„Das Internet ist kein rechtsfreier Raum”. Mit diesen inhaltsarmen Worten beginnen die kurzen Absätze zum Medienrecht in einem Entwurf des Regierungsprogramms von CDU/CSU, der seit kurzem durch das Internet geistert. Viel haben CDU/CSU demnach zum Recht der Informationsgesellschaft nicht zu sagen. Die Echtheit des Papiers ist zwar noch nicht bestätigt. Die wenigen Zeilen zur Zukunft des deutschen Urheberrechts, haben es aber in sich. Demnach wollen CDU/CSU das sog. „Three-strikes-Verfahren”, also die Sperrung von Internetanschlüssen bei wiederholten Urheberrechtsverletzungen, auch in Deutschland.
„Three strikes” and you are out!
„Wir möchten nach britischem und französischem Vorbild Rechtsverletzungen effektiv unterbinden, indem die Vermittler von Internetzugängen Rechtsverletzer verwarnen und nötigenfalls ihre Zugänge sperren.”
Ein Satz, der für ziemlich viel Wirbel sorgen könnte. „Three strikes and you are out” wird dieses Verfahren genannt, eine Adaption aus dem US-amerikanischen Recht. Was in den USA ursprünglich lebenslange Haft bei dreimaliger Verurteilung bedeutet, wurde auch für die urheberrechtliche Regelung übernommen. Danach kann Internetnutzern nach ihrem dritten Urheberrechtsverstoß der Internetanschluss entzogen werden.
International viel Ärger mit „Three strikes”
Frankreich hat gerade mit diesem Ansatz zu kämpfen: Nachdem Nicolas Sarkozy die Regelung zuerst europaweit durchsetzen wollte und damit – nach vielem Hin und Her – gescheitert war, brauchte er gleich zwei Versuche, um das Gesetz wenigstens in Frankreich durch das Parlament zu bringen. Nachdem das geschafft war, erklärte der französische Verfassungsrat (Conseil Constitutionnel) das Gesetz vor zwei Wochen für verfassungswidrig. Grund: Es verstoße gegen die Bürgerrechte. Die Zukunft des Gesetzes ist seitdem ungewiss. Auch Neuseeland arbeitet an einem vergleichbaren Gesetz, hat aber ebenfalls mit Schwierigkeiten zu kämpfen.
CDU und CSU sollten also eigentlich gewarnt sein. Zumindest bei der CDU scheint das auch der Fall zu sein: So ging noch Mitte Mai der medienpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, Thomas Jarzombek, davon aus, dass das „Three-Strikes-Verfahren” in Deutschland verfassungswidrig wäre. Vollständigen Rückhalt dürfte die Idee also auch in der CDU nicht haben.
Referentin: „Diese Version ist mir nicht bekannt”
Insofern muss man natürlich auch berücksichtigen, dass es sich bei dem Papier, das derzeit im Netz rumgereicht wird, nur um einen Entwurf handelt, dessen Quelle nicht ganz klar ist. Die CDU teilte uns auf Anfrage mit, dass in der ihr bekannten Version des vorläufigen Regierungsprogramms derzeit kein Hinweis auf das „Three Strikes”-Verfahren enthalten sei. Dort heiße es nur, dass „dem zunehmenden Wert des geistigen Eigentums durch die Rechtsstellung der Urheber im digitalen Zeitalter durch das Urheberrecht Rechnung getragen” werden müsse. Jedoch handele es sich dabei auch noch nicht um den abschließenden Entwurf.
Sollte sich das Papier nicht als dreister Fake einer Konkurrenzpartei herausstellen, ist es allemal ein Grund hellhörig zu werden.
Der Entwurf des Regierungsprogramms als PDF (möglicherweise über Firewalls nicht abrufbar).
Telemedicus zu Pro und Contra des „Three-strikes”-Verfahrens.
Update 12.25h:
Die CDU teilte uns nun nach weiteren hausinternen Recherchen mit, dass im aktuellen offiziellen Entwurf des Regierungsprogramm kein Hinweis auf das „Three Strikes”-Verfahren mehr enthalten sei. Um welchen genauen Entwurf es sich im Netz handelt und wie es dazu kam, dass dort „Three Strikes” gefordert werden, konnte man sich nicht erklären. In der aktuellen Arbeitsversion heiße es lediglich, dass Rechtsverletzungen im Internet effektiver unterbunden werden sollen.