De-Mail sollte mal so etwas wie eine juristisch-elektronische Revolution werden: Endlich in allen Aspekten verlässliche, nachweisbare und damit rechtssichere elektronische Kommunikation. Das war 2008. Seit dem wurde ein Pilotversuch durchgeführt – und wieder beendet. Ein Bürgerportalgesetz ist entstanden – und wieder vergangen. Beim Wechsel des Bundestags 2009 fiel das Vorhaben in die Diskontinuität. Im Sommer 2010 hat die Deutsche Post ein Konkurrenzprodukt unter dem Namen „E-Postbrief” auf den Weg gebracht und nach eigenen Angaben mittlerweile 1 Million Kunden. Und De-Mail?
Ich versuche seit einigen Monaten herauszufinden, was eigentlich los ist mit De-Mail. Das Vorgängergesetz zu den Bürgerportalen war quasi fertig – warum wurde es nicht verabschiedet? Gerüchten zufolge, weil die Deutsche Post lobbyisierte, um ihrem eigenen System einen Vorsprung zu verschaffen. Gäbe es nämlich ein funktionierendes De-Mail-System, würde das Kerngeschäft der Deutschen Post AG, die Beförderung von Briefen, mit einem Schlag wirkungslos, für die Post AG wäre das der größte anzunehmende Unfall. Das Unternehmen will von diesem Vorwurf natürlich nichts wissen: Man kenne und fördere das De-Mail-Projekt, man wolle sich dem System sogar anschließen, sobald es denn existiere. Aus informierten Quellen ist aber zu hören, dass hinter den Kulissen um diese Zusage lange gerungen wurde.
Haushaltssperre und trockene Tücher
Trotzdem wird es irgendwie nicht so richtig mit De-Mail. Der Bundestag hat gegen das Projekt explizit eine Haushaltssperre verhängt: Keine weiteren Mittel für De-Mail (PDF). Ein außergewöhnlicher Vorgang. Auf Anfrage gibt die FDP zu, dass das auf ihr Betreiben hin geschah: „Die Haushaltssperre ist aufrechterhalten worden, weil das De-Mail-Gesetz derweil noch nicht verabschiedet worden ist. Deshalb ist es unserer Auffassung nach verfrüht, bereits Geld für ein Projekt freizugeben, das selbst noch nicht beschlossen ist.” Ich stellte die Rückfrage, wie das zusammenpasse: Einerseits hat die FDP die Verabschiedung des De-Mail-Gesetzes im Koalitionsvertrag beschlossen, andererseits sperrt man der zuständigen Behörde explizit die Mittel? Die Antwort: Man wolle abwarten, bis das Gesetz in „trockenen Tüchern” ist. Dann werde der Bundestag die erforderlichen Mittel schon freigeben.
Nur: Das Gesetz kommt irgendwie nicht hinein in die trockenen Tücher. Eine Plenardebatte im Bundestag, die für heute angesetzt war, ist aus der Tagesordnung wieder verschwunden. „Die Welt” meldet parallel, das Projekt werde sich um weitere Monate verzögern, mindestens bis März 2011 – und das auch nur, falls der Bundesrat mitspielt.
Kräftemessen in Hinterzimmern
Es ist offensichtlich, dass hinter den Kulissen ein Kräftemessen stattfindet. Bekannte Teilnehmer: Die Deutsche Post, die nicht nur ihr Briefmonopol verteidigt, sondern im Markt für „rechtssichere Email” first mover ist. Die Internetkonzerne Deutsche Telekom und United Internet, die mit De-Mail an den Start gehen wollen. Das Bundeswirtschaftsministerium, das das Projekt als Teil seiner „nationalen IT-Strategie” unter massivem Aufwand entworfen und gefördert hat. Diverse Branchen- und Lobbyverbände. Beteiligt ist auch das Blog Netzpolitik.org: Dort war der Referentenentwurf zum De-Mail-Gesetz im Juli zum ersten Mal öffentlich aufgetaucht; zeitgleich zum Start der „Sunrise-Period” für die De-Mail-Adressen, der Markteinführung des E-Postbriefs und offenbar parallel zu einer heißen Verhandlungsphase in Berlin. Auf meine Anfrage, wer ihm den Entwurf geschickt habe oder ob er mir andere sachdienliche Informationen geben könnte, hat mir Markus Beckedahl von Netzpolitik.org nicht geantwortet.