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Dichtung und Wahrheit: Lizenzentzug bei ProSieben/Sat.1

Der Fernsehsender Sat.1 stellt aktuell einige seiner wichtigsten Nachrichtenformate ein – und stößt damit auf wenig Gegenliebe in Politik, Medien und Rundfunkaufsicht. In den berichterstattenden Zeitungen war heute häufig von „Lizenzentzug“ die Rede. Geht das nicht etwas zu weit?

Ein DWDL-Artikel stellt richtig, dass der Entzug der Zulassung politisch kaum denkbar ist:

In einem Land, in dem Betreiber von Call-In-Formaten Tag für Tag die selbstdefinierten medienpolitischen Richtlinien brechen dürfen, ohne dass es Folgen hat, erwartet wohl niemand, dass wegen des Wegfalls von ein paar Informationsformaten bei Sat.1 die Medienlandschaft erschüttert wird. Ohnehin erscheint es – bei allem Respekt für die Arbeit der Kollegen bei den Info-Formaten von Sat.1 – mehr als scheinheilig, wenn Medienpolitiker, die sich sonst gerne über zu viel Boulevard in den Nachrichten der Privatsender erregen, im Wegfall dieser Formate plötzlich einen journalistischen Verlust für die Nation erkennen.

Auch rechtlich lässt sich ein Lizenzentzug nicht so einfach durchführen.Sat.1 ist bei der Landesmedienanstalt Rheinland-Pfalz gemeldet; insofern gilt für die Entziehung der Zulassung das Landesmediengesetz Rheinland-Pfalz. Dieses lässt für den Entzug einer Zulassung relativ wenig Raum.

§ 22 LMG RP (Auszug):

(2) Die LMK wacht darüber, dass die Programme nach Maßgabe des Absatzes 1 ausgewogen sind. Stellt die LMK wiederholt Verstöße gegen die Ausgewogenheit fest, so fordert sie die Rundfunkveranstalter auf, organisatorische Vorkehrungen, wie etwa die Errichtung eines Programmbeirates oder die Einführung eines Redaktionsstatutes, zu treffen. Sofern die Ausgewogenheit nicht auf andere Weise wiederhergestellt werden kann, hat sie daneben die erforderlichen Programmrichtlinien durch Satzung zu erlassen; stellt die LMK fest, dass ein Rundfunkveranstalter ihrer Aufforderung, dieses Gesetz oder die Programmrichtlinien innerhalb der gesetzten Frist einzuhalten, nicht nachgekommen ist, so schränkt sie die Zulassung ein oder entzieht sie. Eine Entschädigung nach dem Landesverwaltungsverfahrensgesetz wird nicht geleistet.

(…)

(4) Soll auf Dauer das Programmschema oder die festgelegte Programmdauer geändert werden, so ist dies der LMK anzuzeigen. Die LMK untersagt die Änderung, wenn dadurch die Meinungsvielfalt nicht mindestens in gleicher Weise wie bei dem Programmschema und der Programmdauer, für die die Zulassung erteilt worden ist, gewährleistet ist und bei Vollprogrammen nicht weiterhin wesentliche Anteile an Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung bestehen.

§ 27 Abs. 5 Nr. 3 LMG RP:

Die Zulassung ist zu widerrufen, wenn (…) trotz Untersagung nach § 22 Abs. 4 Satz 2 das festgelegte Programmschema oder die festgelegte Programmdauer nicht eingehalten werden.

Aus den zitierten Bestimmungen ergibt sich, dass die Landesmedienanstalt – selbst, wenn sie ein solches Vorgehen jemals politisch für opportun halten würde – die Zulassung nur unter sehr engen Voraussetzungen widerrufen dürfte. Sie müsste Sat.1 zumindest vorher mehrmals drohen und andere Versuche unternehmen, den Sender wieder „auf Linie“ zu bringen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Sat.1 zwar Sanktionen drohen mögen – aber wohl kaum der Entzug der Sendelizenz. Denkbar sind eher die Einführung zusätzlicher Transparenzvorgaben, die Festlegung eines bestimmen Programmschemas (einschließlich Nachrichtenformate) durch die Landesmedienanstalt oder schlicht die Ausübung von politischem Druck.

Zum Artikel bei DWDL.

, Telemedicus v. 17.07.2007, https://tlmd.in/a/310

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