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Das Ende von StudiVZ

Die deutsche Facebook-Kopie StudiVZ scheint kurz vor dem Aus zu stehen. Schon lange lag das Social Network im Sterben. Zu mächtig war Facebook, das zunächst Vorbild von StudiVZ war, später aber zum übermächtigen Konkurrenten wurde. Noch bleiben sowohl StudiVZ als auch MeinVZ am Netz. Die neue Strategie der VZ-Netzwerke, die künftig auch ihren Namen ablegen werden, deutet aber auf das endgültige Todesurteil für die ehemals größten deutschen Social Networks hin. Während für SchülerVZ ein neues Konzept vorliegt, scheint für StudiVZ und MeinVZ das Ende besiegelt zu sein.

Der Niedergang von StudiVZ hat viele Gründe. Skandale, Fehlentscheidungen und Innovationsstau haben sicher zum Niedergang beigetragen. Doch auch das Datenschutzrecht hat StudiVZ das Leben schwer gemacht. Welchen Beitrag hatte der Datenschutz genau? Was lässt sich daraus für die Zukunft lernen?

StudiVZ: Die Vorgeschichte

Schon in den Anfangstagen von StudiVZ machte das soziale Netzwerk schnell wegen Sicherheitslücken von sich reden. Es folgte ein regelrechtes PR-Desaster, als StudiVZ versuchte, seine AGB nachträglich zu ändern – und dabei auch versuchte, den Nutzern eine Einwilligung in die Verarbeitung ihrer Daten unterzuschieben. Es folgten weitere Sicherheitslücken, fragwürdige Werbekampagnen und Ärger um „Bilderklau” durch Journalisten.

Die Geschichte von StudiVZ war also schon von Anfang an durchsetzt von massiven Schwierigkeiten. Und doch sollte alles anders werden, als Anfang 2007 der Holtzbrinck-Verlag StudiVZ und seine Tochtergesellschaften aufkaufte. Die VZ-Netzwerke sollten zu deutschen Vorzeigeprojekten umstrukturiert werden – in enger Zusammenarbeit mit den Datenschutzbehörden. Kaum ein anderes Social Network dürfte derart viel in Datenschutz und Datensicherheit investiert haben, wie StudiVZ & Co. Doch auch diese Datenschutzoffensive half wenig. Trauriger Höhepunkt der Probleme um StudiVZ war der tragische Fall eines jungen Programmierers, der im Herbst 2009 zuerst massenhaft Daten von StudiVZ auslesen konnte und sich offenbar nach einem gescheiterten Erpressungsversuch das Leben nahm.

An vielen dieser Zwischenfälle trug StudiVZ nur indirekte Schuld. Sicherheitslücken kommen vor, sie sind nicht zwingend ein Indikator für verantwortungslosen Umfang mit Daten. Doch durch seine oft schlechte Krisenkommunikation trug StudiVZ dazu bei, das Image des etwas unbeholfenen Netzwerkes heraufzubeschwören, das mit der Verantwortung über die zum Teil sensiblen Daten seiner Nutzer überfordert zu sein schien.

Man muss diese Vorgeschichte kennen, um sich bewusst zu machen, dass StudiVZ einem besonderen Druck ausgesetzt war. Dem Druck, in Sachen Datenschutz alles, aber auch wirklich alles, richtig zu machen.

Der Druck des Datenschutzes

StudiVZ war deshalb gezwungen, dem Datenschutz eine Priorität einzuräumen, wie es wohl kein zweites Social Network tat. Während Facebook den Markt durch kleine und große Innovationen eroberte, schmiedete StudiVZ hauptsächlich an seinem Datenschutzkonzept. Und das durchaus mit Erfolg. Selbst Stiftung Warentest zeigte sich mit dem Datenschutz bei StudiVZ weitgehend zufrieden. Und so sollte der Datenschutz das primäre Argument für das deutsche Netzwerk sein, das in diesem Punkt seinen internationalen Konkurrenten weit voraus war.

Doch die Nutzer sahen das anders: Seit Facebook auf den deutschen Markt drängte, verlor StudiVZ zunehmend Marktanteile. Es lockten Farmville und Mafia Wars, anstatt langweiligem Datenschutz, der dem Nutzer gegenüber hauptsächlich durch lästige Sicherheitsabfragen und Einschränkungen bei den Features begegnete. Es zeigte sich: Datenschutz mag in der Theorie ein starkes Argument sein. In der Praxis aber zählen andere Faktoren.

Es ist eine interessante Beobachtung, die nicht nur bei StudiVZ auffällt: Auch bei Google wettern Nutzer, Daten- und Verbraucherschützer immer wieder über den mangelhaften Datenschutz – häufig zu recht. In den Nutzerzahlen schlägt sich dieser Protest aber kaum nieder. Der Nutzen eines guten Dienstes überwiegt die datenschutzrechtlichen Bedenken.

Die Konsequenzen

Welche Konsequenzen lassen sich daraus ziehen? Die Vorteile des Datenschutzes sind für Nutzer kein zwingendes Kriterium. Datenschutz allein ist in der Praxis kein Argument, um im Konkurrenzkampf um Marktanteile zu bestehen. Die Entscheidung für oder gegen einen Dienst ist eine Abwägung der Vor- und Nachteile. Dabei ist Datenschutz ein Faktor, aber bei Weitem nicht der wichtigste.

Wer daraus schließt, dass Datenschutz ein lästiges Übel ist, liegt aber auch falsch. Auch das zeigt die Geschichte von StudiVZ. Es waren schon die Fehler der frühen Tage, die StudiVZ unter Zugzwang gesetzt haben. Ständig war StudiVZ damit beschäftigt, sein Image als Datenschutz-Dilettant abzuschütteln. Dass sich der Fokus so sehr auf den Datenschutz und weg von eigenen Innovationen abseits des Kopierens von Facebook-Features verschoben hat, hat StudiVZ also zu großen Teilen selbst zu verantworten.

Und dennoch: Besonders im Datenschutz ist der Grat zwischen sinnvoller Aufsicht und schädlicher Überregulierung schmal – ob sie nun vom Gesetz, von den Aufsichtsbehörden oder vom Management verordnet wird. Ein wirksamer und nachhaltiger Datenschutz darf dem Nutzer nicht als lästige Hürde im Netz begegnen. Er muss die Freiheiten des Nutzers schützen, anstatt sie einzuschränken. Dazu braucht es sinnvolle und innovative Konzepte. Es ist einerseits die Aufgabe des Gesetzgebers, das Datenschutzrecht so zu modernisieren, dass es flexibler auf neue Techniken eingehen kann. Andererseits ist es aber auch Aufgabe von Unternehmen, sich diesen Herausforderungen zu stellen. Und genau das ist StudiVZ nicht gelungen.

Das nahende Ende von StudiVZ ist also nicht einfach ein Versagen des Datenschutzes. Aber es zeigt, wie komplex der Zwiespalt zwischen Datenschutz und internationalem Konkurrenzkampf geworden ist und wie fatal es ist, den Faktor Datenschutz von Anfang an zu unterschätzen.

Themenseite zu StudiVZ bei Telemedicus.
StudiVZ & Co – Zwischen Datenschutz und Marktanteilen.
Holtzbrinck beerdigt StudiVZ: Artikel bei Spiegel Online.

, Telemedicus v. 11.06.2012, https://tlmd.in/a/2328

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