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Dauerhafter Internetausschuss – (k)ein Grund zur Freude?

Am Mittwoch hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gefordert, einen Ausschuss für „Internet und digitale Gesellschaft” einzusetzen. Die entsprechende Enquete-Kommission werde ihre Arbeit bis zur Sommerpause abschließen. Das Thema Internet müsse aber auf der Tagesordnung des Bundestages bleiben. Die Arbeit der Internetentquete wolle man „effektiv fortführen und die erworbene Kompetenz sinnvoll nutzen“. Diese Forderung stieß aber nicht nur auf Gegenliebe.
Kritische Reaktionen aus verschiedenen Richtungen

Auch die CSU-Bundestagsabgeordnete Dagmar Wöhrl unterstützte die Forderung – und richtete prompt eine Online-Umfrage auf ihrer Webseite ein. Antwortmöglichkeiten: „Überflüssig“ oder „gute Idee“.

Es scheint allerdings, dass hier womöglich mit zweierlei Maß gemessen wird. Denn diese schwarz-weiß-Vorgehensweise trifft es laut einiger Kritiker nicht. So konnte man im Netzpolitik-Blog der Grünen lesen, dass die Frage, „ob ein solcher Ausschuss eingerichtet wird, völlig unabhängig von der Frage ist, wie lange die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ noch arbeitet“.

Auch Halina Wawzyniak, netzpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, schien sich einer gewissen Gefahr bewusst zu werden: „Die Enquête-Kommission darf nicht zugunsten eines Internet-Ausschusses zum Abschuss freigegeben werden“. Einen eigenen Ausschuss einzurichten begrüße sie. Allerdings nur unter einigen Bedingungen: insbesondere müsse die Enquete-Kommission zu Ende arbeiten können.

Fortschritt der Enquete

Im März 2010 beschloss der Bundestag: Es wird eine Enquete-Kommission für Internet und digitale Gesellschaft geben. Sowohl Abgeordnete als auch unabhängige Sachverständige sollten den Einfluss des Internets auf Gesellschaft und Politik untersuchen. Fest stand aber auch: Die Arbeit sollte zeitlich begrenzt werden – bis zur Sommerpause 2012 sollten Ergebnisse und Empfehlungen her.

Das hat teilweise auch gut funktioniert. Teilweise aber eben auch nicht: Erst vier von zwölf Arbeitsgruppen haben ihre Arbeit beendet. Nun ist es aber so, dass die zeitliche Beschränkung nicht schlechthin bindend ist: Der Einsetzungsbeschluss der Enquete sagt, die Kommission „soll sich unverzüglich konstituieren und bis zur parlamentarischen Sommerpause 2012 ihre Ergebnisse und Handlungsempfehlungen vorlegen, damit noch in der 17. Legislaturperiode erste Umsetzungsschritte erfolgen können“.

Im Umkehrschluss heisst das: Tut sie dies nicht in der vorgegebenen Zeit, müssen die restlichen Ergebnisse und Handlungsempfehlungen verzögert vorgelegt werden. Die 17. Legislaturperiode wird dann vielleicht nicht mit ersten Umsetzungsschritten in die Geschichte eingehen. Dafür aber vielleicht die 18. – wenn die Enquete denn weiterarbeitet.

Warum die Eile?

Zugegeben: Man könnte den Einsetzungsbeschluss auch anders verstehen. Legt die Enquete nicht bis zur Sommerpause 2012 Ergebnisse und Handlungsempfehlungen für alle Projektgruppen vor, guckt der Rest in die Röhre. Das kann aber kaum Sinn und Zweck bei der Einsetzung gewesen sein – im Übrigen hätte man den Zeitraum dann auch schlechthin unabänderbar vorgeben können.

Da das aber nicht geschehen ist, mutmaßen Kritiker einen anderen Hintergrund für den Vorstoß der CDU/CSU: Die Sachverständigen unterliegen (naturgemäß) keinem Fraktionszwang. Das hatte aber desöfteren dazu geführt, dass Abstimmungen nicht im Sinne der Partei ausfielen, die sie bestellt hatte. Helena Wawzyniak bringt es auf den Punkt:

Die Koalition fürchtet um ihre Abstimmungsmehrheit in der Enquête-Kommission. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass die Koalition die unabhängigen Sachverständigen als Teile ihrer Fraktionen ansieht und damit gescheitert ist, diese nach ihrem Willen zu disziplinieren.

Ein Ausschuss hingegen ist nur mit Fraktionsabgeordneten entsprechend den Kräfteverhältnissen im Parlament besetzt. Solche „Ausrutscher” sind hier dann wenig bis gar nicht mehr zu befürchten.

Fazit

Ob das favorisierte Ende der Internetenquete diesen Hintergrund hat – darüber darf gestritten werden. Dass das Thema Internet und digitale Gesellschaft auch im Bundestag fest etabliert werden soll, ist freilich zu begrüßen. Warum dies mittels einer eiligen Hau-Ruck-Aktion auf Kosten der Enquete geschehen soll, ist aber nur schwer nachvollziehbar. Zeitliche Verzögerungen oder verspätete Beschlüsse gehören in der Politik zur Tagesordnung. Es mag auch Situationen geben, in denen das untragbar ist.

Wenn aber der neue Ausschuss die Arbeit der ursprünglichen Enquete sowieso „fortführen“ soll – wieso darf diese dann nicht zu Ende arbeiten, um einem neuen Ausschuss ein umfassendes Arbeitsfundament zu hinterlassen? Man kann daher festhalten: Der Inhaltsfaktor dürfte bei einer Abwägung über dem Zeitfaktor anzusiedeln sein. Wie es tatsächlich weitergeht, wird man spätestens nach der Sommerpause erleben.

Blogbeitrag für ständigen Internetausschuss von Axel Fischer, Vorsitzender der Internet-Enquete.

Kritische Betrachtung von Alvar Freude, von der SPD besteller Sachverständiger.

Kritische Betrachtung auch im Blog von Peter Piksa.

, Telemedicus v. 10.02.2012, https://tlmd.in/a/2190

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