie zu verwaisten Werken beschlossen. Ein Werk gilt als „verwaist”, wenn der Rechtsinhaber nicht bekannt oder nicht auffindbar ist. Bislang konnten solche Werke kaum rechtssicher genutzt werden. Die Richtlinie soll nun einen rechtlichen Rahmen schaffen, um verwaiste Werke der Öffentlichkeit zugänglich machen zu können.
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie regelt, welche Einrichtungen die verwaisten Werke ihren Nutzern zur Verfügung stellen dürfen. Dazu gehören öffentlich zugängliche Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen und Archive und ähnliche Einrichtungen.
Artikel 1 Gegenstand und Anwendungsbereich
(1) Diese Richtlinie betrifft bestimmte Formen der Nutzung verwaister Werke durch öffentlich zugängliche Bibliotheken, Bildungseinrichtungen und Museen sowie Archive, im Bereich des Film- oder Tonerbes tätige Einrichtungen und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, die in den Mitgliedstaaten ihren Sitz haben, um die Ziele im Zusammenhang mit ihren im Gemeinwohl liegenden Aufgaben zu erreichen.
[…]
Konkrete Regelungen welche Werkarten durch den Entwurf gedeckt sind, finden sich in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie wieder. Darunter fallen neben Filmwerken und audiovisuellen Werken auch Werke in Buchform oder sonstiger Schriftform.
Als elementare Voraussetzung für das digitalisieren und veröffentlichen verwaister Werke gilt die sorgfältige Suche nach dem Rechtsinhaber des Werkes, Art. 3 der Richtlinie. Ist der Rechtsinhaber nicht auffindbar, erhält das Werk gem. Art. 2 der Richtlinie einen endgültigen Waisenstatus, der für das Erscheinungsland gilt und der sich zudem gem. Art. 4 der Richtlinie grenzüberschreitend auf alle anderen europäischen Länder ausdehnt.
Artikel 2 Verwaiste Werke
(1) Ein Werk oder Tonträger gilt als verwaistes Werk, wenn keiner der Rechteinhaber dieses Werks oder Tonträgers ermittelt ist oder, selbst wenn einer oder mehrere von ihnen ermittelt sind, keiner ausfindig gemacht worden ist, obwohl eine sorgfältige Suche nach den Rechteinhabern gemäß Artikel 3 durchgeführt und dokumentiert worden ist.
[…]Artikel 4 Gegenseitige Anerkennung des Status als verwaistes Werk
(1) Ein Werk oder Tonträger , das bzw. der nach Artikel 2 in einem Mitgliedstaat als verwaistes Werk gilt, gilt in allen Mitgliedstaaten als verwaistes Werk. […]
Art. 6 des Entwurfes regelt in Einklang mit Art. 3 InfoSoc-Richtlinie, dass die in Art. 1 Abs. 1 genannten Einrichtungen ein verwaistes Werk nutzen dürfen, indem sie es der Allgemeinheit öffentlich zugänglich zu machen und es nach Art. 2 InfoSoc-Richtlinie zum Zwecke der Digitalisierung und Zugänglichmachung vervielfältigen.
Artikel 6 Zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke
(1) Die Mitgliedstaaten sehen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die Rechte auf Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung […] vor, um sicherzustellen, dass es den in Artikel 1 Absatz 1 genannten Einrichtungen gestattet ist, in ihren Sammlungen enthaltene verwaiste Werke auf folgende Weise zu nutzen:
(a) öffentliche Zugänglichmachung des verwaisten Werks […];
(b) Vervielfältigung […] zum Zweck der Digitalisierung, Zugänglichmachung, Indexierung, Katalogisierung, Bewahrung oder Restaurierung.
[…]
Um die Interessen der Rechtsinhaber zu wahren, ermöglicht Art. 5 der Richtlinie, dass der Rechtsinhaber – soweit er zwischenzeitlich bekannt geworden ist – den Waisenstatus seines Werkes für die Zukunft beenden kann, soweit er dies fordert.
Die Richtlinie im Volltext.
Der frühere Entwurf der Richtlinie im Volltext.