Letzte Woche ist bekannt geworden, dass der Hamburger Senat über den Bundesrat eine Gesetzesinitiative zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) plant. Hintergrund ist die Einführung von Googles „Street View” in Deutschland. Entsprechende Änderungen des BDSG seien notwendig, weil für Betroffene kein ausreichender Schutz ihres Persönlichkeitsrechts mehr bestehen würde, wenn Services wie „Street View“ online gehen. Schon am kommenden Freitag wird die Initiative im Rahmen der Plenarsitzung des Bundesrates diskutiert werden. Grund genug, sich die vorgeschlagenen Änderungen genauer anzuschauen.
Änderungen des § 28 BDSG
§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG soll nach der Hamburger Gesetzesinitiative um einen weiteren Halbsatz ergänzt werden, der den Begriff der „allgemeinen Zugänglichkeit“ personenbezogener Daten durch eine Negativformulierung begrenzt. Danach kann eine „allgemeine Zugänglichkeit“ in Bezug auf Bildaufnahmen nicht angenommen werden, wenn diese unter Entfernung oder Überwindung „blickschützender Vorrichtungen” angefertigt worden sind.
Ferner wird § 28 Abs. 1 BDSG erweitert um einen Verbots-Ausnahme-Tatbestand, wonach „gespeicherte Foto- oder Filmansichten von Straßen nur systematisch oder georeferenziert” übermittelt werden dürfen, wenn darin zuvor Gesichter und Fahrzeugkennzeichen unkenntlich gemacht worden sind. Im Klartext: Google soll seine Street View Funktionen nur unter Einhaltung dieser Voraussetzungen anbieten dürfen. Außerdem müssen nach Unkenntlichmachung die unveränderten Rohdatensätze, also das ursprünglich abfotografierte Material, innerhalb eines Monats nach Bereitstellung im Internet gelöscht werden.
Darüber hinaus soll ein neuer Absatz 4 a innerhalb des § 28 BDSG das Recht für Mieter und Hauseigentümer vorsehen, der Darstellung der Ansicht ihres Hauses jederzeit widersprechen zu dürfen mit der Konsequenz, dass die verantwortliche Stelle das abgebildete Gebäude unkenntlich macht. Gleiches soll auch für Widersprüche von einzelnen Personen in Bezug auf ihr Konterfei gelten.
Änderungen des § 29 BDSG
Um die gleichen Voraussetzungen sollen auch die Erlaubnistatbestände des § 29 BDSG „aufgeladen“ werden. Sowohl in § 29 Abs. 1 Satz 2 als auch in Abs. 2 Satz 2 wird insoweit auf die Anwendbarkeit der im Rahmen von § 28 BDSG vorgenommenen Änderungen hingewiesen.
Ganz neu: § 33 a BDSG
Komplett neu soll der Hamburger Gesetzesinitiative zufolge die Vorschrift des § 33 a BDSG ins Gesetz aufgenommen werden. Danach muss die verantwortliche Stelle bereits einen Monat vor Datenerhebung zum „Zwecke der systematischen und georeferenzierten digitalen fotografischen oder filmischen Abbildung von Straßenansichten zur Bereitstellung im Internet“ die nach § 38 zuständige Aufsichtsbehörde über dieses Vorhaben unterrichten. Außerdem soll die Öffentlichkeit über Aufnahmeorte, Aufnahmezeitpunkt und das neu in § 28 BDSG aufgenommene Widerspruchsrecht in öffentlichen Tageszeitungen und auch im Internet informiert werden.
§ 43 BDSG: Neue Sanktionen bei Zuwiderhandlungen
Damit man nicht als „Tiger springt“, um dann als „Bettvorleger“ zu landen, hat der Hamburger Senat die neuen Vorschriften innerhalb des § 43 BDSG auch gleich durch Sanktionen flankiert. Es soll fortan eine ordnungswidrige Handlung sein, wenn die verantwortliche Stelle es unterlässt, Gesichter und Fahrzeugkennzeichen gemäß der geänderten §§ 28, 29 BDSG unkenntlich zu machen oder die unveränderten Rohdatensätze nicht innerhalb eines Monats nach Übermittlung löscht. Gleiches gilt, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde oder die Öffentlichkeit über die geplante weitere Datenerhebung nicht, nicht richtig oder nicht vollständig informiert und unterrichtet wird.
Fazit
Wer hätte das gedacht: Eine Gesetzesinitiative des Bundeslandes Hamburg, unterschrieben vom Ersten Bürgermeister (CDU), die sich gegen Missstände von Googles (auch ansässig in Hamburg) neuem Service „Street View“ richtet?
Auf den ersten Blick mag es so scheinen. Genauer hingeguckt zeigt sich aber, dass wahrscheinlich eher ein PR-Coup als eine tatsächliche Umsetzung der Gesetzesinitiative beabsichtigt wird. Denn es mutet schon etwas merkwürdig an, wenn eine Vorschrift wie der beabsichtigte § 33 a BDSG die Datenerhebung in Bezug auf Dienste wie Google Street View an bestimmte Voraussetzungen knüpft, die Datenerhebung in Deutschland aber schon lange im Gange und weit fortgeschritten ist. Bis zu einem Inkrafttreten eines entsprechenden Gesetzes wird die Datenerhebung durch Googles Fahrzeugflotte höchstwahrscheinlich vollends abgeschlossen sein, § 33 a BDSG hätte dann in Bezug auf „Street View“ zumindest keine Anknüpfungspunkte mehr.
„Nur” bis zu 50.000 Euro Geldbuße
Sehr zurückhaltend ist die Gesetzesinitiative auch mit im Rahmen des § 43 BDSG neu zu fassenden Sanktionen für vorsätzliche und fahrlässige Ordnungswidrigkeiten geblieben. Die „große Keule“, eine Geldbuße im Sinne des §§ 43 Abs. 3 Alt. 2 BDSG in Höhe von bis zu dreihunderttausend Euro, ist nämlich im Schrank geblieben. Die bereits genannten Zuwiderhandlungen wurden systematisch in § 43 Abs. 1 BDSG eingeordnet und können gemäß § 43 Abs. 3 Alt. 1 BDSG mit bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.
Gleichwohl ist der Hamburger Ansatz entgegen aller Kritik begrüßenswert und ein Schritt in die richtige Richtung. Natürlich hat die Gesetzesinitiative handwerkliche Schwächen, zum Beispiel indem sie versucht, sowohl § 28 BDSG als auch § 29 BDSG dieselben Änderungen mit gleichen Formulierungen einfach „überzustülpen“. Ein Indiz dafür, dass die Initiative wohl unter Zeitdruck und wieder einmal mit der berüchtigten „heißen Nadel“ gestrickt worden ist.
Und sicherlich muss man sich auch fragen, ob ein Gesetz notwendig ist, dass sich erkennbar momentan nur an ein ganz bestimmtes Unternehmen richtet. Da es sich bei diesem Unternehmen allerdings um einen der mächtigsten und reichsten Konzerne der Welt handelt, mit dem fast jeder Bürger täglich irgendwie zu tun hat beziehungsweise betroffen wird, kann man diese Frage sicherlich auch mit „Ja“ beantworten, ohne sich gleich des Vorwurfs des unbegründeten Google-Bashings auszusetzen.
Fehlende Grundrechtsbindung Privater
Mögliche Vorschriften wie die der Hamburger Gesetzesinitiative sind als Ausdruck staatlicher Pflichten zu betrachten vor dem Hintergrund, dass private Unternehmen nicht unmittelbar an Grundrechte gebunden sind, die Menschenwürde und die betroffenen Grundrechte (z.B. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung) trotzdem geschützt werden müssen. Das ist nun kein neuer Hokus Pokus des Gesetzgebers, sondern bereits durch die Struktur des ganzen Datenschutzrechts, aber auch aus anderen Normen hinlänglich bekannt. Einfachstes Beispiel ist § 88 Abs. 2 TKG: Diese Vorschrift erstreckt das Telekommunikationsgeheimnis auch auf private Anbieter. Und das ist absolut notwendig, da Telekommunikation ganz überwiegend von privaten Anbietern erbracht wird. Und genauso ist es bei den Leistungen, die von Suchmaschinen wie Google erbracht werden: Auf der einen Seite stehen grundrechtliche Positionen der Betroffenen, auf der anderen private Unternehmen, die nur mittelbar an die Grundrechte gebunden sind.
Von daher sollte kein Aufschrei durchs Land gehen, wenn Quasi-Monopolisten wie Google durch entsprechende Gesetze zur Gewährleistung grundrechtlicher Positionen der Betroffenen „veranlasst“ werden. Gleichwohl müssten entsprechende Gesetze inhaltlich wohl überlegt und auch formuliert werden und schließlich versuchen, die Bedürfnisse der Betroffenen mit denen der verantwortlichen Stelle in Einklang zu bringen. Denn mit einem medial wirksamen „schnellem Durchhecheln“ eines solchen Gesetzes zu Wahlkampfzeiten ist wirklich niemandem geholfen.