Das Patentschutz-Kartenhaus ist am Wackeln. Bei der Vergabe und dem Handel mit Patenten treten schwerwiegende Probleme auf, die das Patentrecht in seiner derzeitigen Handhabung grundlegend in Frage stellen.
Sinn und Zweck des Patentrechts ist es, Innovationen und Wirtschaft zu fördern: als Anreiz und Erlös soll dem Erfinder das Recht eingeräumt werden, seine Erfindung für eine gewisse Dauer ausschließlich selbst zu nutzen. Statt jedoch technischen Fortschritt voran zu bringen, geschieht es vermehrt, dass Patente missbraucht werden, um Wettbewerb zu verhindern.
Die Online-Ausgabe der „Wirtschaftswoche“ berichtet von Fällen in den USA, in denen Unternehmen wegen angeblicher Patentverletzung angeklagt werden. Ob tatsächlich eine Verletzung vorliegt oder nicht bleibt jedoch oft im Dunklen – die meisten Unternehmen zahlen schon bei der Androhung eines Gerichtsverfahrens eine Vergleichssumme. Die Angst vor den immensen Prozesskosten ist hoch, denn in den USA werden die Anwaltskosten unabhängig von einem Sieg von der jeweiligen Partei getragen. Da erscheinen die vielleicht unberechtigten und ebenfalls nicht ganz kleinen Vergleichzahlungen als das geringere Übel. Die Schutzrechte werden also missbraucht, um konkurrierenden Unternehmen finanziellen Verlust zu bereiten.
Sorgen bereitet auch die Vergabe von Patenten. Es wird zunehmend schwieriger zu erkennen, ob eine Erfindung Patentschutz verdient. Immer mehr Erfindungen werden in immer kürzerer Zeit als Patent angemeldet. Aufwändige Recherchen sind erforderlich, die die Erfindungen der ganzen Welt berücksichtigen müssen. Um Patente beurteilen zu können, sollten Patentprüfer auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sein und sich in den hochkomplexen und sich immer weiter spezialisierenden Bereichen fortbilden. Angesichts der jährlich steigenden Anzahl an Patentanmeldungen besteht ein großer Rückstand in der Bearbeitung, manche Unternehmen müssen jahrelang auf eine Patenterteilung warten. Das ist vor allem bei den zunehmend kurzlebigen Technologien ein großes Problem. Der Zeitdruck für die Patentprüfer ist immens und der Berg an Anmeldungen ist schier nicht zu bewältigen. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Qualität der Patente leidet.
Es gibt Unternehmen die den Rückstand sogar unterstützen, da sie daraus Profit schlagen können.
„Manche Unternehmen schaffen sich mit ihrer Verzögerungstaktik sehr attraktive Geschäftsmöglichkeiten. Mit einem Portfolio von anhängigen Patentanmeldungen kann man interessante Verhandlungen mit Wettbewerbern führen. Dabei geht es um richtig viel Geld. Das ist ein Pokerspiel unter Reichen, aber nicht der Zweck des Patentsystems.“
berichtet die Präsidentin des Europäischen Patentamtes, Alison Brimelow. Problematisch ist dabei, dass das Ansehen von wirklich erteilten Patenten schrumpft: Schließlich ist es auch möglich, mit nur angemeldeten Patenten lukrative Geschäfte zu machen. Und zwar meist auf Kosten der kleinen und mittelständischen Unternehmen, die es sich finanziell nicht erlauben können, an einer solch risikobehafteten Verkaufsstrategie teilzunehmen.
Auch das Finanzierungssystem des Patentschutzes muss überdacht werden. Die immer schnelllebigeren Technologien bedürfen nur noch einer kurzen Laufzeit des Patentschutzes, da sie schnell von moderneren Entwicklungen überholt werden. Die Patentämter können dadurch nur für eine kurze Zeit Gebühren einnehmen – trotz der heute sehr viel komplizierteren und aufwändigeren Prüfungen.
Eine internationale Zusammenarbeit zwischen den nationalen Patentbehörden könnte zu einem effektiveren Vorgehen bei Patentprüfungen beitragen. Momentan ist eine Kooperation jedoch schwierig, da wichtige Patentnationen wie USA, Japan und Deutschland sehr unterschiedliche Anforderungen an die Patentvergabe stellen. Da aber jedes Land mit ähnlichen Problemen konfrontiert ist und der Handlungsbedarf immer dringlicher wird, könnte es vielleicht doch in der Zukunft zu größerer Kompromissbereitschaft und einer Annäherung kommen.
„Das Treiben der Trolle“ auf Wiwo.de.
„Pokerspiel unter Reichen“, EU-Patentschützerin Brimelow im Interview.