Am vergangenen Freitag hat die EU-Kommission das ACTA-Abkommen dem EuGH vorgelegt. Der EuGH soll in einem Verfahren nach Art. 218 Abs. 11 AEUV prüfen, ob ACTA mit dem Primärrecht vereinbar ist. Wie wird das Verfahren ablaufen, und welche Ziele hat es? Telemedicus beantwortet die wichtigsten Fragen.
Die EU-Kommission reagiert auf die erheblichen Proteste in den Mitgliedsstaaten. Sie will das Abkommen nun vom EuGH prüfen lassen, um eine größere Akzeptanz der Bürger von ACTA erreichen: Bis jetzt befürchten Kritiker, dass das Abkommen zu einer Überwachung und Zensur des Internets führt. Durch das Urteil des EuGH hofft die Kommission, das Gegenteil zu beweisen.
Gleichzeitig hoffen die ACTA-Unterstützer um EU-Handelskommissar Karel de Gucht auch darauf, durch das Verfahren etwas Zeit zu gewinnen: Je länger die wütenden Anti-ACTA-Proteste zurückliegen, desto größer sind die Chancen des Abkommens im EU-Parlament. Aus diesem Grund kritisieren die ACTA-Gegner das EuGH-Verfahren auch als „Zeitspiel”.
Der EuGH soll klären, inwieweit ACTA mit dem europäischem Primärrecht vereinbar ist. Das Europäische Primärrecht besteht aus dem EU-Vertrag, aus dem Ausführungsvertrag zum EU-Vertrag (AEUV) und aus der Europäischen Grundrechtecharta. Bei ACTA wird es wohl vor allem um die Charta gehen, d.h. um die Frage, ob ACTA mit den EU-Grundrechten vereinbar ist. Das Verfahren ähnelt insofern den Verfassungsbeschwerden, die in Deutschland vom Bundesverfassungsgericht geprüft werden.
Die Frage der Kommission lautet konkret:
Ist das Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen (›ACTA‹) vereinbar mit den Europäischen Verträgen, insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union?
Konzentrieren wird sich der EuGH wahrscheinlich auf die umstrittensten Teile von ACTA:
• Kapitel II Abschnitt 5 (Durchsetzung von Urheberrechtsverletzungen im digitalen Umfeld);
• Abschnitt 4, Art. 23 (strafbare Handlungen);
• Kapitel III, Art. 29 (Maßnahmen an Grenzübergängen);
• Kapitel IV, Art. 34 (internationale Datenverarbeitungen).
Das Verfahren kann nun 12 bis 18 Monate dauern. Wie es dann weitergeht, hängt von der Entscheidung des EuGH ab: Wenn der Gerichtshof das Abkommen für europarechtskonform erklärt, ist es rechtmäßig – ob es auch politisch erwünscht ist, muss dann noch geklärt werden. Wenn der EuGH das Abkommen für EU-rechtswidrig erklärt, müssen entweder das Abkommen selbst oder die EU-Verträge abgeändert werden. Letzteres ist unwahrscheinlich: ACTA wäre also gescheitert.
Stimmt das Parlament gegen das Abkommen, wäre das Abkommen unmittelbar gescheitert. Ob das Verfahren dann noch weiterläuft, entscheiden dann die Kommission und der EuGH.