Die Telemedicus Sommerkonferenz stand dieses Jahr unter dem Motto “Digitalisiert und totreguliert? Wie viel digitales Recht brauchen wir?”. Neben den vielen Tweets unter dem Hashtag #soko18 wollen auch wir die Konferenz noch einmal knapp zusammenfassen.
Die Sommerkonferenz fand dieses Jahr wieder bei Microsoft in Berlin statt. Die vielen Warnhinweise, abgestimmt auf das Konferenzmotto, stammten aber von Telemedicus.
Vorbildlich. #soko18 compliant as hell. Bitte vor allem Cookies beachten. Gefährlich! @Telemedicus pic.twitter.com/Ng0p2LBC1e
— Thorsten Feldmann (@feldblog) 30. Juni 2018
Zu Beginn begrüßte Adrian Schneider die Teilnehmer der Veranstaltung. Das Motto des diesjährigen Veranstaltungstitels basiere auf der Schwierigkeit, der zunehmenden Gesetzgebung zu folgen. Der IT-Jurist stünde vor einer Fülle von Regulierungen digitaler Themenkomplexe, die zunehmend schwer beherrschbar werden.
Danach begrüßte auch Dr. Guido Brinkel alle Teilnehmer und verlieh zum zweiten Mal die „Telemedicus Awards”, unter anderem an die neue EU Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) als Gesetz des Jahres.
Ganz im Sinne des Themas der diesjährigen Sommerkonferenz und höchst aktuell startete die erste Diskussionsrunde unter der Moderation von Thorsten Feldmann zum umstrittenen „Facebook Fanpage Urteil“. Müssen Fanpages nun abgeschaltet werden? Im Rahmen der Diskussion gingen Dr. Moritz Karg und Dr. Winfried Veil auf die Konsequenzen des Urteils für Fanpage-Betreiber ein und diskutierten die Sinnhaftigkeit der Entscheidung und Regulierung. Karg äußerte sich als grundsätzlich zufrieden mit dem Urteil: Es wurden grundsätzliche Pfeiler für die Anwendung der DSGVO eingeschlagen.
Veil stellte hingegen die Regulierungsnotwendigkeit, den Regulierungsnutzen und die Regulierungskosten von Facebook Fanpagebetreibern in Frage. Sie würden den Kleinen schlagen, um den Großen zu treffen. Dies sei der falsche Regulierungsweg. Regulierungsadressat müsse Facebook sein und nicht die User. Art. 26 DSGVO sehe keine Haftungsabstufung vor. Hierin liege wegen des massiven Eingriffs u.a. in die Meinungsfreiheit ein absolutes Missverhältnis, äußerte Veil. Des Weiteren sei kein Schaden für User entstanden. Karg hielt dem entgegen, dass User in der Lage sein müssten, jederzeit zu wissen, was über einen gesammelt werde.
Unter der Moderation von Dr. Hendrik Widuwilt, diskutierten Vertreter mit Nähe zur Digitalwirtschaft eine mögliche Drangsalierung durch Regulierung.
Dr. Guido Brinkel stellte gleich zu Beginn klar: Nicht jede Regulierung sei schädlich, sondern lediglich schlechte Regulierung. Letztere müsse daher vermieden werden.
Yvonne Schäfer widmete sich der Position der Unternehmen: Grundsätzlich sei der Schutz personenbezogener Daten zu begrüßen, er stelle aber auch eine Überforderung für Unternehmen dar. Schäfer betonte, das Verständnis für die DSGVO wurde seit dem 25.5.2018 geweckt, allerdings sei es viel Arbeit für Unternehmen, die geltenden Regeln und Grundsätze der DSGVO einzuhalten.
Kirsten Bock teilte Unverständnis hinsichtlich der Kritik, das Datenschutzrecht zu reformieren, weil Unternehmen die Kommission zu Änderungen im Datenschutz getrieben hätten und zwar insbesondere um den grenzüberschreitenden Datenfluss zu harmonisieren. Jedoch gelte für jede Gesetzgebungssgebungsinitiative, so auch für die DSGVO, dass sinnvoll reguliert werden müsse.
Prof. Dr. Christian Henner-Hentsch betonte, dass man die Notwendigkeit im Auge behalten müsse. Die Spielebranche hätte beispielsweise bereits mit eigenen Mechanismen Probleme mit Trollen gelöst – das NetzDG sei in diesem Bereich eine unnötige Regulierung.
Die Diskussion der Panelisten zeigte: Regulierung ist nicht per se etwas Schlechtes, aber bei den jüngsten Gesetzen zeigt sich, dass diese nicht immer sinnvoll waren bzw. umgesetzt wurden.
Die @telemedicus Sommerkonferenz ist die bunteste Juristensause, auf der ich bislang war – sehr gut. Man sitzt ja sonst oft genug in einem Ozean aus Anthrazit. #soko18
— Hendrik Wieduwilt (@hwieduwilt) June 30, 2018
Dieses Jahr präsentierte die Soko zum ersten Mal einen Side-Track. Einen davon führte Joanna Schmölz unter dem Thema „Die Demokratie ist tot! Es lebe die Demokratie!” durch.
Dr. Sönke E. Schulz warf in seinem Vortrag die Frage auf, ob das Grundgesetz (GG) tauglich für das digitale Zeitalter sei. Zunächst beleuchtete Schulz den Begriff der E-Democracy, um sodann auf ausgewählte Fallkonstellationen von Grundrechtsfunktionen im Zusammenhang mit E-Democracy einzugehen. Unter anderem diskutierte er die Notwendigkeit einer Schaffung einer digitalen Grundrechte Charta und die Entwicklung des Demokratieprinzips im digitalen Zeitalter. Schulz gelangte zu dem Ergebnis, dass das GG als Basis des Zusammenlebens in einem freiheitlich demokratischen Land gerade in Bezug auf das digitale Zeitalter entwicklungsoffen sei und Antworten auf die Herausforderung der Digitalisierung gebe. Dieses Thema müsse aktiv angegangen werden und sich in gesellschaftlichen sowie politischen Diskussionen wieder finden.
Im Anschluss an den Vortrag zeigte Dr. Aleksandra Sowa die Zukunftsszenarien von Robotern und Künstlichen Intelligenzen (KI) und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Problemszenarien auf. Diese können individuelle Freiheiten bedrohen, aber auch demokratiefördernd wirken, betonte Sowa. Anhand der „Three Laws of Robotics” des Science-Fiction-Schriftstellers Isaac Asimov thematisierte Sowa sodann die Notwendigkeit eines geregelten Umgangs mit Robotern sowie KI, wobei sie die Three Laws of Robotics weiterdachte. Es sei für die Politik von Belang, dass Regeln und Vorgaben für Roboter und KI geschaffen würden. Eine Gesellschaft, in welcher Roboter und KI integriert würden, brauche mehr demokratische Kontrolle über die Software, die KI steuert.
Im Rahmen der darauffolgenden Paneldiskussion stieg Jan Mönikes in den Diskurs ein und betonte, dass hinsichtlich KI zunächst der Frage nachgegangen werden müsse, wo KI einer Regulierung überhaupt bedürfe.
David Saive beschäftigte sich mit der Frage nach, ob eine gelungene Regulierung durch bloße Gleichstellung erfolgen könne, um den Prozess von Digitalisierung zu erleichtern. Unter dem Vortragsthema „Funktionsäquivalenz als Beispiel gelungener Regulierung“ präsentierte Saive ein Beispiel für eine gelungene Regulierung der immer weiter fortschreitenden Digitalisierung des Alltags anhand des Seerechts. Saive erläuterte die gesetzlich vorgenommen Digitalisierung transportrechtlicher Traditionspapiere als Beispiel einer gelungenen Digitalisierung. Den herkömmlichen papiergestützten Traditionspapieren sei nunmehr ihr digitales funktionelles Äquivalent gleichgestellt.
Im anderen Side-Track referierten Dr. Martin Fries und Jens Milker.
Dr. Martin Fries leitete seinen Vortrag zum Robo Judge mit den derzeitigen, durchweg analogen richterlichen Aufgaben ein. Basierend auf der bereits bestehenden Plausibilitätsprüfung für die Steuererklärung über “Elster”, fordert Fries unter dem Motto “Let’s Elsterize our courts” die Justiz vernünftig zu digitalisieren.
Jens Milker ging der Frage nach, ob die Polizei Nutzer auf Twitter blockieren darf. Hierbei ging er zunächst darauf ein, dass das Blockieren auf Twitter als „virtuelles Hausrecht” verstanden werden könne, um auch auf Twitter für Ordnung zu sorgen und zum Beispiel strafrechtlich relevante Inhalte stoppen könne. Ferner ging Milker auf eine mögliche Netiquette ein, die stets verfassungskonform auszulegen sei. Zum Abschluss stellt er Möglichkeiten für eine mögliche Gesetzgebung vor.
In diesem Panel diskutierte Prof. Niko Härting mit den Panelisten über die Notwendigkeit eines möglichen „Algorithmengesetzes” und möglichen Anforderungen.
Peter Schaar stellte zunächst klar, dass er noch keinen Durchbruch bei künstlicher Intelligenz sehe, weil die Fehlerrate der Algorithmen noch zu hoch sei. Darum sei ein Gesetz für künstliche Intelligenz zu früh. Allerdings habe die DSGVO bereits Anforderungen, die ebenfalls ausgelegt werden müssten, wie zum Beispiel die Informationspflichten und die Frage der Verantwortlichkeit.
Renate Künast betonte, dass Details nicht unbedingt nur Endbenutzer offengelegt werden müssten, sondern auch durch „Digitale Watchdogs” in Erfahrung gebracht werden könnten. Im Rahmen eines „Ethics by design” könne man die Transparenz von Algorithmen weiter verstärken, schlug Künast vor.
Holger Volland veranschaulichte besonders die gesellschaftliche Sicht: Nutzer hätten Angst vor der neuen Technologie und somit Probleme mit ihrer Akzeptanz. Man bräuchte erst einen „Gesellschaftlichen Lackmustest”, der die Technologie so vermittele, dass Menschen mitgenommen werden und nicht obskuren Ängsten ausgesetzt seien. Am Ende bräuchte es aber kein eigenes Gesetz, sondern eine Ergänzung aller Gesetze.
Lorena Jaume-Palasi betonte, man müsse Transparenz nicht nur auf die mathematische Formel des Algorithmus legen, sondern den gesamten Prozess betrachten. Ferner verwies sie auf bestehende Algorithmusgesetze, die zwar nicht das Wort „Algorithmus” beinhalteten, aber bereits sektoral zu Anwendung kämen.
Am Sonntag Morgen startete das Panel zur Digitalisierung des Kartellrechts „Hipster Antitrust“, modertiert von Sebastian Louven.
Den Auftakt machte Prof. Dr. Nikolas Guggenberger, der sogleich mangelnde Ursachenbekämpfung hinsichtlich sozialer Netzwerke anmahnte.
Er betonte jedoch, dass das Kartellrecht nicht die Lösung für eine Vielzahl bestehender Probleme in digitalen Netzwerken sein könne. Guggenberger ging zunächst auf die Diskussion einer Datensteuer ein, die er befürwortete, sofern man diese von den externen Posten abhängig machen würde, so wie dies bei der Umweltsteuer der Fall sei. Dies sei ein Ansatz, der weiterverfolgt werden sollte Sodann diskutierte Guggenberger die Anwendung eines Umweltrechts für „Ökosysteme“ wie Facebook & Co. Die Anwendung umweltrechtlicher Instrumente für soziale Netzwerke würde dazu führen, dass derjenige die Lasten träge, der sie verursacht habe, so Guggenberger. Gerade umweltrechtliche Instrumente seien den vorherrschenden Phänomen ähnlich.
Im Anschluss gingen Dr. Max Klasse und Dr. Anna Blume Huttenlauch auf den Begriff des „Hipster Competition Law“ ein. Anhand diverser Fälle zeigten sie die aktuellen kartellrechtlichen Problemschwerpunkte auf. Blume Huttenlauch und Klasse gaben sodann einen Überblick über die neuen kartellrechtlichen Herausforderungen mehrseitiger Plattformmärkte, die eine Marktabgrenzung erschweren. Weiterhin gingen sie auf die Bedeutung von Daten ein. Daten können – wie Netzwerkeffekte – Marktzutrittsschwellen darstellen, betonten Blume Huttenlauch und Klasse. Auch gingen sie der Frage nach, ob Algorithmen wettbewerbswidrige Vereinbarungen und abgestimmtes Verhalten erleichtern können.
Unter der Moderation von Adrian Schneider eröffnete Daniel Schätzle das Panel zur IT-Sicherheit und ging im Rahmen seines Vortrags der Frage nach, ob die Notwendigkeit der Schaffung eines Rechts für die Sicherheit von Informationen und Daten bestehe oder nicht die bereits existenten gesetzlichen Regelungen ausreichend seien. Schätzle widmete sich zunächst der Bedeutung von Daten – und IT-Sicherheit und zeigte anhand aktueller Beispiele auf, dass die bereits existierenden – gesetzlichen – Regelungen einen ausreichenden Schutz ermöglichen. IT-Sicherheitsrecht funktioniere und sei insbesondere flexibel auf den ständig fortschreitenden technischen Wandel.
Markus Drenger beleuchtete unter dem Motto „Was ist eigentlich IT-Sicherheit?“ die informationstechnische Seite von Informationssicherheit und zeigte auf, was der Begriff IT-Sicherheit umfasst. Drenger ging zunächst auf das Hacking ein und hob hervor, dass vor allem bei medizinischen Produkten erhebliche Sicherheitslücken bestünden. Überdies zeigte er Hacking Szenarien hinsichtlich von Hardware, Software und Informationen auf. So könnten Gefahren in der Fehlbedienung, in Softwarefehlern oder in Gestalt von Angreifern (Wirtschaftsspionage, Erpressung, etc.) bestehen. Drenger betonte, dass Software (bislang) nicht fehlerfrei sei. Ein Schutz für Wirtschaft und Öffentlicher Hand könne darin bestehen, das Update-Garantien etabliert werden. Diese könnten dazu führen, dass Software-Updates turnusmäßig erfolgen und so eine Schutzerhöhung stattfinden könne. Ferner sprach sich Drenger für eine Codehinterlegung aus, sodass im Falle einer Hacking-Attacke schneller reagiert werden könne.
Wir haben zu danken! Die #soko ist schlicht eine der besten und coolsten Tagungen auf dem Veranstaltungskalender. Die #soko18 hat’s mal wieder bewiesen. War uns eine Ehre, ein bisschen mitwirken zu dürfen! Wir freuen uns auf die #soko19. https://t.co/ibxu3sYzEh
— AKIT (@AKIT_Recht) July 1, 2018
Jörn Erbguth und Mark Gebauer referierten über die Potentiale und der bestehenden und möglichen Regulierung autonomer Kryptowährungen. In seinem Vortrag erläuterte Erbguth zunächst die Funktionsweise und Chancen von Kryptowährungen und befasste sich danach mit den Auswirkungen der Regulierung von Kryptowährungen. Gebauer gab einen Überblick über die derzeitige Rechtslage von Kryptowährungen und verdeutlichte bereits bestehende Ansätze, wie Kryptowährungen rechtlich eingeordnet werden könnten. Die Referenten schlossen mit dem Fazit, dass es noch einige Zeit bräuchte, bis es Klarheit zu Kryptowährungen gebe.
Können sich Facebook, Youtube & Co auf Grundrechte berufen? Prof. Dr. Tobias Gostomzyk referierte im Anschluss unter dem Thema „Art. 5a GG? Zur Grundrechtsträgerschaft sozialer Netzwerke“ über die Grundrechtsträgerschaft sozialer Netzwerke. Er fokussierte sich zunächst auf die Frage, wie soziale Netzwerke zu definieren sind, um anhand dieser Definition eine rechtliche Einordnung zu wagen. Sodann untersuchte er eine Grundrechtsträgerschaft über Art. 19 Abs. 3 GG sowie eine grundrechtliche Zuordnung sozialer Netzwerke über Art. 5 Abs. 1 GG. Weiterhin stellte Gostomzyk Lösungsmodelle vor: Zum einen könne ein Schutz über Art. 5 Abs. 1 GG (mittelbar/ unmittelbar) oder ein Schutz durch Grundrechtsinnovation des Bundesverfassungsgerichts über Art. 5 Abs.1 GG bestehen. Weiterhin diskutierte er die Schaffung eines Art. 5a GG zur Grundrechtsträgerschaft von Facebook, Youtube & Co, welche er jedoch im Ergebnis ablehnte.
Dr. Johanna Spiegel setzte sich mit den Verpflichtungen
sozialer Netzwerke auseinander. Ihr „Überblick” zum Prüfverfahren einer Beschwerde ließ bereits vermuten, dass Unternehmen durch die Vorgaben des NetzDG vor keine leichte Aufgabe gestellt wurden. Im anschließenden Podiumsgespräch bestätigte Spiegel, dass die Unternehmen viel Verwaltungsorganisation hätten und der Druck, der auf den Unternehmen laste, dazu führe, dass Beiträge eher gelöscht werden, selbst wenn sie rechtmäßig sind.
Die anschließende Publikumsfrage, ob das NetzDG verfassungswidrig sei, bejahten Spiegel und ihr Vorredner Gostomzyk ohne Zögern.
Die diesjährige Telemedicus Sommerkonferenz fand ihren Abschluss in einem Schlusswort von Adrian Schneider, der sich sich nochmals bei den Sponsoren und dem gesamten Team vom Telemedicus sowie den Referenten bedankte.