Mehr als ein Jahr ist es nun her, dass EU-Kommissarin Viviane Reding ihren Entwurf einer europäischen Datenschutzverordnung vorgestellt hat. Was hat sich inzwischen getan? Wie ist das deutsche Meinungsbild und wie geht es weiter?
Momentan befindet sich der Entwurf in den Ausschüssen des Europaparlaments. Der IMCO-Ausschuss (für Binnenmarkt und Verbraucherrechte) hat bereits eine Stellungnahme abgegeben. Diese Woche wird im ITRE-Ausschuss (für Industrie, Forschung und Energie) beraten. Mitte März kommte es im JURI-Ausschuss (Recht) zur Abstimmung – und Ende April schliesslich im Hauptausschuss, dem LIBE-Ausschuss (Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres).
Somit könnte es bereits im Juni oder Juli zu einer Abstimmung im Plenum kommen. Zögert sich das Verfahren allerdings hinaus, könnte dies mit der EU-Parlamentswahl im Sommer 2014 bedeuten, dass die Verordnung überhaupt nicht zur Abstimmung kommt. Detaillierte Informationen finden sich auch auf der Homepage des zuständigen Berichterstatters Jan-Philipp Albrecht.
Zwar handelt es sich bei Lobbyplag eher um einen „Kriegsnebenschauplatz“, allerdings basiert die Idee für Lobbyplag gerade auf der Feststellung von Max Schrems, dass auffallend viele Änderungsanträge für die Datenschutzverordnung mit Lobbypapieren übereinstimmen. Dies zeichnet im Zusammenhang mit Aussagen von Berichterstatter Albrecht (Grüne) ein Besorgnis erregendes Bild über das Ausmaß von Lobbyismus im Rahmen der Verordnung.
„Unserem Eindruck nach haben wir es mit einer der umfangreichsten Lobbykampagnen im Europäischen Parlament zu tun.“
Albrecht hat diesbezüglich auch eine Auflistung von Lobbyistentreffen herausgegeben.
Alexander Alvaro (FDP) wirft Jan-Philipp Albrecht allerdings einseitige Beachtung von NGO-Vorschlägen vor, im Speziellen solcher der Organsiation „Bits of Freedom“. Eine Tendenz zur Einseitigkeit fällt auch bei Lobbyplag.eu auf. Wie sich unter anderem in einem Interview mit Richard Gutjahr zeigt, wirft Albrecht einigen Parlamentariern vor ihr „Wissensvakuum“ mit Lobbyvorschlägen zu füllen. Nach einer kritischen Auseindersetzung hingegen könne man durchaus Passagen übernehmen.
Den Vorwurf der Einseitigkeit bei Lobbyplag kann man nach der Veröffentlichung von Dokumenten von EDRI und Bits Of Freedom nun wohl nicht mehr machen. Im Rahmen einer Konversation auf Twitter mahnte Alvaro auch an, die Hysterie in der Debatte zu entschärfen.
Wie nötig eine Reform der momentanen Datenschutzvorschriften ist, zeigen nicht zuletzt die Beschlüsse des VG Schleswig. Nicht förderlich war in diesem Sinne sicher auch die Aussage von John Rodgers, dem amerikanischen Botschaftsrat für Wirtschaft, dass unter anderem das „Recht auf Vergessenwerden“ einen Handelskrieg auslösen könnte. Amerikanische Bürgerrechtsorganistationen wie ACLU und EPIC hingegen riefen ihre Regierung auf, die europäischen Reformbemühungen nicht zu behindern. Jakob Kohnstamm, Vorsitzender der Artikel-29-Gruppe der europäischen Datenschutzbeauftragten, wies auf das unzumutbare Ausmaß von US-Lobbyismus in diesem Zusammenhang hin.
Nachdem Innenminister Friedrich (CDU) immer wieder gegen die Verordnung gestichelt hat, scheint sich auch hier langsam Zustimmung zu finden. Auch wenn Friedrich wohl nach wie vor auf Selbstregulierung setzt.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hingegen verspricht sich von der Datenschutzreform auch eine bessere Verhandlungsposition für transatlantische Abkommen.
Vor wenigen Tagen gab es nun auch einen Aufruf sechs deutscher Wissenschaftler, die „Datenschutzverordnung nicht zu verwässern“.
Rechtsanwalt Thomas Stadler, zuletzt als Sachverständiger in einer Anhörung zum Presse-Leistungsschutzrecht aufgetreten, hingegen bemängelt eine grundlegende kritische Auseinandersetzung mit den Zielen von modernem Datenschutz. Ebenso tat dies auch Adrian Schneider letztes Jahr hier auf Telemedicus. Wenn diesem auch grundsätzlich zuzustimmen ist, muss man wohl hinnehmen, dass das „Kind schon in den Brunnen gefallen ist“. Eine grundlegende wissenschaftliche Auseinandersetzung würde das Vorhaben vermutlich mitsamt dem politischen Prozess um Jahre verzögern. Letztlich sind es ja auch nicht nur Harmonisierungsbeweggründe gewesen, die die Kommission zum Rechtsmittel der Verordnung bewegt haben, sondern auch die Verzögerung bei einer Richtlinie (Stichwort „Umsetzungsfrist“). Eine zumindest kurzfristige Inangriffnahme von Lücken ist also durchaus wünschenswert. Eine Diskussion sollte also unabhängig vom konkreten Gesetzesvorhaben stattfinden.
Der Bundesverband Bitkom lobte die Ausführungen zum „Recht auf Vergessenwerden“. Die Meldepflicht bei Internetangriffen hingegen sei nicht nötig.
Im Rahmen einer kürzlich erfolgten Studie zum Thema Online-Tracking wurde eine mangelnde Fähigkeit der Internetnutzer zum Schutz vor Tracking festgestellt. Möglich Gründe hierfür:
„Entweder sind die meisten damit einverstanden, dass ihr Nutzungsverhalten ausgewertet wird, damit sie individuell zugeschnittene Anzeigen sehen können. Oder sie wissen gar nicht, dass ihre Daten auf so gut wie allen populären Websites erhoben werden. Oder sie wissen nicht, wie sie es verhindern können.“
Auch hier könnte die Datenschutzverordnung helfen, letztlich bleibt dies aber auch aufgrund des vermutlichen Scheiterns der Cookie-Richtlinie zweifelhaft.
Es bleibt abzuwarten wie es mit der Datenschutzverordnung weitergeht. Es ist davon auszugehen, dass Lobbyplag die Datenschutzverordnung wieder mehr ins Licht rückt. Ob es am Ende zu einer Verabschiedung kommt liegt nun erstmal in der Hand des Europaparlaments.
Themenseite zur EU-Datenschutzverordnung bei Telemedicus.
Lobbyismus-Zusammenfassung bei EU-Observer.
Alvaros eDemocracy-Seite für Bürgerbeteiligung.
Europäische Kampagne zur Datenschutzreform.