Einschüchterungseffekte durch verstärkten Kontroll- und Anpassungsdruck befürchtet
Am vergangen Freitag ging die 75. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder zu Ende. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Frage, wie Datenschutz im 21. Jahrhundert gesichert werden könne: Das Handeln staatlicher und nicht-öffentlicher Stellen sei immer stärker darauf gerichtet, möglichst viele Daten ohne klare Zweckbestimmung zu sammeln, um diese zu vielfältigen Zwecken auszuwerten. Unabhängig von konkreten Gefahren oder Verdachtsmomenten werde auch ganz normales Verhalten registriert. Folge sei ein verstärkter Kontroll- und Anpassungsdruck, der Einschüchterungseffekte zur Folge haben werde. Insgesamt bedürfe es daher einer neuen Datenschutzkultur, die den Erfordernissen des 21. Jahrhunderts Rechnung trage.
Stärkung der Eigenverantwortung notwendig
Wie die Datenschutzkonferenz betont, sei der Schutz des Datenschutzes zunächst zwar die Aufgabe des Staates. Darüber hinaus müsse aber auch die Eigenverantwortung eines jeden einzelnen gestärkt werden. Den Betroffenen müsse ermöglicht werden, eine Erfassung ihres Verhaltens zu vermeiden und selbst darüber zu entscheiden, ob und wem gegenüber sie Daten offenbaren. Von zunehmender Bedeutung seien daher Projekte, die das Datenschutzbewusstsein fördern.
Gerade bei der nachwachsenden Generation müsse das Bewusstsein über den Datenschutz als Bürgerrecht und Bestandteil der demokratischen Ordnung stärker gefördert werden. Informationsangebote, welche die Medienkompetenz junger Menschen verbessern sollen, berücksichtigten das Thema „Datenschutz“ nicht in ausreichendem Maße. Die Datenschutzbeauftragten halten es daher für notwendig, dass bei der Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen auch deren Datenschutzbewusstsein schon im Grundschulalter gestärkt wird. Dergestalt könnten sie schon in jungen Jahren von einem fahrlässigen Umgang mit ihren persönlichen Daten abgehalten werden.
Notwendigkeit datenschutzfördernder Identitätsmanagementsysteme betont
Zudem wird die Bundesregierung aufgefordert, den Einsatz datenschutzfördernder Identitätsmanagementsysteme voranzutreiben, schließlich seien elektronische Identitäten der Schlüssel zur Teilnahme an der digitalen Welt. Ziel der Datenschützer ist eine moderne und effektive Datenverarbeitung die verhindern soll, dass der Bezug zwischen einer elektronischen Identität und einer Person unkontrolliert hergestellt werden kann.
Gerade anonyme oder pseudonyme Nutzungsmöglichkeiten würden bisher zu selten angeboten. Vielmehr speicherten Wirtschaft und Verwaltung immer mehr personenbezogene Daten über einheitliche Identifizierungsnummern, wie z.B. der lebenslang geltenden, bundeseinheitlichen Steuer-Identifikationsnummer. Daraus entstünden erhebliche Risiken für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ein datenschutzförderndes Identitätsmanagement könne den Einzelnen vor unangemessener Überwachung und Verknüpfung seiner Daten schützen: Die Möglichkeiten der pseudonymen Nutzung, die Gewährleistung von Datensparsamkeit und -sicherheit sowie der Schutz vor Identitätsdiebstahl und Profilbildung seien daher wichtige Grundpfeiler moderner Informations- und Kommunikationstechnologien.
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder weist insbesondere darauf hin, dass der gesetzliche Rahmen für die anonyme oder pseudonyme Nutzung elektronischer Verfahren bereits seit langem vorhanden ist. So hat beispielsweise jeder Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist (§ 13 Abs. 6 Telemediengesetz).
Mehr Respekt vor den Grundrechten notwendig
Voraussetzung für die erforderliche neue Datenschutzkultur sei aber, dass nicht länger versucht werde, die verfassungsrechtlichen Grenzen und Spielräume auszureizen. Peter Schaar:
Die Regelungen insbesondere zum Großen Lauschangriff, zur Telekommunikationsüberwachung, zur Rasterfahndung, zur Online-Durchsuchung, zur automatischen Auswertung von Kfz-Kennzeichen und zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten haben die verfassungsrechtlich zwingende Balance zwischen Sicherheitsbefugnissen der staatlichen Behörden und persönlicher Freiheit der Bürgerinnen und Bürger missachtet. Das Bundesverfassungsgericht hat mit einer Reihe von grundlegenden Entscheidungen diese Balance wieder hergestellt.
Angesichts dessen solle den Grundrechten künftig wieder der notwendigen Respekt entgegengebracht werden.
„Berliner Erklärung“: Herausforderungen für den Datenschutz zu Beginn des 21. Jahrhunderts (pdf).
Entschließung: Datenschutzförderndes Identitätsmanagement statt Personenkennzeichen (pdf).
Entschließung: Medienkompetenz und Datenschutzbewusstsein in der jungen „online-Generation“ (pdf).