Meine Arbeit zum Begriff der Chilling Effects geht weiter. Im folgenden Eintrag habe ich Rechtsprechung zitiert, in der die Chilling Effects in Bezug genommen werden. Die Sammlung enthält Entscheidungen, die entweder direkt den Begriff „Chilling Effects” verwenden, oder ähnlich formulieren. Die relevanten Formulierungen habe ich fett hervorgehoben. Die Urteile werden an dieser Stelle nur wiedergegeben; eine Einordnung und Systematisierung dieser Sammlung werde ich in einem späteren Artikel vornehmen.
Dieser Beitrag wird aktualisiert, sobald ich neue Entscheidungen entdecke. Gerne freue ich mich auch über Hinweise auf Entscheidungen, entweder per E-Mail oder in den Kommentaren.
BVerfGE 7, 198 – Lüth
Rn. 41 = BVerfGE 7, 198, 211:
Der Beschwerdeführer befürchtet, daß durch Beschränkung der Redefreiheit einem einzelnen gegenüber die Gefahr heraufgeführt werden könnte, der Bürger werde in der Möglichkeit, durch seine Meinung in der Öffentlichkeit zu wirken, allzusehr beengt und die unerläßliche Freiheit der öffentlichen Erörterung gemeinschaftswichtiger Fragen sei nicht mehr gewährleistet. Diese Gefahr besteht in der Tat (vgl. dazu Ernst Helle, Der Schutz der persönlichen Ehre und des wirtschaftlichen Rufes im Privatrecht, 1957, S. 65, 83-85, 153).
BVerfGE 43, 130 – Flugblatt
Rn. 17 = BVerfGE 43, 130, 136:
Auch wenn lediglich eine Geldstrafe verhängt wird, ist in Fällen der vorliegenden Art eine Bestrafung als Sanktion kriminellen Unrechts bereits für sich genommen von größerer Intensität als eine zivilgerichtliche Verurteilung zu Unterlassung, Widerruf oder Schadenersatz. Hier kommt hinzu, daß der mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemachte Grundrechtseingriff schwerwiegend ist: Wenn dem Beschwerdeführer mit der Feststellung einer „versteckten“ Tatsachenbehauptung durch das Landgericht eine Äußerung in den Mund gelegt worden ist, die er nicht getan hat, und wenn er gleichwohl bestraft worden ist, so wäre dies ein Eingriff von hoher Intensität, der den Kern der grundrechtlich geschützten Persönlichkeitssphäre treffen muß. Über die Beeinträchtigung der individuellen Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers hinaus würden die negativen Wirkungen auf die generelle Ausübung des Grundrechts der Meinungsfreiheit von erheblicher Tragweite sein (vgl. BVerfGE 42, 143 [156] – abw Meinung). Denn ein solches Vorgehen staatlicher Gewalt würde, nicht zuletzt wegen seiner einschüchternden Wirkung, freie Rede, freie Information und freie Meinungsbildung empfindlich berühren und damit die Meinungsfreiheit in ihrer Substanz treffen.
BVerfGE 54, 129 – Kunstkritik
Rn. 21 = BVerfGE 54, 129, 135 f.
Im vorliegenden Fall haben die Gerichte eine Sanktion verhängt, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur auszusprechen ist, wenn den Schädiger der Vorwurf schwerer Schuld trifft oder wenn es sich um eine erheblich ins Gewicht fallende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen handelt (BGHZ 35, 363 [366 ff.] – Ginsengwurzel; BGH LM Nr 42 zu § 847 BGB). Anders als etwa das beschränkte Verbot, eine bestimmte ehrverletzende Formulierung wörtlich zu wiederholen (BVerfGE 42, 143 [149 f.]), hat eine solche Sanktion zur Folge, daß die Kundgabe von Meinungen, also von Gedanken, behindert wird, mit denen der Äußernde einen Beitrag zu der durch Art 5 Abs 1 GG geschützten geistigen Auseinandersetzung leisten will. Denn die Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld führt nicht nur zu einer Genugtuung für eine in der Vergangenheit liegende Ehrverletzung. Sie entfaltet unvermeidlich präventive Wirkungen, indem sie das Äußern kritischer Meinungen einem hohen finanziellen Risiko unterwirft; dadurch kann sie die Bereitschaft mindern, in Zukunft Kritik zu üben, und auf diese Weise eine Beeinträchtigung freier geistiger Auseinandersetzung bewirken, die an den Kern der grundrechtlichen Gewährleistung rühren muß. An die Verfassungsmäßigkeit eines solchen Eingriffs sind daher strenge Anforderungen zu stellen: Neben der Frage, ob die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen läßt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen (BVerfGE 18, 85 [93]), können auch einzelne Auslegungsfehler nicht außer Betracht bleiben (vgl. BVerfGE 42, 163 [169]; 43, 130 [136]).
BVerfGE 65, 1 – Volkszählungsurteil
Rn. 154 = BVerfGE 65, 1, 43:
Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden. Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Wer damit rechnet, daß etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und daß ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art. 8, 9 GG) verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.
BVerfGE 73, 118 – Niedersachsen / 4. Rundfunkurteil
Rn. 208 = BVerfGE 73, 118, 183:
Werden, wie im Niedersächsischen Landesrundfunkgesetz, die Entscheidung über den Zugang, die Auswahl sowie die Rücknahme und den Widerruf der Erlaubnis oder die maßgebliche Mitwirkung an diesen Entscheidungen einer staatlichen Behörde übertragen, so ist hiernach ein wirksamer Schutz der Programmfreiheit der privaten Veranstalter nur bei strengen Anforderungen gewährleistet: Der staatlichen Behörde dürfen keine Handlungs- und Wertungsspielräume eingeräumt sein, die es ermöglichen, daß sachfremde, insbesondere die Meinungsvielfalt beeinträchtigende Erwägungen Einfluß auf die Entscheidung über den Zugang privater Interessenten zum Rundfunk gewinnen können. Das gilt um so mehr, als sich derartige Wertungsfreiräume nicht nur auf die konkrete Entscheidung, sondern bereits im Vorfeld als Druckmittel oder gar als „Selbstzensur“ auf Interessenten oder Veranstalter auswirken können
BVerfGE 93, 266 – Soldaten sind Mörder
Rn. 113 = BVerfGE 93, 266, 292:
Auf der Stufe der Normauslegung erfordert Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG eine im Rahmen der Tatbestandsmerkmale der betreffenden Gesetze vorzunehmende Abwägung zwischen der Bedeutung einerseits der Meinungsfreiheit und andererseits des Rechtsguts, in dessen Interesse sie eingeschränkt worden ist. Damit ist eine Interpretation von § 185 StGB unvereinbar, die den Begriff der Beleidigung so weit ausdehnt, daß er die Erfordernisse des Ehren- oder Institutionenschutzes überschreitet (vgl. BVerfGE 71, 162 [181]) oder für die Berücksichtigung der Meinungsfreiheit keinen Raum mehr läßt (vgl. BVerfGE 43, 130 [139]). Desgleichen verbietet Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG eine Auslegung der §§ 185 ff. StGB, von der ein abschreckender Effekt auf den Gebrauch des Grundrechts ausgeht, der dazu führt, daß aus Furcht vor Sanktionen auch zulässige Kritik unterbleibt (vgl. BVerfGE 43, 130 [136]; stRspr).
BVerfGE 94, 1 – DGHS
Rn. 30 = BVerfGE 94, 1, 9:
Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen ist allerdings, daß ihr Sinn vom Gericht zutreffend erfaßt worden ist. Fehlt es bei der Verurteilung wegen eines Äußerungsdelikts daran, so kann das im Ergebnis zur Unterdrückung einer zulässigen Äußerung führen, also gerade zu derjenigen Folge, die Art. 5 Abs. 1 GG zu verhindern bestimmt ist. Überdies droht sich eine solche Verurteilung nachteilig auf die Ausübung der grundrechtlich gesicherten Freiheit im allgemeinen auszuwirken, weil die Bereitschaft sich zu äußern abnimmt, wenn Äußerungswillige selbst wegen fernliegender oder unhaltbarer Deutungen ihrer Äußerungen Sanktionen riskieren (vgl. BVerfGE 43, 130 [136]).
BVerfG NJW 1996, 310 – Fotografieverbot vor Sitzungssaal
BVerfG NJW 1996, 310, 310 f.:
Die Bindungen durch das Grundrecht der Pressefreiheit hindern nicht daran, aus den angeführten Tatsachen die Folgerung zu ziehen, daß Aussagepersonen für den Fall, daß sie eine Veröffentlichung ihres Bildes in den Medien zu erwarten haben, gehemmt oder eingeschüchtert sind und ihr Aussageverhalten deswegen beeinträchtigt sein könnte. Auch denkbare Beeinträchtigungen des staatsanwaltschaftlichen Vorgehens und der richterlichen Entscheidungsfindung fallen als Abwägungsgesichtspunkt ins Gewicht.
BVerfGE 99, 185 – Helwein/Scientology:
Rn. 53 = BVerfGE 99, 185, 197:
Grundsätzlich tritt die Meinungsfreiheit bei unwahren Tatsachenbehauptungen hinter das Persönlichkeitsrecht zurück. Dabei muß aber bedacht werden, daß die Wahrheit im Zeitpunkt der Äußerung oft ungewiß ist und sich erst als Ergebnis eines Diskussionsprozesses oder auch einer gerichtlichen Klärung herausstellt (vgl. BVerfGE 97, 125 [149]). Würde angesichts dieses Umstands die nachträglich als unwahr erkannte Äußerung immer mit Sanktionen belegt werden dürfen, so stünde zu befürchten, daß der Kommunikationsprozeß litte, weil risikofrei nur noch unumstößliche Wahrheiten geäußert werden könnten. Damit wäre ein vom Grundrechtsgebrauch abschreckender Effekt verbunden, der aus Gründen der Meinungsfreiheit vermieden werden muß (vgl. BVerfGE 43, 130 [136]).
BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2007, Az. 1 BvR 943/02 – Gebühren für versammlungsrechtliche Auflagen
Rn. 34 ff.:
a) Der Kostenbescheid und die hierzu ergangenen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte greifen in den Schutzbereich von Art 8 Abs. 1 GG ein.
Betroffen ist eine von Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Versammlung. Der gegenüber dem Beschwerdeführer erlassene Kostenbescheid für den Erlass versammlungsrechtlicher Auflagen greift in die Versammlungsfreiheit des Beschwerdeführers ein, denn Gebühren aus Anlass einer Versammlung können deren Durchführung erschweren und gegebenenfalls Grundrechtsberechtigte von der Ausübung ihres Grundrechts abhalten.
b) Ein solcher auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 KostenG in Verbindung mit Tarif-Nr. 2.II.2/3 KVz erfolgender Eingriff ist jedenfalls dann verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, wenn die Gebühr für eine versammlungsrechtlich begründete Amtshandlung erhoben wird, die nicht an die Verursachung einer dem Betroffenen zuzurechnenden konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung anknüpft.
aa) Eine grundsätzliche Gebührenpflicht für Amtshandlungen aus Anlass von Versammlungen würde dem Charakter des Art. 8 Abs. 1 GG als Freiheitsrecht widersprechen, das nicht unter einem Erlaubnisvorbehalt steht und das Beschränkungen im Sinne des Absatz 2 nur unterworfen werden darf, wenn sie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen (vgl. BVerfGE 69, 315 <353>; 115, 320 <361>).
Beschränkungen des Freiheitsrechts sind daher nur verfassungsgemäß, wenn sie zum Schutz eines mit der Versammlungsfreiheit kollidierenden Rechtsguts geeignet und erforderlich und ferner angemessen sind, weil der Schutz des anderen Rechtsguts gegenüber der Versammlungsfreiheit im konkreten Fall vorrangig ist. Ob dies der Fall ist, muss unter Beachtung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit für eine Demokratie geklärt werden. Insbesondere dürfen Beschränkungen nicht einschüchternd auf die Ausübung des Grundrechts wirken.
Diese allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen sind auch für die Auslegung und Anwendung einer an den Erlass von versammlungsrechtlichen Auflagen anknüpfenden Kostenregelung maßgebend. Eine solche Kostenregelung wirkt sich mittelbar einschränkend auf die Ausübung der Versammlungsfreiheit aus und unterliegt deshalb eigenständig zu bestimmenden Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
BVerfGE 100, 313 – Telekommunikationsüberwachung I
Rn. 234 = BVerfGE 100, 313, 381:
Die Nachteile, die objektiv zu erwarten sind oder befürchtet werden müssen, können schon mit der Kenntnisnahme eintreten. Die Befürchtung einer Überwachung mit der Gefahr einer Aufzeichnung, späteren Auswertung, etwaigen Übermittlung und weiteren Verwendung durch andere Behörden kann schon im Vorfeld zu einer Befangenheit in der Kommunikation, zu Kommunikationsstörungen und zu Verhaltensanpassungen, hier insbesondere zur Vermeidung bestimmter Gesprächsinhalte oder Termini, führen. Dabei ist nicht nur die individuelle Beeinträchtigung einer Vielzahl einzelner Grundrechtsträger zu berücksichtigen. Vielmehr betrifft die heimliche Überwachung des Fernmeldeverkehrs auch die Kommunikation der Gesellschaft insgesamt. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht dem – insofern vergleichbaren – Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch einen über das Individualinteresse hinausgehenden Gemeinwohlbezug zuerkannt (vgl. BVerfGE 65, 1 [43]).
BVerfGE 109, 279 – Großer Lauschangriff
Rn. 258 = BVerfGE 109, 279, 354 f.:
Die heimliche Überwachung des nichtöffentlich gesprochenen Wortes in Wohnungen betrifft nicht nur den Einzelnen, sondern kann sich auch auf die Kommunikation der Gesellschaft insgesamt auswirken. Von der Möglichkeit zur akustischen Wohnraumüberwachung können Einschüchterungseffekte ausgehen, denen insbesondere auch der Unverdächtige ausgesetzt ist, weil auch er nach den gesetzlichen Regelungen jederzeit und ohne sein Wissen von der Ermittlungsmaßnahme betroffen werden kann. Allein die Befürchtung einer Überwachung kann aber schon zu einer Befangenheit in der Kommunikation führen. Art. 13 GG schützt den Einzelnen vor staatlichen Eingriffen in die räumliche Privatsphäre und gewährleistet damit in seinem objektivrechtlichen Gehalt die Vertraulichkeit der Kommunikation auch in ihrer gesamtgesellschaftlichen Bedeutung. Die zum Schutze des einzelnen Grundrechtsträgers geschaffenen verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorkehrungen kommen auch dem Vertrauen der Allgemeinheit in eine grundrechtsschonende Überwachungspraxis zugute (vgl. BVerfGE 107, 299 [328]).
BVerfGE 113, 29 – Anwaltsdaten
Rn. 84 = BVerfGE 113, 29, 46:
Ein von der Grundrechtsausübung abschreckender Effekt fremden Geheimwissens muss nicht nur im Interesse der betroffenen Einzelnen vermieden werden. Auch das Gemeinwohl wird hierdurch beeinträchtigt, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist (vgl. BVerfGE 65, 1 [43]).
BVerfGE 114, 339 – Stolpe
Rn. 33 = BVerfGE 114, 339, 349:
Das Bundesverfassungsgericht geht bei der Überprüfung von straf- oder zivilrechtlichen Sanktionen wegen in der Vergangenheit erfolgter Meinungsäußerungen von dem Grundsatz aus, dass die Meinungsfreiheit verletzt wird, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zu einer Verurteilung führende Bedeutung zu Grunde legt, ohne vorher mit schlüssigen Gründen Deutungen ausgeschlossen zu haben, welche die Sanktion nicht zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerfGE 82, 43 [52]; 93, 266 [295 ff.]; 94, 1 [9]). Lassen Formulierungen oder die Umstände der Äußerung eine nicht das Persönlichkeitsrecht verletzende Deutung zu, so verstößt ein Strafurteil oder ein die Verurteilung zum Schadensersatz, zum Widerruf oder zur Berichtigung aussprechendes zivilgerichtliches Urteil nach dieser Rechtsprechung gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 43, 130 [136]; 93, 266 [296] — zur strafrechtlichen Verurteilung; BVerfGE 85, 1 [18]; 86, 1 [11 f.] — zur zivilrechtlichen Verurteilung). Müsste der sich Äußernde befürchten, wegen einer Deutung, die den gemeinten Sinn verfehlt, mit staatlichen Sanktionen belegt zu werden, würden über die Beeinträchtigung der individuellen Meinungsfreiheit hinaus negative Auswirkungen auf die generelle Ausübung des Grundrechts der Meinungsfreiheit eintreten. Eine staatliche Sanktion könnte in einem solchen Fall wegen ihrer einschüchternden Wirkung die freie Rede, freie Information und freie Meinungsbildung empfindlich berühren und damit die Meinungsfreiheit in ihrer Substanz treffen (vgl. BVerfGE 43, 130 [136]; 54, 129 [136]; 94, 1 [9]).
Das BVerfG argumentiert dann allerdings weiter, ein reiner Unterlassunganspruch sei demgegenüber auch gegen unklare Äußerungen begründet, denn, so das BVerfG: „Dem Äußernden steht es frei, sich in Zukunft eindeutig zu äußern und — wenn eine persönlichkeitsverletzende Deutungsvariante nicht dem von ihm beabsichtigten Sinn entspricht – klarzustellen, wie er seine Aussage versteht.” (Rn. 35). Ein „Einschüchterungseffekt” sei bei dieser Anforderung nicht zu erwarten (Rn. 36).
BVerfGE 115, 166 – Online-Durchsuchung
Rn. 85 ff. = BVerfGE 115, 166, 188:
2. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist von dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgt. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (vgl. BVerfGE 65, 1 [43]).
Das Grundrecht dient dabei auch dem Schutz vor einem Einschüchterungseffekt, der entstehen und zu Beeinträchtigungen bei der Ausübung anderer Grundrechte führen kann, wenn für den Einzelnen nicht mehr erkennbar ist, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Die Freiheit des Einzelnen, aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu entscheiden, kann dadurch wesentlich gehemmt werden.
Ein von der Grundrechtsausübung abschreckender Effekt fremden Geheimwissens muss nicht nur im Interesse der betroffenen Einzelnen vermieden werden. Auch das Gemeinwohl wird hierdurch beeinträchtigt, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist (vgl. BVerfGE 65, 1 [43]).
BVerfGE 120, 378 – Automatisierte Kennzeichenerfassung
Rn. 78 = BVerfGE 120, 378, 402:
Ferner ist bedeutsam, ob der Betroffene einen ihm zurechenbaren Anlass, etwa durch eine Rechtsverletzung, für die Erhebung geschaffen hat oder ob sie anlasslos erfolgt und damit praktisch jeden treffen kann. Informationserhebungen gegenüber Personen, die den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben, sind grundsätzlich von höherer Eingriffsintensität als anlassbezogene (vgl. BVerfGE 100, 313 [376, 392]; 107, 299 [320 f.]; 109, 279 [353]; 113, 29 [53]; 113, 348 [383]; 115, 320 [354]). Werden Personen, die keinen Erhebungsanlass gegeben haben, in großer Zahl in den Wirkungsbereich einer Maßnahme einbezogen, können von ihr auch allgemeine Einschüchterungseffekte ausgehen, die zu Beeinträchtigungen bei der Ausübung von Grundrechten führen können (vgl. BVerfGE 65, 1 [42]; 113, 29 [46]). Die Unbefangenheit des Verhaltens wird insbesondere gefährdet, wenn die Streubreite von Ermittlungsmaßnahmen dazu beiträgt, dass Risiken des Missbrauchs und ein Gefühl des Überwachtwerdens entstehen (vgl. BVerfGE 107, 299 [328]; 115, 320 [354 f.]). Das aber ist gerade bei der seriellen Erfassung von Informationen in großer Zahl der Fall.
BVerfGE 122, 342 – Bayerisches Versammlungsgesetz
Rn. 109 = BVerfGE 122, 342, 358 f.:
Wechselseitige Einflüsse bestehen auch zwischen den Rechten und Pflichten von Veranstalter und Teilnehmern, etwa wenn das an die Teilnehmer gerichtete Militanz- oder Vermummungsverbot (Art. 7 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2 BayVersG) dazu führt und führen soll, dass hierdurch bestimmte Ausgestaltungen von Versammlungen wegen ihrer einschüchternden Wirkung verhindert werden, oder wenn Beobachtungs- und Dokumentationsmaßnahmen in Form von Übersichtsaufzeichnungen die Gesamtveranstaltung in den Blick nehmen und hierbei Teilnehmer an einer unbefangenen Mitwirkung in der vom Veranstalter vorgesehenen Weise hindern.
Rn. 123 = BVerfGE 122, 342, 365:
Die Anwendbarkeit von Bußgeldvorschriften, die den Verstoß gegen diese Pflichten zur Ordnungswidrigkeit erheben, wäre ein Nachteil von ganz besonderem Gewicht. Verbindet sich die Wahrnehmung des Versammlungsrechts in dieser Weise mit einem schwer kalkulierbaren Risiko persönlicher Sanktionen, drohte dies der Inanspruchnahme eines elementaren demokratischen Kommunikationsgrundrechts die Unbefangenheit zu nehmen. Damit verbundene Einschüchterungseffekte wiegen auch für die Zeit bis zur Hauptsacheentscheidung schwer.
Rn. 131 = BVerfGE 122, 342, 369:
Das Bewusstsein, dass die Teilnahme an einer Versammlung in dieser Weise festgehalten wird, kann Einschüchterungswirkungen haben, die zugleich auf die Grundlagen der demokratischen Auseinandersetzung zurückwirken. Denn wer damit rechnet, dass die Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert wird und dass ihm dadurch persönliche Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil die kollektive öffentliche Meinungskundgabe eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten demokratischen und freiheitlichen Gemeinwesens ist (vgl. BVerfGE 65, 1 [43]).
BVerfGE 125, 260 – Vorratsdatenspeicherung
Rn. 212 = BVerfGE 125, 260, 319:
Hierdurch ist die anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten geeignet, ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen, das eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in vielen Bereichen beeinträchtigen kann.
Rn. 233 = BVerfGE 125, 260, 332:
Befugnisse dieser Dienste zur Verwendung der vorsorglich flächendeckend gespeicherten Telekommunikationsverkehrsdaten befördern damit das Gefühl des unkontrollierbaren Beobachtetwerdens in besonderer Weise und entfalten nachhaltige Einschüchterungseffekte auf die Freiheitswahrnehmung.
Rn. 241 = BVerfGE 125, 260, 335:
aa) Eine vorsorglich anlasslose Speicherung aller Telekommunikationsverkehrsdaten über sechs Monate ist unter anderem deshalb ein so schwerwiegender Eingriff, weil sie ein Gefühl des ständigen Überwachtwerdens hervorrufen kann; sie erlaubt in unvorhersehbarer Weise tiefe Einblicke in das Privatleben, ohne dass der Rückgriff auf die Daten für den Bürger unmittelbar spürbar oder ersichtlich ist. Der Einzelne weiß nicht, was welche staatliche Behörde über ihn weiß, weiß aber, dass die Behörden vieles, auch Höchstpersönliches über ihn wissen können.
Der Gesetzgeber muss die diffuse Bedrohlichkeit, die die Datenspeicherung hierdurch erhalten kann, durch wirksame Transparenzregeln auffangen. Regelungen zur Information der von Datenerhebungen oder -nutzungen Betroffenen gehören allgemein zu den elementaren Instrumenten des grundrechtlichen Datenschutzes (vgl.BVerfGE 100, 313 <361>; 109, 279 <363 f.>; 118, 168 <207 f.>; 120, 351 <361 f.> ). Für die Verwendung der umfangreichen und vielfältig aussagekräftigen Datenbestände einer vorsorglich anlasslosen Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung sind insoweit hohe Anforderungen zu stellen. Sie haben zum einen die Aufgabe, eine sich aus dem Nichtwissen um die tatsächliche Relevanz der Daten ergebende Bedrohlichkeit zu mindern, verunsichernden Spekulationen entgegenzuwirken und den Betroffenen die Möglichkeit zu schaffen, solche Maßnahmen in die öffentliche Diskussion zu stellen. Zum anderen sind solche Anforderungen auch aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 10 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG herzuleiten. Ohne Kenntnis können die Betroffenen weder eine Unrechtmäßigkeit der behördlichen Datenverwendung noch etwaige Rechte auf Löschung, Berichtigung oder Genugtuung geltend machen (vgl.BVerfGE 100, 313 <361>; 109, 279 <363>; 118, 168 <207 f.>; 120, 351 <361>).
Siehe dazu auch hier auf Telemedicus.
EGMR v. 06.09.1978, App. no. 5029/71 – Klass and other v. Germany
Rn. 41:
In its report, the Commission expressed the opinion that the secret surveillance provided for under the German legislation amounted to an interference with the exercise of the right set forth in Article 8 para. 1 (art. 8-1). Neither before the Commission nor before the Court did the Government contest this issue. Clearly, any of the permitted surveillance measures, once applied to a given individual, would result in an interference by a public authority with the exercise of that individual’s right to respect for his private and family life and his correspondence. Furthermore, in the mere existence of the legislation itself there is involved, for all those to whom the legislation could be applied, a menance of surveillance; this menace necessarily strikes at freedom of communication between users of the postal and telecommunication services and thereby constitutes an „interference by a public authority“ with the exercise of the applicants’ right to respect for private and family life and for correspondence.
EGMR v. 23.9.1994, App. no. 15890/89 – Jersild v. Denmark
Rn. 35:
News reporting based on interviews, whether edited or not, constitutes one of the most important means whereby the press is able to play its vital role of „public watchdog“ (see, for instance, the above-mentioned Observer and Guardian judgment, pp. 29-30, para. 59). The punishment of a journalist for assisting in the dissemination of statements made by another person in an interview would seriously hamper the contribution of the press to discussion of matters of public interest and should not be envisaged unless there are particularly strong reasons for doing so. In this regard the Court does not accept the Government’s argument that the limited nature of the fine is relevant; what matters is that the journalist was convicted.
EGMR v. 27.3.1996, App. no. 17488/90 – Goodwin v. United Kingdom
Rn. 39:
Protection of journalistic sources is one of the basic conditions for press freedom, as is reflected in the laws and the professional codes of conduct in a number of Contracting States and is affirmed in several international instruments on journalistic freedoms (see, amongst others, the Resolution on Journalistic Freedoms and Human Rights, adopted at the 4th European Ministerial Conference on Mass Media Policy (Prague, 7-8 December 1994) and Resolution on the Confidentiality of Journalists’ Sources by the European Parliament, 18 January 1994, Official Journal of the European Communities No. C 44/34). Without such protection, sources may be deterred from assisting the press in informing the public on matters of public interest. As a result the vital public-watchdog role of the press may be undermined and the ability of the press to provide accurate and reliable information may be adversely affected. Having regard to the importance of the protection of journalistic sources for press freedom in a democratic society and the potentially chilling effect an order of source disclosure has on the exercise of that freedom, such a measure cannot be compatible with Article 10 (art. 10) of the Convention unless it is justified by an overriding requirement in the public interest.
EGMR v. 28.10.1999, App. no. 28396/95 – Wille v. Liechtenstein
Rn. 50:
The right of the applicant to exercise his freedom of expression was interfered with once the Prince, criticising the contents of the applicant’s speech, announced the intention to sanction the applicant because he had freely expressed his opinion. The announcement by the Prince of his intention not to reappoint the applicant to a public post constituted a reprimand for the previous exercise by the applicant of his right to freedom of expression and, moreover, had a chilling effect on the exercise by the applicant of his freedom of expression, as it was likely to discourage him from making statements of that kind in the future.
EGMR v. 29.3.2001, App.no. 38432/97 – Thoma v. Luxembourg
Rn. 51:
The Court must note, however, that the topic raised in the programme was being widely debated in the Luxembourg media and concerned a problem of general interest, a sphere in which restrictions on freedom of expression are to be strictly construed. Accordingly, the Court must exercise caution when, as in the instant case, the measures taken or penalties imposed by the national authority are such as to dissuade the press from taking part in the discussion of matters of public interest (see Jersild, cited above, pp. 25-26, § 35).
EGMR v. 21.3.2002, App. no. 31611/96 – Nikula v. Finland
Rn. 54:
It is true that, following the private prosecution initiated by prosecutor T., the applicant was convicted merely of negligent defamation. It is likewise relevant that the Supreme Court waived her sentence, considering the offence to have been minor in nature. Even though the fine imposed on her was therefore lifted, her obligation to pay damages and costs remained. Even so, the threat of an ex post facto review of counsel’s criticism of another party to criminal proceedings – which the public prosecutor doubtless must be considered to be – is difficult to reconcile with defence counsel’s duty to defend their clients‘ interests zealously. It follows that it should be primarily for counsel themselves, subject to supervision by the bench, to assess the relevance and usefulness of a defence argument without being influenced by the potential “chilling effect” of even a relatively light criminal penalty or an obligation to pay compensation for harm suffered or costs incurred.
EGMR v. 13.11.2003, App. nos. 23145/93 and 25091/94 – Elci and others v. Turkey
Rn. 711:
The Court recalls that it is of the utmost importance for the effective operation of the system of individual petition instituted by former Article 25 (now replaced by Article 34) that applicants should be able to communicate freely with the Convention organs without being subjected to any form of pressure from the authorities to withdraw or modify their complaints (see the ?arli v. Turkey judgment of 22 May 2001, no. 24490/94, § 84). In this context, “pressure” includes not only direct coercion and flagrant acts of intimidation but also other improper indirect acts or contacts designed to dissuade or discourage applicants from pursuing a Convention remedy.
Rn. 714:
The Court accepts that the events to which they were subjected could have had a damaging effect on the applicants‘ professional activities, albeit of a temporary nature. More generally, the Court expresses its concern as to the inevitable chilling effect that this case must have had on all persons involved in criminal defence work or human rights protection in Turkey (see paragraph 669 above).
EGMR v. 29.06.2006, App. no. 54934/00 – Weber and Saravia v. Germany
Rn. 78:
The Court […] reiterates, however, its findings in comparable cases to the effect that the mere existence of legislation which allows a system for the secret monitoring of communications entails a threat of surveillance for all those to whom the legislation may be applied. This threat necessarily strikes at freedom of communication between users of the telecommunications services and thereby amounts in itself to an interference with the exercise of the applicants’ rights under Article 8, irrespective of any measures actually taken against them (see Klass and Others, cited above, p. 21, § 41, and Malone, cited above, pp. 30-31, § 64).
EGMR v. 2.11.2006, App. no. 13071/03 – Standard Verlags GmbH v. Austria
Rn. 49:
By dealing with the interrelationship between a political party and an organisation close to that party on the one hand and the accused of a large-scale fraud case on the other, the article addressed a subject of general interest. It therefore concerned a sphere in which restrictions on freedom of expression are to be strictly construed. Accordingly, the Court must exercise caution when the measures taken by the national authorities are such as to dissuade the press from taking part in the discussion of matters of public interest (see, for instance, Thoma v. Luxembourg, no. 38432/97, § 58, ECHR 2001?III, and Jersild v. Denmark, judgment of 23 September 1994, Series A no. 298, pp. 25-26, § 35).
EGMR v. 3.5.2007, App. no. 1543/06 – Baczkowski and Others v. Poland
Rn. 67:
The Court acknowledges that the assemblies were eventually held on the planned dates. However, the applicants took a risk in holding them given the official ban in force at that time. The assemblies were held without a presumption of legality, such a presumption constituting a vital aspect of effective and unhindered exercise of freedom of assembly and freedom of expression. The Court observes that the refusals to give authorisation could have had a chilling effect on the applicants and other participants in the assemblies. It could also have discouraged other persons from participating in the assemblies on the grounds that they did not have official authorisation and that, therefore, no official protection against possible hostile counter?demonstrators would be ensured by the authorities.
EGMR v. 01.07.2008, App. no. 58243/00 – Liberty and others v. the United Kingdom
Rn. 56:
The Court recalls its findings in previous cases to the effect that the mere existence of legislation which allows a system for the secret monitoring of communications entails a threat of surveillance for all those to whom the legislation may be applied. This threat necessarily strikes at freedom of communication between users of the telecommunications services and thereby amounts in itself to an interference with the exercise of the applicants’ rights under Article 8, irrespective of any measures actually taken against them (see Weber and Saravia, cited above, § 78).
EGMR v. 17.7.2008, App. no. 513/05 – Schmidt v. Austria
Abweichende Meinung der Richter Rozakis, Vajic und Spielmann, Rn. 8:
After all, disciplinary action against a lawyer is to be taken very seriously, as it has a potential chilling effect. With regard to disciplinary proceedings, the Court has already found that the mere threat of an ex post facto review of criticism voiced by counsel is difficult to reconcile with his duty to defend the interest of his client and would have a “chilling effect” on the practice of his profession (see Nikula, cited above, § 54, and Steur v. the Netherlands, no. 39657/98, § 44, ECHR 2003-XI).
Siehe dazu auch hier auf Telemedicus.
EGMR v. 6.10.2009, App. no. 27209/03 – Kulis and Rozycki v. Poland
Rn. 37:
The campaign used slogans referring not only to the Reksio character, but also to sexual and cultural behaviour, in a manner scarcely appropriate for children – the intended market segment. This clearly raises issues which are of interest and importance for the public.
The applicants’ publication therefore concerned a sphere in which restrictions on freedom of expression are to be strictly construed. Accordingly, the Court must exercise caution when the measures taken by the national authorities are such as to dissuade the press from taking part in the discussion of matters of public interest (see Standard Verlags GmbH v. Austria, no. 13071/03, § 49, 2 November 2006).
EGMR v. 5.7.2011, App. no. 18990/05 – Wizerkaniuk v. Poland
Rn. 68:
The Court reiterates that it must exercise caution when the measures taken or sanctions imposed by the national authorities are such as to dissuade the press from taking part in the discussion of matters of legitimate public concern (see Standard Verlags GmbH v. Austria, no. 13071/03, § 49, 2 November 2006; Kuli? and Ró?ycki v. Poland, no. 27209/03, § 37, ECHR 2009?…). The chilling effect that the fear of criminal sanctions has on the exercise of journalistic freedom of expression is evident (see, mutatis mutandis, Wille v. Liechtenstein [GC], no. 28396/95, § 50, ECHR 1999-VII; Nikula v. Finland, no. 31611/96, § 54, ECHR 2002?II; Goodwin, cited above, p. 500, § 39; and Elci and Others v. Turkey, nos. 23145/93 and 25091/94, § 714, 13 November 2003). This effect, which works to the detriment of society as a whole, is likewise a factor which goes to the proportionality, and thus the justification, of the sanctions imposed on media professionals.
Rn. 82:
Moreover, the legal provisions concerned in the present case could have other negative consequences prior to publication, in that they were capable of making journalists avoid putting probing questions for fear that their interlocutors might later block the publication of the entire interview by refusing to grant authorisation, or choose interlocutors known for being co-operative, to the detriment of the quality of the public debate. The Court shares the view expressed by Justice Rzepli?ski in his dissenting opinion (see paragraph 26 above) that these provisions were therefore capable of having a chilling effect on the exercise of the journalistic profession by going to the heart of decisions on the substance of press interviews and shares.
EGMR v. 14.5.2013, App. no. 67810/10 – Gross v. Switzerland
Rn. 65:
The Court considers that this lack of clear legal guidelines is likely to have a chilling effect on doctors who would otherwise be inclined to provide someone such as the applicant with the requested medical prescription. This is confirmed by the letters from Drs B. and S. (see paragraph 11, above), who both declined the applicant’s request on the grounds that they felt prevented by the medical practitioners’ code of conduct or feared lengthy judicial proceedings and, possibly, negative professional consequences.
EGMR v. 19.9.2013, App. no. 23160/09 – Stojanovic v. Croatia
Rn. 39:
The Court reiterates that the extent of liability in defamation must not go beyond a person’s own words, and that an individual may not be held responsible for statements or allegations made by others, be it an editor or journalists (see Reznik v. Russia, no. 4977/05, § 45, 4 April 2013). Therefore, in a situation such as the one in the present case, where the applicant actually argues (see paragraph 38 above) that, by attributing to him, in connection with the interview in which he had criticised the policy of the Minister of Health, statements he had never made and ordering him to pay damages for those statements, the domestic courts had indirectly stifled the exercise of his freedom of expression, he may rely on the protection of Article 10 of the Convention. That is so because, if the applicant’s argument proves to be correct, the damages he was ordered to pay would be likely to discourage him from making criticisms of that kind in future (see, mutatis mutandis, Lingens v. Austria, 8 July 1986, § 44, Series A no. 103). The Court therefore finds that Article 10 of the Convention is applicable to the present case.
Rn. 70:
From the domestic courts’ judgments it would appear that they found it established that during the telephone conversation in question the applicant had indeed told his interlocutor that A.H. had threatened him that he would not become a professor as long as A.H. was the Minister, and thus qualified the applicant’s statement as a statement of fact, which he had later on been unable to prove (see paragraph 20 above). However, having regard to the importance of the principle that an individual’s liability in defamation must not extend beyond his or her own words, as well as the potential chilling effects which breaches of that principle can have on freedom of expression (see paragraph 39 above), the Court finds that there are cogent elements leading it to depart from that factual finding of the domestic courts in the present case.
EGMR v. 16.10.2013, App. no. 73469/10 – Nagla v. Latvia
Rn. 80:
The Court has already found that Article 10 of the Convention does not only protect anonymous sources assisting the press to inform the public about matters of public interest (see Nordisk Film & TV A/S v. Denmark (dec.), no. 40485/02, ECHR 2005?XIII). In that case the Court considered that Article 10 of the Convention applied even when a journalist had worked undercover and had used a hidden camera to film participants in a television programme, who could thus not be regarded as “sources of journalistic information in the traditional sense”. It was rather the compulsory handover of his research material that was susceptible of having a chilling effect on the exercise of journalistic freedom of expression. In that case, the identity of the journalistic sources in the traditional sense was adequately protected, and the handing over of the research material in relation to an alleged perpetrator, whose actions were under criminal investigation and whose identity was known to the police, was not deemed disproportionate to the legitimate aim pursued and the reasons given by the national authorities were considered to be relevant and sufficient.
Rn. 82:
The Court notes that the Government admitted that the search at the applicant’s home had been aimed at gathering “information about the criminal offence under investigation” and that it authorised not only the seizure of the files themselves but also the seizure of “information concerning the acquisition of these files”. While recognising the importance of securing evidence in criminal proceedings, the Court emphasises that a chilling effect will arise wherever journalists are seen to assist in the identification of anonymous sources (see Financial Times Ltd and Others v. the United Kingdom, no. 821/03, § 70, 15 December 2009).
EGMR v. 3.12.2013, App. no. 64520/10 – Ungvary and Irodalom v. Hungary
Rn. 68:
Lastly, concerning the severity of the sanction imposed, it is true that the applicant was subjected to civil-law, rather than criminal, sanctions. However, he was ordered to pay a considerable amount of money in damages and legal costs (see Koprivica v. Montenegro, no. 41158/09, § 73, 22 November 2011). Moreover, the Court considers that the measure applied, in a matter which affects Mr Ungváry’s professional credibility as a historian, is capable of producing a chilling effect. In this connection, the Court emphasises that a rectification of the statement of facts had already been ordered by a national court; and the subsequent sanctions were not strictly necessary to provide an adequate remedy to Mr K. – who otherwise failed to claim in a proper form (see paragraph 20 above) a publication to give satisfaction at the expense of the perpetrator.
Rn. 73 f.:
The Court further notes that the second applicant published an article discussing matters which have been found to be of public interest. In this connection, the Court considers that the impugned article was to a certain extent based on allegations of fact and as such susceptible to proof. It must therefore be examined whether the paper could reasonably regard the article written by a known historian as reliable with respect to the allegations in question and whether there were any special grounds for the paper to dispense with verifying if the allegedly defamatory information had a basis in facts.
Publishers are understandably motivated by considerations of profitability and by holding them responsible for publications often results in proprietary interference in the editorial process. In order to enable the press to exercise its ‘watchdog’ function, it is important that the standards of liability of publishers for publication be such that they shall not encourage censorship of publications by the publisher. The consideration of liability-related chilling effect is of relevance in the finding of the proper standard of care.
EuGH v. 21.10.2010, Rs. C-81/09 – Idryma Typou
Rn. 59:
Obwohl die Maßnahme unterschiedslos auf griechische Investoren und Investoren anderer Mitgliedstaaten anwendbar ist, ist die abschreckende Wirkung dieser Maßnahme für Investoren anderer Mitgliedstaaten größer als für griechische Investoren.
Soweit nämlich das Ziel des Gesetzes darin besteht, die Aktionäre dazu zu veranlassen, mit anderen Aktionären Allianzen zu schließen, um die Entscheidungen über die Führung der Geschäfte der Gesellschaft beeinflussen zu können, ist die Beachtung dieser Option, obgleich deren Wahrnehmung allen Aktionären aufgegeben ist, zweifellos schwieriger für Investoren anderer Mitgliedstaaten, die über die Verhältnisse der Medienlandschaft in Griechenland schlechter im Bilde sind und nicht notwendigerweise die verschiedenen Gruppen oder Allianzen kennen, die im Kapital einer Gesellschaft, die Inhaberin einer Erlaubnis für die Errichtung und den Betrieb eines Fernsehsenders ist, vertreten sind.
Folglich beschränkt eine nationale Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren streitige sowohl die Niederlassungsfreiheit als auch den freien Kapitalverkehr.
EuGH v. 8.4.2014, Rs. C-293/12 und C-594/12 – Digital Rights Ireland
Rn. 37:
Der mit der Richtlinie 2006/24 verbundene Eingriff in die in Art. 7 und Art. 8 der Charta verankerten Grundrechte ist, wie auch der Generalanwalt insbesondere in den Nrn. 77 und 80 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, von großem Ausmaß und als besonders schwerwiegend anzusehen. Außerdem ist der Umstand, dass die Vorratsspeicherung der Daten und ihre spätere Nutzung vorgenommen werden, ohne dass der Teilnehmer oder der registrierte Benutzer darüber informiert wird, geeignet, bei den Betroffenen – wie der Generalanwalt in den Nrn. 52 und 72 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – das Gefühl zu erzeugen, dass ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung ist.
Siehe zum Urteil auch hier auf Telemedicus.
OVG Münster v. 23.11.2010, Az. 5 A 2288/09
Rn. 4 f.:
Auch wenn die Bilder lediglich in Echtzeit übertragen und nicht gespeichert worden sind und dies dem Versammlungsleiter mitgeteilt worden ist, war die aufnahmebereite Kamera über die gesamte Dauer der Veranstaltung von einem ausgefahrenen Kameraarm eines unmittelbar vorausfahrenden Beweissicherungsfahrzeugs der Polizei auf die nur etwa 40 bis 70 Versammlungsteilnehmer gerichtet. Bei dieser Ausgangslage ist die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden, die Videobeobachtung habe die grundrechtlich relevante Eingriffsschwelle überschritten und die innere Versammlungsfreiheit der Teilnehmer beeinträchtigt. Bürger hätten aus Sorge vor staatlicher Überwachung von der Teilnahme an der Versammlung abgeschreckt werden können. Durch die Kameraübertragung war auch ohne Speicherung eine intensive, länger andauernde und nicht nur flüchtige Beobachtung selbst einzelner Versammlungsteilnehmer auf einem Monitor im Fahrzeuginnenraum möglich.
Unter diesen Gesichtspunkten war der konkrete Einsatz der Kameraübertragung geeignet, bei den Versammlungsteilnehmern das Gefühl des Überwachtwerdens mit den damit verbundenen Unsicherheiten und Einschüchterungseffekten zu erzeugen. Zudem war bei der aufnahmebereiten Kamera aus Sicht eines (verständigen) Versammlungsteilnehmers zu befürchten, die Aufnahme könne beabsichtigt oder versehentlich jederzeit ausgelöst werden.
BerlVerfGH v. 11.4.2014, Az. 129/13
Rn. 49:
Nach diesen Grundsätzen kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch eine Videobeobachtung durch eine bloße Übersichtsperspektive ohne Aufzeichnung, zu der § 1 Abs. 3 VersammlG Bln ermächtigt, einschüchternde Wirkung auf Versammlungsteilnehmer entfalten und diese in ihrer Grundrechtsausübung beeinflussen oder sogar von ihr abhalten kann. Der einzelne Versammlungsteilnehmer kann regelmäßig oder häufig aus seiner Perspektive nicht – bzw. allenfalls nach einer entsprechenden Information durch die Polizei oder die Versammlungsleitung – erkennen, ob ihn eine Kamera identifizierend aufnimmt und ob die Aufnahme aufgezeichnet wird. Ein schon durch diese Unsicherheit entstehendes Gefühl des Beobachtetseins bei Versammlungen unter freiem Himmel kann sich in einer die Eingriffsschwelle übersteigenden Art und Weise auf die innere Freiheit zur Grundrechtsbetätigung auswirken (a. A. Waldhoff, JuS 2011, 479 <480>).