RTL und ProSiebenSat.1 planen eine gemeinsame Fernsehplattform im Internet. Aber: Ist dieses angedachte „deutsche Hulu“ wettbewerbskonform? Eine ausführliche kartellrechtliche Betrachtung.
Die Pläne von RTL und ProSiebenSat.1 zum Aufbau einer Fernsehplattform im Netz
1. Am 06.08.2010 gaben die RTL Deutschland GmbH und die ProSiebenSat.1 Media AG bekannt, dass sie eine zentrale Plattform für Fernseh-Inhalte im Internet schaffen wollen.
Sie planen, ein Gemeinschaftsunternehmen zu errichten und durch dieses eine offene technische Plattform für den zeitversetzten Abruf von TV-Inhalten im Internet zu schaffen. Nutzer sollen so in der Lage sein, Fernsehsendungen im Internet bis zu sieben Tage nach TV-Ausstrahlung zeitversetzt anzusehen, ähnlich wie dies z.B. bei den Mediatheken von ARD und ZDF für deren jeweilige Programminhalte möglich ist.
Vorbild ist offenbar die Plattform „Hulu“, die in den USA am Markt ist (www.hulu.com). Nutzer können dort teils kostenfrei, teils gegen eine monatliche Abo-Gebühr TV-Inhalte der US-Sender zeitversetzt abrufen. Die Plattform wird von dem Gemeinschaftsunternehmen Hulu, LLC betrieben, dessen Hauptmütter die großen US-Fernsehsender NBC Universal, Fox und ABC sowie Walt Disney sind.
In Deutschland bieten bislang mehrere Sender nur auf ihren jeweiligen Webauftritten den zeitversetzten Abruf ihrer Sendungen an. Die Plattform von RTL und ProSiebenSat.1 hat hingegen das Ziel, die Inhalte sämtlicher teilnehmender Stationen zu bündeln und dem Nutzer ein möglichst breites TV-Angebot bereitzustellen. Neben den TV-Programmen der beiden Betreiber (so z.B. RTL, Pro Sieben, Sat 1, n-tv, N24, VOX, Kabel 1) sind auch andere Sender, wie z.B. Das Vierte bereits an einer Teilnahme interessiert. ARD und ZDF beobachten nach eigenen Worten „das Projekt mit Interesse“ – eine Teilnahme scheint jedenfalls nicht ausgeschlossen, sofern das geplante Gemeinschaftsunternehmen von der EU-Kommission als für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt würde. Eine entsprechende Anmeldung bei der Kommission haben beide Unternehmen am 06.08.2010 eingereicht.
Freigabe durch EU-Kommission nach der Fusionskontrollverordnung notwendig
2. a) Die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, das sich mit Aufbau und Betrieb der Plattform befasst, steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Europäischen Kommission. Die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen unterliegt nach Art. 3 Abs. 4 der EG-Fusionskontrollverordnung (VO 138/2004 (EG) – „FKVO“) bei Erreichung der Umsatzschwellenwerte der beteiligten Unternehmen der Fusionskontrolle. Ein solcher Unternehmenszusammenschluss ist bei der EU-Kommission, Generaldirektion Wettbewerb, anzumelden. Die Kommission wiederum entscheidet, ob der Zusammenschluss mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar, unter Auflagen oder Bedingungen vereinbar oder nicht vereinbar ist, Art. 8 FKVO. Wesentliches Kriterium bei dieser Beurteilung ist, ob der Wettbewerb durch den Zusammenschluss am betroffenen Markt behindert wird.
Würden RTL und ProSiebenSat.1 die Plattform betreiben, ohne die Kommission anzurufen, oder würden sie sich über ein Verbot oder eine Auflage hinwegsetzen, könnte die Kommission das Gemeinschaftsunternehmen z.B. entflechten oder andere geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung funktionierenden Wettbewerbs treffen.
Die Vorbilder: HULU und Project Kangaroo
b) Die in Großbritannien geplante Plattform „Kangaroo“ der Hauptsender BBC, ITV und Channel 4 scheiterte bereits 2009 an einem Verbot der britischen Wettbewerbskommission (Competition Commission). Die technische Plattform wurde mittlerweile an den Telekommunikationsnetzbetreiber Arqiva verkauft, der derzeit eine Markteinführung plant.
Auch die US-Plattform Hulu gerät offenbar ins Visier der Kartellwächter. Sowohl aus der Federal Trade Commission (FTC) als auch aus dem Justizministerium wurden zuletzt Stimmen laut, die die Konzentration der Marktmacht der Fernsehsender bei VoD-Angeboten begrenzen wollen. Dies würde auch dem strengeren kartellrechtlichen Ansatz der Obama-Administration entsprechen. Im Gegensatz zum rein präventiv wirkenden EU-Fusionskontrollrecht ist es nach dem US-Antitrustrecht auch durchaus möglich, ein Unternehmen noch nach der Fusion zu entflechten, wenn nämlich dieses Unternehmen gemäß sec. 2 Sherman Act z.B. zur Monopolausdehnung von einem Markt auf einen anderen („monopoly leveraging“) genutzt wird. Eben dies befürchtet offenbar die US-Regierung. In einem Interview kritisierte Präsident Obama bereits 2008 offen die stark oligopolistische Struktur des Medienmarktes, während er das von niedrigen Eintrittsschranken geprägte Internet gleichzeitig für seine Funktion für die in den USA traditionell als sakrosankt betrachtete Meinungsfreiheit (Erster Zusatzartikel zur US Constitution – „Freedom of Speech“) lobte.
Gerade die Erfahrungen in Großbritannien nähren Zweifel an einer Zulässigkeit des deutschen Video-on-Demand (VoD)-Joint Ventures. Immerhin sind die beiden größten deutschen privaten Sender die Unternehmensmütter. Auch die Bedenken aus den USA könnten die Kommission durchaus interessieren. Monopolausdehnung ist ein auch im europäischen Wettbewerbsrecht kritischer Umstand, der bei der Bewertung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt eine erhebliche Rolle spielen kann. Hulu hat einen solchen Transfer im Übrigen in nur zwei Jahren geschafft: Seit 2008 am Markt ist Hulu nach Streaming-Abrufen in den USA mittlerweile an zweiter Stelle hinter YouTube.
RTL und ProSiebenSat.1: Lediglich technische Bereitstellung der Plattform
c) Um wettbewerbsrechtlichen Bedenken entgegenzuwirken, beteuern RTL und ProSiebenSat.1, dass der Tätigkeitsbereich des Unternehmens ausschließlich die technische Bereitstellung der Plattform (Hosting- und Streamingdienste) sein soll. Zudem soll die VoD-Gesellschaft von den Gesellschaftern organisatorisch unabhängig sein. Die Inhalte sollen die teilnehmenden Sender selbstständig redigieren und vermarkten. Für die Inanspruchnahme der Infrastruktur und der Dienstleistungen sollen die teilnehmenden Sender die VoD-Gesellschaft vergüten.
Angesichts dieser recht rudimentären Informationen über die geplante Organisation der VoD-Gesellschaft und ihres Verhältnisses zu den jeweiligen Sendern fällt es derzeit schwer, die fusionskontrollrechtliche Zulässigkeit des Projekts zu beurteilen.
Die kartellrechtliche Prüfung durch die EU-Kommission
3. Es ist davon auszugehen, dass die Kommission im Vorprüfverfahren feststellen wird, dass der Zusammenschluss gemeinschaftsweite Bedeutung hat. Nach eigenem Bekunden der Mütter ist das VoD-Unternehmen auf Dauer angelegt und eine selbstständige wirtschaftliche Einheit. Auch überschreiten die beteiligten Unternehmen die Umsatzschwellenwerte des Art. 1 Abs. 2 FKVO deutlich.
a) Die eigentlich spannende Frage ist, ob der Zusammenschluss mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist. Hier ist nach Art. 2 FKVO danach zu fragen, ob wirksamer Wettbewerb an den betroffenen Märkten erheblich behindert würde. Da es sich um ein Gemeinschaftsunternehmen handelt, ist nicht etwa nur der Markt dieses Unternehmens selbst betroffen, sondern auch die benachbarten Märkte.
Grob gesagt geht es also um mindestens zwei, wenn nicht sogar drei Märkte: Einerseits stellt die Gestellung der VoD-Plattform selbst einen Markt dar (sog. Gestellungsmarkt). Hier bietet das VoD-Unternehmen den teilnehmenden Sendern als Nachfragern eine Infrastruktur zur Verfügung, über die diese ihre Inhalte einspeisen können. Dem vorgelagert ist der Markt für die Inhalte selbst. Anbieter sind hier die Sender, die ihr TV-Content an den Zuschauer bzw. Internetnutzer bringen wollen, aber auch die Werbekunden. Betroffen ist aber auch zumindest indirekt über einen sog. Rückkopplungs- oder Schaukeleffekt der originäre Fernseh- bzw. Rundfunkmarkt, auf dem die Mütter des VoD-Unternehmens durch das Angebot eines solchen Mehrwertdienstes ggf. gesteigerten Zuspruch erhalten könnten, jedenfalls relativ zu den anderen Fernsehsendern.
Zunächst steht die Frage der Marktdefinition im Raum
b) Die Kommission wird in einem ersten Prüfungsschritt zu klären haben, wie diese Märkte zu definieren sind und wer Anbieter und Nachfrager sind. Im zweiten, entscheidenden Schritt wird im Rahmen einer Prognoseentscheidung festgestellt werden müssen, ob auf diesen Märkten auch nach Schaffung der VoD-Plattform noch hinreichende Ausweichmöglichkeiten für die Marktteilnehmer bestehen werden. Sollte hingegen Wettbewerb erschwert werden, muss über Möglichkeiten nachgedacht werden, wie eine solch innovative und vom Konsumenten sicherlich gewünschte Plattform wettbewerbskonform durch das Joint Venture an den Markt gebracht werden kann. Hier wäre die Kommission gehalten, den Zusammenschluss ggf. unter Auflagen freizugeben.
Bei der Definition der jeweiligen Märkte ist nach dem Bedarfsmarktkonzept zu klären, welche Produkte oder Dienstleistungen aus Sicht des Nachfragers funktionell austauschbar sind. Diese bilden dann den Markt.
Der Markt für die Video-on-Demand-Plattform
c) Dass diese Abgrenzung nicht ganz leicht ist, wird bereits deutlich, wenn man sich den Gestellungsmarkt ansieht. Hier geht es darum, ob die neue VoD-Plattform einen eigenen Markt darstellen würde. Aus Sicht des Endverbrauchers, sprich des Internetnutzers, könnten hier die eigenen Websites der Fernsehsender (z.B. ZDF-Mediathek, RTLnow.de) eine Konkurrenz darstellen. Allerdings sind diese Webauftritte beschränkt auf den jeweiligen Programminhalt der Sender. Würde man der EuGH-Rechtsprechung in der Magill-Entscheidung folgen, dürften diese Seiten jeweils für sich einen eigenen Markt darstellen. In Magill ging es um das Angebot des ersten alle Sender enthaltenden TV-Programmführers in Großbritannien. Der EuGH hatte hier jeweils eigene Märkte für die Programminformationen der einzelnen TV-Sender angenommen. Mit anderen Worten: Wer ZDF sehen will, gibt sich mit RTL nicht zufrieden.
Demgegenüber dürfte dann die gemeinsame Plattform für alle Sender ein eigenständiger Markt sein, der sich aber dann vielleicht anderen Video-Streaming-Angeboten im Netz, wie z.B. YouTube oder Maxdome stellen müsste. Ob nun aber deren Angebote wirklich für einen Internetnutzer, der ja eigentlich ein Fernsehprogramm sehen will, austauschbar sind, erscheint zumindest nach dem heutigen Nutzerverhalten eher zweifelhaft. In Zukunft aber – und um diese geht es ja bei der Prognoseentscheidung – könnte das Nutzerverhalten durchaus dahin gehen, dass ein Zuschauer nicht nur zwischen einzelnen Fernsehkanälen umschaltet, sondern auch zwischen einer Fernseh-, einer Film- und einer Videoplattform. Dann jedenfalls dürfte am Gestellungsmarkt keine Wettbewerbsbeschränkung zu befürchten sein. Im gegenteiligen Fall aber schafft die VoD-Plattform durchaus (zunächst) eine monopolistische Einrichtung, nämlich die einzige Plattform, auf der alle TV-Inhalte abrufbar sind. Auch in diesem Fall bleibt aber zweifelhaft, ob wirklich ein dauerhaftes Marktproblem in Form eines natürlichen Monopols entstehen würde, denn die rechtlichen und wirtschaftlichen Schranken für den Aufbau einer weiteren Plattform sind jedenfalls nicht so hoch, dass es nicht auch möglich wäre, mittelfristig einen Konkurrenzdienst aufzubauen. Es ist also nicht anzunehmen, dass am Gestellungsmarkt der Wettbewerb wesentlich beschränkt würde.
Der vorgelagerte Markt der Programminhalte
d) Der vorgelagerte Markt der Programminhalte sieht die teilnehmenden Sender, aber auch andere VoD-Content-Lieferanten als Anbieter. Die Plattform selbst ist hier Nachfrager hinsichtlich der Inhalte, gleichzeitig aber auch Anbieter in Form eines technischen Dienstleisters für die Sender.
An diesem Markt könnte entscheidend sein, inwiefern auch Inhaltslieferanten, die nicht Fernsehsender sind, entweder an der VoD-Plattform teilnehmen können oder zumindest die Möglichkeit haben, ihre Inhalte mit der Plattform zusammenzuschalten, bspw. über Linking oder Hosting. Es ist nach den Erfahrungen mit Hulu in den USA damit zu rechnen, dass bereits die große Marktmacht der beteiligten Unternehmen am Fernsehmarkt dazu führen wird, dass die deutsche VoD-Plattform überaus erfolgreich werden wird und recht schnell zu einer neben YouTube marktstarken Plattform für VoD-Inhalte werden wird.
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass das Internet ein sehr schnelles Medium ist und bei aller Konzentrationstendenz der letzten Jahre immer noch relativ schnell Raum für den Erfolg von Neueinsteigern mit innovativen Produkten liefert. Facebook und Twitter sind da ein ebenso gutes Beispiel wie YouTube. Selbst wenn die neue VoD-Plattform keinen Raum für VoD-Inhalte von Drittanbietern lässt, ist zweifelhaft, ob wirklich der Wettbewerb auf dem VoD-Inhaltsmarkt nachhaltig durch die Allianz der zwei großen Privatsender gefährdet wird.
Es ist nämlich gerade der wirtschaftliche Grund der Sender für den Gang ins Internet, dass sich Seiten wie YouTube und MyVideo oder auch Maxdome wachsender Beliebtheit erfreuen. Gerade bei der werblich interessanten Zielgruppe wandern Zuschauer immer stärker zu den Internetangeboten ab. Durch Projekte wie Google-TV werden diese Inhalte bald wie selbstverständlich auf den ganz normalen Fernsehbildschirm gelangen und die Marktstellung der klassischen Sender angreifen – bis hin zur möglichen Verbindung der Märkte für Fernseh- und Netzinhalte. Sicherlich wird das „deutsche Hulu“ ein ernstzunehmender Konkurrent von Plattformen wie YouTube werden. Ob aber der Wettbewerb ernsthaft gefährdet wird, erscheint zweifelhaft, solange der Markteinstieg für dritte Inhaltsanbieter so leicht bleibt wie bei YouTube oder MyVideo.
Insofern dürfte die neue Plattform weit davon entfernt sein, zu einer „essential facility“ hochstilisiert zu werden. Abgesehen davon, dass meines Erachtens eine kohärente Fallgruppe des Zugangs zu wesentlichen Einrichtungen außerhalb des Sektorkartellrechts nicht existiert und auch überflüssig ist, dürfte der Wettbewerb am Gestellungsmarkt auch offen genug sein, dass genügend Alternativen für die Anbieter von Inhalten zur Verfügung stehen. Die anderslautende Befürchtung der britischen Competition Commission hinsichtlich des Project Kangaroo teile ich nicht.
Risiken für den Wettbewerb
4. Zwei Umstände sehe ich allerdings durchaus kritisch:
Erstens: Die VoD-Plattform hat sicherlich nicht dasselbe unternehmerische Risiko zu schultern, das YouTube in den Anfangstagen hatte. Einerseits sind bekannte und beliebte Inhalte bereits vorhanden und können durch die Ausstrahlung im Fernsehen bereits an einem anderen Markt bekannt gemacht werden. Durch die Fernsehausstrahlung sind die Inhalte im Übrigen bereits im Wesentlichen finanziert. Am sekundären Internetmarkt kommen die Inhalte also prinzipiell kostenneutral, quasi als Abfallprodukt an. Nun ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Schaffung oder der Einkauf der Inhalte bereits sein Marktrisiko am Fernsehmarkt hatte. Andererseits bieten die hohe Bekanntheit der Senderfamilien von RTL und ProSiebenSat.1 auch die Möglichkeit, die Inhalte mit einem sehr großen Vertrauens- und Beliebtheitsvorsprung in den Wettbewerb im Internet zu schicken. Dieser Vorsprung ist aber gerade an einem ganz anderen Markt erwirtschaftet worden und schafft somit eine ungleiche Ausgangslage gegenüber den Konkurrenten im Netz. Eine Teilnahme von ARD und ZDF als gebührenfinanzierte öffentliche Unternehmen ohne vergleichbares Marktrisiko würde diese Problematik eher noch verschärfen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Betreiber der Plattform dann vertikal integriert sind – sie können sich nämlich mit Inhalten selbst beliefern, haben also einen weiteren erheblichen Vorteil durch ihren leichteren Zugang zum Beschaffungsmarkt. Schließlich könnte dieser Vorteil auch noch auf den benachbarten Markt der originären Fernsehdienstleistung rückkoppeln. Schaffen es die beiden Sender nämlich, das „deutsche Hulu“ zu einem Erfolg zu machen, könnten sie den damit verbundenen Werbeeffekt wiederum auf dem Ursprungsmarkt Fernsehen nutzen und hätten spätestens bei einer schrittweisen Verkoppelung von TV und Internet sowohl technisch und in der Marktwahrnehmung einen Pioniervorteil. In der Marketingtheorie spricht man von einem Schaukeleffekt.
Diese Vorteile eröffnen durchaus die Möglichkeit, Wettbewerb auf den benachbarten Märkten auszuschalten. Hieraus aber zu folgern, dass das Joint Venture keine Chance haben darf, würde zu weit gehen. Vielmehr kann eine mögliche Wettbewerbsbeschränkung durch eine interne Regulierung der Zugangsbedingungen weitgehend eingeebnet werden. Ein probates Mittel wäre z.B. eine Preisregulierung, auf die ich noch eingehen werde.
Zweitens: Zwar mag die Zusammenschaltung mit anderen VoD-Plattformen oder der Zugang von Inhaltsanbietern zur Aufrechterhaltung von Wettbewerb nicht notwendig sein. Es ist aber durchaus zu konstatieren, dass der klassische TV-Inhalt schon aufgrund höherer Produktionskosten und journalistischer oder auch künstlerischer Qualität einen anderen Bedarf deckt. Eine aufwändige Dokumentation, ein abendfüllender Spielfilm oder eine Unterhaltungsshow werden sicherlich schon aus wirtschaftlichen Aspekten auch in Zukunft eher über einen Fernsehsender angeboten werden als über ein freies Videoportal wie YouTube. Es kann also durchaus zwischen einem hochqualitativen Marktsegment, das eher von den Fernsehsendern bedient wird, und einem freien, qualitativ breit gestreuten Segment unterschieden werden. Auf ersterem Segment aber haben RTL und ProSiebenSat.1 zusammengenommen einen Marktanteil von über 50% und könnten durch den Zusammenschluss den Wettbewerb auf einem wesentlichen Teil des Marktes ausschließen. Insofern bleibt die Frage spannend, wie das „deutsche Hulu“ die Zugangsbedingungen für die Anbieter von eigentlichen Fernsehinhalten gestalten wird.
An dieser Stelle muss die bereits angesprochene Selbstregulierung eingreifen. Es muss gewährleistet werden, dass zumindest jeder interessierte Fernsehsender unter nichtdiskriminierenden Bedingungen mit seinen Inhalten Zugang zur Plattform erhält. Dass technische Voraussetzungen erfüllt werden müssen, versteht sich von selbst. Was aber ist mit qualitativen Bedingungen? Es mag sein, dass ein Interesse besteht, das Spätprogramm bspw. von Sport1 oder 9Live auszublenden. Auch fragt sich, ob nicht auch ausländische Sender, die in Deutschland Zuschauer haben (z.B. CNN, TRT, RAI), Zugang erhalten sollten. Zudem haben die Betreiber natürlich ein Interesse daran, ihre eigenen Inhalte zu bevorzugen. Um von vornherein auszuschließen, dass Drittanbieter gegenüber den Betreibern diskriminiert werden, wäre denkbar, dem Gemeinschaftsunternehmen aufzugeben, einen Beirat zu gründen. Dieser könnte dann so besetzt werden, dass Vertreter aller teilnehmenden Sender, aber auch Vertreter der Öffentlichkeit paritätisch über den Zugang entscheiden. Ausgeschlossen werden sollte, dass die Betreiber in dem Gremium einen beherrschenden Einfluss ausüben können. Einen ähnlichen Weg ist die Kommission in der Toll Collect-Entscheidung gegangen.
Weiterhin muss sichergestellt sein, dass die Zugangsinteressenten jederzeit über alle technischen Informationen verfügen, die für einen Zugang notwendig sind. Dies hatte die Kommission z.B. BSkyB und Kirch Pay TV in der sog. d-Box-Entscheidung abverlangt.
Wettbewerbsbeschränkung mittels Preispolitik?
Schließlich muss auch die Preispolitik so gestaltet werden, dass die Betreiber keinen wettbewerbsbeschränkenden Vorteil gegenüber den Drittanbietern haben. Hierbei ist einerseits zu beachten, dass RTL und ProSiebenSat.1 einen erheblichen Aufwand betreiben müssen, um die Plattform zu entwickeln und zu vermarkten. Diesen Aufwand müssen sie amortisieren und auch eine Rendite für ihr Wagnis erzielen dürfen. Andererseits wäre es auch falsch zu fordern, dass die Muttergesellschaften ihre Inhalte kostenlos einspeisen dürfen, da hieraus wieder eine Querfinanzierung des vorgelagerten Fernsehmarktes möglich wäre, und zwar unter (ungewollter) Mithilfe der Konkurrenz, die mit ihren Inhalten die Plattform bereichert und auch noch dafür zahlt.
Fazit
5. Das „deutsche Hulu“ ist ein überaus spannendes Projekt. Der deutsche Internetnutzer kann sich hier auf einen wirklichen Fortschritt freuen. Es bleibt zu hoffen, dass die Betreiber auch die zukünftige Vielfalt der Fernsehinhalte, die nur an einem funktionierenden Markt entstehen kann, berücksichtigt. So nämlich könnte tatsächlich ein deutsches Hulu entstehen – und nicht wie das britische Kangaroo enden.