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Der Entwurf zum Presse-Leistungsschutzrecht kommentiert

Das geplante Presse-Leistungsschutzrecht nimmt langsam Formen an. Die Kollegen von irights.info haben einen Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums veröffentlicht, in dem die Pläne der Regierungskoalition nun in ein Gesetz gegossen wurden. Ob der Entwurf in dieser Form auch verabschiedet wird, wird sich zeigen. Wir haben uns den Entwurf jedoch schon einmal genauer angeschaut und haben ihn ausführlich kommentiert.

§ 87f
Presseverleger

(1) Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen. Ist das Presseerzeugnis in einem Unternehmen hergestellt worden, so gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller.

(2) Ein Presseerzeugnis ist die redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge im Rahmen einer unter einem Titel auf beliebigen Trägern periodisch veröffentlichten Sammlung, die bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlagstypisch anzusehen ist und die nicht überwiegend der Eigenwerbung dient. Journalistische Beiträge sind insbesondere Artikel und Abbildungen, die der Informationsvermittlung, Meinungsbildung oder Unterhaltung dienen.

Der Anwendungsbereich

§ 87f UrhG-E soll zunächst den Anwendungsbereich des Presse-Leistungsschutzrechtes definieren. „Presseverlag” ist demnach der Hersteller eines „Presseerzeugnisses”. Dabei ist der Begriff des „Herstellers” missverständlich – schließlich ist es nicht der Verlag als juristische Person, der zum Beispiel eine Zeitschrift herstellt, sondern der Drucker. Für das Leistungsschutzrecht soll stattdessen aber maßgeblich sein, wer „den wirtschaftlichen Erfolg verantwortet”. Das aber ist begrifflich eigentlich nicht der Hersteller, sondern allenfalls derjenige, der eine Publikation vertreibt, sie verantwortet, oder eine Redaktion betreibt.

Der Begriff des „Presseerzeugnisses” knüpft zunächst an die „redaktionell-technische Festlegung journalistischer Beiträge” an. Es geht also nicht um die geistige Schöpfung eines journalistischen Textes, sondern um das technische Endprodukt. Darauf deutet auch die weitere Definition hin, die verlangt, dass diese journalistischen Beiträge Teil einer „unter einem Titel auf beliebigen Trägern periodisch veröffentlichten Sammlung” sein sollen. Der Begriff der „Sammlung” soll eine redaktionelle Auswahl der Beiträge voraussetzen – rein technische Sammlungen von Artikeln, etwa in Form von Aggregatoren, sollen nicht darunter fallen. Zwei Tatbestandsmerkmale beim Begriff des „Presseerzeugnisses” sind besonders interessant:

1. Es muss sich um eine „periodisch veröffentlichte” Sammlung journalistischer Beiträge handeln.

2. Diese Sammlung muss auf „beliebigen Trägern” veröffentlicht werden.

Ob das auf reine Online-Publikationen zutrifft, ist fraglich. Webseiten zeichnet es aus, dass sie gerade nicht periodisch – also in festen Zeitabständen –erscheinen, sondern ständig verfügbar sind und bei Bedarf ergänzt werden. Und auf „Trägern” werden Webseiten auch nicht veröffentlicht. Zwar liegt eine Webseite natürlich auch auf der Festplatte eines Servers, die Veröffentlichung – also der Transfer zum Leser – findet eben nicht auf einem Datenträger statt.

Die Begründung des Gesetzesentwurfes stellt aber ausdrücklich klar, dass das Leistungsschutzrecht auch für reine Online-Veröffentlichungen gelten soll. Die Tatbestandsmerkmale der „Veröffentlichung auf einem beliebigen Träger” und der „periodischen Veröffentlichung” sollen in diesem Fall also schlicht unter den Tisch fallen – handwerklich keine sonderlich elegante Lösung.

Der Schutzbereich

Das Leistungsschutzrecht erfasst die öffentliche Zugänglichmachung zu gewerblichen Zwecken. Das bedeutet zweierlei:

1. Es ist nur die öffentliche Zugänglichmachung erfasst, also das Veröffentlichen von Presseerzeugnissen im Internet. Die Vervielfältigung oder die Verbreitung (offline) ist vom Presse-Leistungsschutzrecht nicht geschützt. Das sieht die Gesetzesbegründung auch ausdrücklich so vor.

2. Erfasst sind außerdem nur Veröffentlichungen zu gewerblichen Zwecken. Gemeint sind damit alle Veröffentlichungen, die „mittelbar oder unmittelbar der Erzielung von Einnahmen” dienen, auch wenn damit nur laufende Kosten gedeckt werden sollen. Bereits das Schalten von Werbung kann daher schon als gewerblicher Zweck gelten. Denn auf die Erzielung eines Gewinns kommt es nicht an. Auch Spenden über Micropayment-Dienste wie Paypal oder Flattr führen zu einem gewerblichen Zweck der Veröffentlichung. Bei gemeinnützigen Vereinen ist die Lage nicht ganz eindeutig. Die Entwurfsbegründung führt als Beispiel einen Blogger an, der für einen gemeinnützigen Verein über dessen Tätigkeiten bloggt. Ob nun ein Verein, der „selbst” über andere Dinge als die Vereinstätigkeit bloggt und Werbung schaltet (wie zum Beispiel Telemedicus), unter das Leistungsrecht fällt, ist unklar.

Darüber hinaus sollen nicht nur vollständige, sondern auch kleine Teile von Presseerzeugnissen vom Leistungsschutzrecht geschützt sein. Gemeint, aber nicht ausdrücklich benannt, sind damit wohl Snippets, die Vorschautexte bei Suchmaschinen. Vor allem an ihnen hatte sich die Diskussion um das Presse-Leistungsschutzrecht lange Zeit aufgehangen und die Suchmaschinen sind es, die nach Meinung vieler Presseverlage vor allem die Leistung der Verlage ausnutzen.

Doch mit „kleinen Teilen” können nicht nur solche Snippets erfasst werden. Auch illustrierende Ausschnitte von Texten, die nicht unter das Zitatrecht fallen, dürften vom Leistungsschutzrecht damit erfasst sein.

Ausdrücklich nicht vom Leistungsschutzrecht erfasst sind Links. Das Verlinken von Webseiten soll also – ob privat oder gewerblich – auch nach einer möglichen Einführung des Leistungsschutzrechtes erlaubt bleiben.

§ 87g
Übertragbarkeit, Dauer und Schranken des Rechts

(1) Das Recht des Presseverlegers nach § 87f Absatz 1 Satz 1 ist übertragbar. Die §§ 31 und 33 gelten entsprechend.

(2) Das Recht erlischt ein Jahr nach der Veröffentlichung des Presseerzeugnisses.

(3) Das Recht des Pressverlegers kann nicht zum Nachteil des Urhebers oder eines Leistungsschutzberechtigten geltend gemacht werden, dessen Werk oder nach diesem Gesetz geschützter Schutzgegenstand im Presseerzeugnis enthalten ist.

(4) Zulässig ist die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen für nicht gewerbliche Zwecke. Im Übrigen gelten die Vorschriften des Teils 1 Abschnitt 6 entsprechend.

Der Rahmen des Leistungsschutzrechtes

§ 87g regelt den Rahmen des Leistungsschutzrechtes, also seine Grenzen und Ausnahmen. Zunächst wird klargestellt, dass das Presse-Leistungsschutzrecht übertragbar ist. Mehr als eine Klarstellung ist die Regelung jedoch nicht – Leistungsschutzrechte sind in aller Regel übertragbar.

Begrenzt wird das Presse-Leistungsschutzrecht nach Absatz 2 auf ein Jahr ab der Veröffentlichung. Das ist eine deutliche Einschränkung, die bei anderen Leistungsschutzrechten bedeutend weiter gefasst ist. Archiv-Beiträge sind damit ausgenommen.

Verhältnis Verlag und Urheber

Nach Absatz 3 kann das Leistungsschutzrecht nicht gegenüber den Urhebern geltend gemacht werden. Damit greift der Gesetzesentwurf einen ganz wesentlichen Kritikpunkt an den Plänen eines Presse-Leistungsschutzrechtes auf. Die Befürchtung war, dass das Leistungsschutzrecht für Verlage die Rechte der Urheber – also der Journalisten, Schriftsteller und Autoren – aushöhlt. Daher stellt der Referentenentwurf klar, dass im Verhältnis Autor zu Verlag die Rechte des Urhebers Vorrang haben. Der Verlag kann also nicht auf Grundlage des Leistungsschutzrechtes die eigene Verwertung eines Werkes verbieten.

An dieser Stelle liegt auch einer der Vorteile des Presse-Leistungsschutzrechtes. Denn indem den Verlagen ein eigenes Recht an den Werken eingeräumt wird, könnte sich die Praxis der Buy-Out-Verträge damit erledigt haben. Die Verlage brauchen wegen ihres eigenen Rechtes nicht mehr sämtliche Rechte der Autoren. Ganz beseitigt dürften die Bedenken damit jedoch nicht sein. Denn auch wenn das Leistungsschutzrecht nicht gegenüber den Urhebern geltend gemacht werden kann, sind die Autoren doch in ihrer Dispositionsfreiheit über ihr Werk eingeschränkt. Ein Journalist kann also zum Beispiel nicht Dritten eine weitere Lizenz zur öffentlichen Zugänglichmachung einräumen. Denn an dem Werk bestehen ja neben seinen eigenen Rechten noch die Leistungsschutzrechte des Verlages.

Schranken des Leistungsschutzrechtes

Absatz 4 regelt die Schranken des Presse-Leistungsschutzrechtes. Zunächst wird klargestellt, dass die Veröffentlichung zu privaten Zwecken zulässig ist – eine unnötige Wiederholung, denn bereits der Schutzbereich erfasst ja nur Veröffentlichungen zu gewerblichen Zwecken. Diese Wiederholung ist nicht nur überflüssig, sondern auch schädlich. Denn es bleibt offen, wie genau das Regel-Ausnahme-Verhältnis gestaltet sein soll. Soll die nicht-gewerbliche Nutzung nur eine Ausnahme von einem normalerweise bestehenden Schutz darstellen? Oder erfasst der Schutz von Anfang an nur gewerbliche Zwecke? Beides geht nicht.

Außerdem regelt Absatz 4, dass die Schranken des Urheberrechtes für das Leistungsschutzrecht entsprechend gelten sollen. Eine sehr wichtige Einschränkung, denn sie bedeutet, dass etwa das Zitatrecht auch für das Presse-Leistungsschutzrecht gilt.

§ 87h
Beteiligungsanspruch des Urhebers

Der Urheber ist an einer Vergütung angemessen zu beteiligen.

Rechte der Urheber

§ 87h regelt schließlich, dass die Urheber der Presseerzeugnisse an den Einnahmen der Verlage „angemessen beteiligt” werden müssen. Was genau „angemessen” ist, lässt der Gesetzesentwurf offen. Sollte das Presse-Leistungsschutzrecht verabschiedet werden, wird an dieser Stelle wahrscheinlich die nächsten Jahre heftig gestritten werden.

Der Referentenentwurf bei irights.info.
Kurzanalyse von Thomas Stadler.
Die Einschätzung von Udo Vetter.

Update:
Ausführliche Analyse von Till Kreutzer von irights.info.

, Telemedicus v. 14.06.2012, https://tlmd.in/a/2332

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