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Das Ende des Falles UsedSoft

Still und leiste ist eines der wichtigsten urheberrechtlichen Verfahren der letzten Jahre zu Ende gegangen. Die Rede ist vom Verfahren im Streit zwischen Oracle und UsedSoft, das mit einer Grundsatzentscheidung des EuGH im Jahr 2012 seinen Höhepunkt gefunden hatte und nun überraschend leise zu Ende gegangen ist.

Wie die Kanzlei TCI Rechtsanwälte berichtet, hat UsedSoft seine Berufung zurückgezogen und eine Unterlassungserklärung abgegeben. Nach acht Jahren Rechtsstreit und einem Grundsatzurteil des EuGH zu seinen Gunsten gibt UsedSoft den Fall damit auf. Warum?

Die Vorgeschichte

Hintergrund des Streits in Sachen Oracle gegen UsedSoft war die lange umstrittene Rechtsfrage, ob gebrauchte Software-Lizenzen an Dritte weiterverkauft werden dürfen. UsedSofts Geschäftsmodell besteht darin, von Unternehmen nicht mehr benötigte Software-Lizenzen aufzukaufen und an Dritte weiterzuverkaufen. Bei den meisten dieser Lizenzen geht es um Download-Software. Das heißt, die Software wird nicht auf einem Datenträger verkauft – zum Beispiel einer DVD –, sondern als bloßer Lizenzschlüssel. Die Software selbst können sich Kunden dann vom Server des jeweiligen Herstellers herunterladen.

Um die Echtheit der Lizenzen zu bestätigen und sicherzustellen, dass der Ersterwerber einer Lizenz die jeweilige Software nicht einfach weiter betreibt, obwohl er die Lizenz an UsedSoft verkauft hat, bietet UsedSoft eigene Notarzertifikate an. Diese bestätigen, dass dem Notar eine Erklärung des ursprünglichen Lizenznehmers vorgelegen hat, wonach er rechtmäßiger Inhaber der Lizenzen war, diese nicht mehr benutzt und den Kaufpreis vollständig bezahlt hat.

Unter den Lizenzen, die UsedSoft vertreibt, sind auch mehrere Produkte von Oracle. Und so kam es, wie es kommen musste: Im Jahr 2007 klagte Oracle gegen UsedSoft vor dem LG München und verlangte (vereinfacht), dass UsedSoft den Handel mit gebrauchten Lizenzen von Oracles Produkten unterlässt.

Wesentlicher Streitpunkt war der sog. Erschöpfungsgrundsatz. Danach gilt: Wurde eine Software innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) frei verkauft, kann der Weiterverkauf innerhalb des EWR nicht verboten werden. Über viele Jahre war allerdings streitig, ob das auch für unkörperliche Vervielfältigungen gilt – also für Software, die nicht auf einem Datenträger, sondern ausschließlich als Download vertrieben wird. Hinzu kam: UsedSoft selbst verkauft keine Software, sondern nur Lizenzkeys. Die eigentliche Software müssen sich die Kunden direkt beim Hersteller herunterladen. Die Gerichte hatten deshalb zu klären, ob der Erschöpfungsgrundsatz auch auf einen solchen Fall anwendbar ist.

Die Urteile

Sowohl LG als auch OLG München Entschieden zu Gunsten von Oracle. Argument: UsedSoft vertreibt keine Vervielfältigungsstücke, auf die der Erschöpfungsgrundsatz Anwendung finden könnte, sondern nur Lizenzschlüssel. Auf diese sei der Erschöpfungsgrundsatz aber nicht anwendbar.

Der BGH legte den Fall schließlich im Jahr 2011 dem EuGH vor. Dieser solle entscheiden, wie genau der Erschöpfungsgrundsatz in der Europäischen Richtlinie zum Schutz von Computerprogrammen (2009/24/EG) auszulegen ist. Im Jahr 2012 lieferte der EuGH schließlich mit seiner berühmten UsedSoft-Entscheidung Antworten.

Danach sei der Weiterverkauf von Software-Lizenzen grundsätzlich zulässig, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Das Computerprogramm wurde mit dem Willen des Rechteinhabers innerhalb des EWR in den Verkehr gebracht.
  2. Der ursprüngliche Rechteinhaber hat eine dauerhafte, d.h. zeitlich unbefristete, Lizenz eingeräumt.
  3. Der Rechteinhaber hat für die Lizenz eine angemessene Vergütung erhalten.
  4. Der Ersterwerber (der die Lizenz weiterverkauft) hat seine Kopien des Programms unbrauchbar gemacht.

Auch die Übertragung bereits erhaltener Updates für die Software sei zulässig, vorausgesetzt, dass diese von einem Wartungsvertrag mit dem Ersterwerber erfasst seien.

Mit diesen Maßgaben ging der Fall zurück an den deutschen BGH. Dieser nahm sich des Falls schließlich im Juli 2013 wieder an und verwies den Fall in seiner Entscheidung „UsedSoft II” zurück an das OLG München. Das Gericht müsse nun feststellen, ob die Voraussetzungen, die der EuGH für einen zulässigen Weiterverkauf aufgestellt hatte, auch im konkreten Fall bei UsedSoft erfüllt waren. Dabei gab der BGH dem OLG München noch einige Hinweise mit auf den Weg:

Erstens liege die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen bei UsedSoft. Beim Erschöpfungsgrundsatz handele es sich um eine Ausnahmevorschrift, auf die UsedSoft sich beruft. Deshalb müsse UsedSoft beweisen, dass diese Ausnahme in ihrem Fall auch tatsächlich greift. Zweitens stellte der BGH klar, dass das Notartestat, mit dem UsedSoft die Echtheit der Lizenz, die vollständige Bezahlung und die Löschung der Software beim Ersterwerber dokumentiert, als Beweis nicht ausreicht. Zudem müsse der Ersterwerber der Software sicherstellen, dass die Lizenz auch durch die Nacherwerber nur in dem mit dem Hersteller vereinbarten Umfang genutzt wird.

Vor allem der zweite Zusatz warf viele Zweifel auf: Ist ein Notartestat generell nicht als Beweis geeignet? Geht es um den konkreten Inhalt dieses Testats? Und was genau müsste dort stehen, um es als zulässigen Beweis betrachten zu können? Mit diesen offenen Fragen ging der Fall zurück nach München.

Das Ende des Falls „UsedSoft”

Wie nun die Kanzlei TCI Rechtsanwälte, die Oracle in dem Verfahren vertreten haben, mitteilt, hat sich der jahrelange Streit um UsedSoft nun auf unspektakuläre Weise erledigt. Offenbar hat UsedSoft den weiteren Kampf aufgegeben, seine ursprüngliche Berufung gegen das Urteil des LG München zurückgenommen und eine Unterlassungserklärung abgegeben.

Die genauen Details sind noch nicht bekannt. Wir haben den Volltext des finalen Beschlusses des OLG München bereits beim Gericht angefordert, der genaue Inhalt ist aber derzeit nur als grobe Zusammenfassung bekannt.

Entscheidend war offenbar, dass UsedSoft seiner Darlegungs- und Beweislast für den Eintritt der Erschöpfung nicht nachkommen konnte. UsedSoft sei seiner Darlegungslast „nicht im Ansatz nachgekommen”, zitiert TCI das OLG München. Im Einzelnen habe UsedSoft nicht darlegen können, dass

• die Klägerin ihre Zustimmung zum Download der beklagtenseits beworbenen Softwarelizenzen gegen Zahlung eines Entgelts erteilt hat (BGH a.a.O. Tz. 58 ff. – UsedSoft II),

• die Klägerin ihren Erwerbern ein Recht zur zeitlich unbegrenzten Nutzung der jeweiligen Programmkopie eingeräumt hat (BGH a.a.O. Tz. 61 – UsedSoft II),

• die Nutzung von Updates der Software im jeweiligen konkreten Einzelfall von einem zwischen der Klägerin und dem ursprünglichen Erwerber abgeschlossenen Wartungsvertrag gedeckt sind (BGH a.a.O. Tz. 62 – UsedSoft II),

• der Ersterwerber seine eigene Programmkopie zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs unbrauchbar macht, auf seinem Server mithin keine Vervielfältigung mehr erhalten bleibt (BGH a.a.O. Tz. 63 – 65 – UsedSoft II), so dass eine unzulässige Aufspaltung der Lizenzen ausgeschlossen ist, und

• im jeweiligen Einzelfall sichergestellt ist, dass der Nacherwerber (Kunde der Beklagten) die Programmkopie nur in dem dem Ersterwerber vertraglich gestatteten – bestimmungsgemäßen – Umfang nutzt (BGH a.a.O. Tz. 68 – UsedSoft II).

UsedSoft scheint also nicht in der Lage gewesen zu sein, auch nur für eine der Voraussetzungen des EuGH hinreichende Tatsachen darzulegen. Besonders erstaunlich ist das für die ersten beiden vom Gericht aufgeworfenen Punkte, nämlich die Frage, ob die Software mit Willen des Rechteinhabers als dauerhafte Lizenz in den Verkehr gebracht wurde. Normalerweise sollte sich das recht einfach darlegen und beweisen lassen, wenn die Rechtekette – also Ursprung und Vorbesitzer der Lizenz – sauber dokumentiert sind. Ähnliches gilt für den dritten vom Gericht genannten Punkt zu Updates der Software. Durch Vorlage der Kaufbelege und ggf. der Lizenzbedingungen und Wartungsverträge ließe sich ein Nachweis ohne Weiteres erbringen. Es lässt sich im Moment nur spekulieren, warum UsedSoft selbst ein solch vergleichsweise einfacher Beweis nicht gelungen ist.

Aber auch der letzte vom Gericht genannte Punkt ist durchaus interessant. Wer eine gebrauchte Lizenz verkauft, muss sicherstellen, dass die Lizenzbedingungen, die er mit dem Hersteller der Software abgeschlossen hat, auch gegenüber dem Zweiterwerber gelten. Im Detail ist das bedeutend schwieriger, als es klingt. Denn ein Lizenzvertrag wird zunächst nur zwischen den beim Erstverkauf der Software beteiligten Personen geschlossen, also dem Ersterwerber und dem Hersteller. Ob und in welchem Umfang sich diese vertraglichen Verpflichtungen auch auf einen zunächst unbeteiligten Dritten übertragen lassen, kann im Einzelfall sehr schwierig zu beantworten sein.

Ein abruptes Ende

Noch ist der Beschluss des OLG München nicht im Volltext verfügbar. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sich in den Ausführungen des Gerichts noch weitere Details zum Ende des Falls UsedSoft verbergen – ausgeschlossen ist es aber auch nicht. Im Moment deutet alles darauf hin, dass vor allem eine versäumte Dokumentation für UsedSoft zum Verhängnis wurde. Denn um die Voraussetzungen für einen legalen Zweitverkauf von Software-Lizenzen gerichtsfest nachweisen zu können, ist eine lückenlose Dokumentation der Rechtekette unumgänglich. Viele andere Anbieter von Gebrauchtsoftware haben darauf schon reagiert und bieten neben dem eigentlichen Verkauf von Lizenzen umfassende Beratung und Unterstützung bei der Dokumentation und rechtlichen Absicherung des Verkaufes an.

Dennoch bleiben noch immer viele Fragen offen: In welchem Umfang sind Updates vom Erschöpfungsgrundsatz erfasst? Wie und in welchem Umfang lassen sich die Lizenzbedingungen auf den Zweiterwerber übertragen? Wie genau lässt sich der Beweis dafür führen, dass der Ersterwerber seine Programmkopien gelöscht hat? Und natürlich der Dauerbrenner: Lassen sich die Grundsätze des Falls UsedSoft auch auf andere virtuelle Güter, wie Musik oder E-Books, übertragen?

Auch wenn der Fall UsedSoft nun ein eher abruptes Ende gefunden hat, die Rechtsfragen um den Weiterverkauf von Lizenzen werden uns sicher noch lange beschäftigen.

Der Bericht über das Ende des Verfahrens bei TCI Rechtsanwälte.
Telemedicus zur UsedSoft II-Entscheidung.
Die Themenseite zu UsedSoft bei Telemedicus.

Update:
Ein Sprecher der usedSoft Deutschland GmbH hat mich gebeten, darauf hinzuweisen, dass es sich bei „UsedSoft” in dem hier entschiedenen Fall nicht um die aktuell auf dem Gebrauchtsoftwaremarkt agierende usedSoft Deutschland GmbH handelt, sondern um die inzwischen insolvente HHS usedSoft GmbH. Der Insolvenzverwalter der HHS usedSoft GmbH habe den Rechtsstreit vor dem OLG München aus prozessökonomischen Gründen nicht weiter führen wollen und sei daher der erforderlichen Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen.

Hierzu stelle ich klar: Wenn ich von „UsedSoft” spreche meine ich (offensichtlich) die in dem Rechtsstreit beteiligte Gesellschaft. Die usedSoft Deutschland GmbH führt die Geschäfte der insolventen HHS usedSoft GmbH nach Bekunden ihres Geschäftsführers, jedenfalls in Teilen fort. Ob und inwiefern die Geschäftspraxis heute bei der usedSoft Deutschland GmbH anders ist als bei der HHS usedSoft GmbH kann ich nicht beurteilen. Dass der Insolvenzverwalter der HHS usedSoft GmbH seiner Darlegungs- und Beweislast aus prozessöknomischen Gründen bewusst nicht nachgekommen ist kann wohl sein. Warum die Darlegung des eigenen Geschäftsmodells nennenswerten prozessualen Aufwand bedeuten soll, kann ich jedoch nicht nachvollziehen.

, Telemedicus v. 20.04.2015, https://tlmd.in/a/2940

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