Telemedicus

, von

Der Schlussstrich unter AdWords?

Im September letzten Jahres wurden die Schlussanträge des Generalanwalts Maduro zum Thema AdWords und Markenverletzungen veröffentlicht. Der französische Kassationshof hatte dem EuGH drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Vorabentscheidungsersuchen zu dieser Frage waren ebenfalls durch den Österreichischen Obersten Gerichtshof wie auch durch den Bundesgerichtshof in der Rechtssache Bananabay (Beschluss des BGH Az. I ZR 125/07) ergangen.

Die Gerichte möchten wissen, ob die Benutzung eines Stichwortes, das einer Marke entspricht, für sich genommen als Benutzung der Marke angesehen werden kann und der Zustimmung des Markeninhabers unterliegt.

Die Antwort auf diese Frage wird festlegen, welchen Einfluss Markeninhaber auf die Benutzung von Keywords haben werden, die Marken entsprechen. Damit wird sich auch entscheiden, was bei Eingabe eines Keywords im Internet in Zukunft noch gefunden werden kann.
 Die Vorlagefrage

Es ist weiterhin streitig, ob die Verwendung von AdWords markenrechtlich untersagt werden kann. Das AdWord-System ermöglicht es Nutzern entgeltlich Keywords zu buchen, bei deren Eingabe in die Suche von Google Werbung auf der Seite mit den Suchergebnissen geschaltet wird. Diese Werbeanzeigen erscheinen entweder in einem farblich abgesetzten Teil über den Suchergebnissen oder in einer als Anzeigen gekennzeichneten Spalte neben der Trefferliste.

Die drei Vorlagen des Kassationsgerichtshofs betreffen alle die gleiche Frage: Liegt eine Markenverletzung durch Google vor, wenn im Anzeigensystem AdWords Keywords benutzt werden, die Marken entsprechen?

Die Vorlagen beziehen sich dabei nicht auf die

  • Benutzung von Marken auf den Seiten der Werbekunden
  • Produkte auf diesen Seiten
  • Benutzung von Marken in den angezeigten Texten der AdWords.

In den Rechtssachen geht es ausschließlich um die Prüfung der Benutzung der Keywords.

Verbot für Google Keywords, die Marken entsprechen, zu verwenden

Damit eine Markenverletzung bejaht werden kann müssen vier Voraussetzungen vorliegen: Die Markenbenutzung muss

  • ohne Zustimmung des Markeninhabers erfolgen,
  • im geschäftlichen Verkehr stattfinden,
  • für Waren oder Dienstleistungen erfolgen, die mit denjenigen, die von der Marke geschützt sind, identisch oder ähnlich sind und
  • die Hauptfunktion der Marke – nämlich die Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern – beeinträchtigen

Der Begriff der „Benutzung” durch Google bedarf jedoch einer eingehenden Betrachtung. Der Generalanwalt unterscheidet in diesem Fall zwei unterschiedliche Benutzungen.

Zum einen ermöglicht es Google den Anzeigenkunden, Keywords zu buchen. Diese Keywords müssen von den Kunden ausgewählt werden, damit bei einer Suchanfrage mit dem entsprechenden Suchwort eine Anzeige des Werbekunden angezeigt werden kann.

Zum anderen zeigt Google die Anzeige im Zusammenhang mit dem gebuchten Keyword neben den generischen Suchergebnissen an.

Auf den ersten Blick erscheinen die beiden Benutzungen durch Google wie eine einzige, da die Ads nur dann ausgeliefert werden können, wenn die entsprechenden Keywords gebucht wurden. Es handelt sich dennoch um zwei unterschiedliche Benutzungen. Diese erfolgen zum einen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und zum anderen richten sie sich an unterschiedliche Zielgruppen und betreffen darüber hinaus auch unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen. Für jede der beiden Arten der Benutzung muss geprüft werden, ob eine Markenverletzung vorliegt.

Benutzung durch Google durch die Möglichkeit Keywords zu buchen

Der Generalanwalt kommt hier zum Ergebnis, dass keine Markenverletzung vorliegt.

Die Benutzung muss eine Verbindung zu Waren oder Dienstleistungen herstellen, die mit denjenigen, die von der Marke erfasst sind, identisch oder ihnen ähnlich sind. Es ist daher notwendig, dass eine Verbindung zwischen der Marke und den vertriebenen Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird. Dies trifft jedoch nicht auf die Benutzung durch Google zu. Denn die Auswahl von Keywords für AdWords ist ein rein systeminternes Auswahlverfahren, das nur Google und die Werbekunden betrifft. Die vertriebene Dienstleistung, die mit der Buchung von Keywords in Verbindung steht, ist das Anzeigesystem AdWords selbst. Adwords ist jedoch nicht mit den Waren oder Dienstleistungen identisch oder diesen ähnlich, die von den Marken erfasst sind.

Eine Benutzung für Waren oder Dienstleistungen, die von der Marke erfasst sind, scheidet hier also aus.
Ebenso scheidet eine Verwechslungsgefahr für den Verbraucher aus, da es sich nicht um identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen handelt.

Benutzung durch Google durch die Anzeige von Ads neben den generischen Suchergebnissen

Auch hier kommt der Generalanwalt zu dem Ergebnis, dass keine Markenverletzung vorliegt,
da es an einer Verwechslungsgefahr für Verbraucher im Hinblick auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen fehlt.

Durch die Anzeige der Ads wird eine Verbindung zwischen den Keywords und den beworbenen Webseiten hergestellt. Die Frage, die sich nun stellt: Kann diese Verbindung zwischen Keywords und Marke bereits eine Verwechslungsgefahr über die Herkunft der Waren, die auf der Webseite angeboten werden darstellen, ohne dass der Benutzer die entsprechende Seite überhaupt aufgerufen hat? Eine Verwechslungsgefahr könnte nämlich nur für folgenden Fall angenommen werden: Eine Webseite ist mit Keywords ausgestattet, die Marken entsprechen. Der Verbraucher zieht allein aus diesem Umstand den Schluss, dass die Webseite von dem Unternehmen des Markeninhabers stammt.

Der Internetnutzer beurteilt jedoch sowohl die Suchergebnisse, als auch die Anzeigen nicht nur anhand der dargestellten Kurzbeschreibungen, sondern auch anhand eines Aufrufs der entsprechenden Webseiten. Den Nutzern ist also bewusst, dass es sich nicht bei allen Ergebnissen um Seiten des Markeninhabers handeln wird. Ferner wird nicht jeder Nutzer nach einer Seite des Markeninhabers suchen wollen, sondern nach Seiten, die über die Marken berichten oder die Markenprodukte bewerten. Eine Verwechslungsgefahr kann daher nur durch die Ads in Verbindung mit dem Aufruf der betreffenden Seite hervorgerufen werden.

Der Generalanwalt folgert daraus, dass weder die Ads noch die generischen Suchergebnisse bei der Suche mit Markenkeywords eine Verwechslungsgefahr im Hinblick auf die Herkunft der Waren herbeiführen.

Mitwirkung von Google an Markenverletzungen Dritter

Nach Ansicht der Markeninhaber kann zwischen der Benutzung durch Google und der Benutzung durch Dritte nicht unterschieden werden. Wenn Google es zulässt, dass Keywords gebucht werden können und Anzeigen in Zusammenhang mit diesen Keywords gezeigt werden, dann kann dies durch Dritte missbraucht werden.

Dem steht entgegen, dass Markeninhaber mit dem Markenrecht durchaus ein Mittel an der Hand haben, um gegen Dritte, die ihre Marken missbrauchen, vorzugehen.

Ferner geht der Generalanwalt davon aus, dass Google im Rahmen von AdWords keine markenverletzende Benutzung vornimmt. Dem stellen sich die Markeninhaber entgegen. Denn sie argumentieren damit, dass Google die Voraussetzungen für Markenrechtsverletzungen von Dritten schafft und damit an einer Markenverletzung durch Dritte mitwirkt. Damit sollten die Benutzungen durch Google ebenfalls als Markenverletzungen gesehen werden. Folgt man dieser Ansicht, dann würde damit der markenrechtliche Schutz erheblich erweitert werden.

Die Ansicht, dass eine Mitwirkung an der Markenverletzung eines Dritten selbst bereits eine Markenverletzung sein soll, ist jedoch zu weit gefasst. Die Gefahr von Markenverletzungen ist nach Ansicht des Generalanwalts allen Systemen eigen, die Informationen zugänglich machen. Die Ansprüche der Markeninhaber beschneiden jedoch jedes System, das der Bereitstellung von Informationen dient. Dieses Ansinnen soll dem Zweck dienen, jede Möglichkeit von Verletzungen durch Dritte zu verhindern.

Der Generalanwalt meint, dass hiermit übertriebene Schutzmaßnahmen ergriffen werden sollen, um das Haftungsrisiko und die Gefahr von Rechtsstreitigkeiten zu reduzieren. Er ist weiter der Ansicht, dass die Sperrung von Markenkeywords nicht verhältnismäßig sei, da es völlig unklar sei, wie viele solcher Keywords gesperrt werden müssten, um Markenverletzungen zu verhindern. Ferner ist ungeklärt, ob Google nicht auch Keywords für die Suchmaschine sperren müsste. Wäre dies der Fall, dann hätte das zur Folge, dass sich die Funktion des Internets und der Suchmaschinen wandelt. Keiner kann sagen, was bei Suchanfragen dann noch im Internet gefunden werden kann.

Der Generalanwalt ist aber auch der Ansicht, dass die Interessen der Markeninhaber nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Allerdings plädiert er dafür, dass diese außerhalb des Markenrechtsschutzes im Haftungsrecht Berücksichtigung finden sollen – zum Beispiel über die deutsche Störerhaftung. Das Haftungsrecht hingegen richtet sich nach nationalen Vorschriften.

Im Ergebnis kommt der Generalanwalt zu dem Schluss, dass eine Ausweitung des markenrechtlichen Schutzes auf mitwirkende Verletzungen abzulehnen ist, da solche Fälle durch die Anwendung des Haftungsrechts zu lösen sind.

Markenverletzung durch die Auswahl von Markenkeywords durch Anzeigenkunden

Es stellt sich abschließend die Frage, ob Anzeigenkunden von AdWords durch die Auswahl von geschützten Keywords, eine Markenverletzung begehen. Diese Frage stellt auch den Inhalt des Ersuchens des Bundesgerichtshofs auf Vorabentscheidung dar.

Entscheidend für die Antwort auf diese Frage ist es, ob die Benutzung im geschäftlichen Verkehr erfolgt.

Hier ist wiederum zu beachten, dass sich die Benutzung wieder in zwei Benutzungen teilt: Zum einen in die Auswahl der Keywords und zum anderen in die Anzeige der Ads. Die Benutzung im geschäftlichen Verkehr findet nach der Ansicht von Generalanwalt Maduro jedoch nur dann statt, wenn die Ads angezeigt werden. Die Auswahl der Keywords ist nicht an das Verbraucherpublikum gerichtet, sondern lediglich Teil des Keyword-Sellings im System von AdWords. Dies stellt demnach in diesem Fall eine private Nutzung durch den Anzeigenkunden von AdWords dar, da hier – im Gegensatz zur Anzeige der Ads neben den Suchergebnissen – die Benutzung nicht im Rahmen der Geschäftstätigkeit stattfindet.

Die Beurteilung als private Nutzung durch die Anzeigenkunden ist die logische Konsequenz daraus, dass Google im Rahmen von AdWords die Auswahl von Keywords ermöglichen darf. Es wäre ohne jeden Nutzen und ein Widerspruch, wenn Google Keywords zur Auswahl stellen darf, die wiederum von niemandem ausgewählt werden dürfen.

Es liegt demnach keine Markenverletzung vor, wenn Anzeigenkunden Keywords auswählen, die Marken entsprechen.

Ergebnis

Generalanwalt Maduro kommt zu dem Ergebnis, dass Markeninhaber Google nicht verbieten können, ein Anzeigensystem wie AdWords zu betreiben. Google darf seinen Anzeigenkunden Keywords, die Marken entsprechen, zur Auswahl zur Verfügung stellen und auch die Ads aufgrund der gewählten Keywords anzeigen.

So dürfen Anzeigenkunden auch weiterhin Keywords auswählen, die Marken entsprechen, um damit Ads zu schalten, die auf ihre Webseiten verweisen. Dies gilt auch für den Fall, dass dort Waren oder Dienstleistungen angeboten werden, die identisch oder ähnlich zu Waren und Dienstleistungen sind, für deren Kennzeichnung eine Marke eingetragen wurde.

Am Rande sei noch angemerkt, dass Markeninhaber bei Google die Möglichkeit haben ihre Marken sperren zu lassen. Mittels eines Trademark Complaints kann der Markeninhaber die Verwendung seiner Marke in AdWords verhindern.

Dabei ist lediglich zu beachten, dass dies zur Folge hat, dass die Marke als Keyword nicht mehr zur Verfügung steht. In Fällen, in denen Partner oder der Markeninhaber selbst die Marke als Keyword weiterhin in AdWords verwenden möchten, muss für jeden einzelnen Account bei AdWords, der dieses Keyword nutzen möchte, eine gesonderte Freistellung beantragt werden. Das gilt auch für den Markeninhaber selbst. AdWords kann hier keine Verbindung zwischen der Marke und etwaigen Accounts des Markeninhabers herstellen. Es sollte daher darauf geachtet werden, dass man sich hier nicht gewünschte und erlaubte Nutzungen der Marke bei AdWords beschneidet.

Schlussanträge des Generalanwalts vom 22.09.2009

Der Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshof vom 22.01.2009

Onlineformular für Markenbeschwerden bei Google

, Telemedicus v. 15.02.2010, https://tlmd.in/a/1649

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Newsletter

In Kooperation mit

Kommunikation & Recht

Hosting

Domainfactory