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BVerfG bestätigt anonymisierte Bildberichterstattung

Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden: Die Bildberichterstattung in der Hauptverhandlung eines Strafverfahrens kann eingeschänkt werden. Das Gericht bestätigte damit eine Anordnung des Oldenburger Landgerichts. Dieses hatte dazu aufgefordert, nur mit anonymisierten Bildern über den Strafprozess zu berichten. Der hiergegen gerichtete Antrag eines privaten Rundfunksenders auf einstweiligen Rechtsschutz wurde abgelehnt.

Der Sender hatte über den Angeklagten eines Strafverfahrens im Fernsehen berichten wollen. Bei diesem Strafprozess geht es um den sogenannten „Holzklotz-Fall“: Dem Angeklagten wird vorgeworfen von einer Autobahnbrücke einen Holzklotz auf die Fahrbahn geworfen zu haben. Dabei wurde die Windschutzscheibe eines Autos getroffen, dessen Beifahrerin bei dem Unfall ums Leben kam.
Vermutlich auch wegen des großen Medieninteresses an dem Fall wurden Fernseh- und Fotoaufnahmen aus dem Gerichtssaal unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen. So durften Bildaufnahmen des Angeklagten nur im anonymisierten Zustand veröffentlicht werden. Bei Zuwiderhandlung sollte der Rundfunksender gar nicht mehr aus dem Gerichtssaal berichten dürfen. Der Sender sah sich aus diesen Gründen in seiner verfassungsrechtlich gewährleisteten Rundfunkfreiheit, Art. 5 I 2 GG, beeinträchtigt.

Das Bundesverfassungsgericht traf seine Entscheidung im Wege der sog. „Doppelhypothese“. Dabei wägt es die negativen Folgen gegeneinander ab, die sich ergeben, wenn im Einstweiligen Rechtsschutz „falsch“ entschieden wurde. Vor allem die Interessen und Rechte beider Seiten müssen einander gegenüber gestellt und bewertet werden.

Zu dem Interesse des Rundfunksenders äußerte sich das Gericht:

Hier ist das besonders gewichtige Informationsinteresse evident, da die Tat den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat und für die Hinterbliebenen des Opfers besonderes Mitleid empfunden wird. Auch die Begehungsweise wird in der Öffentlichkeit als besonders verwerflich empfunden und begründet die Besorgnis vor der Wiederholung gleichgelagerter Taten, insbesondere die Furcht, als Autofahrer wahllos Opfer einer solchen Tat zu werden. (…) Auch in der Anordnung einer solchen Anonymisierung kann aber eine gewichtige Beschränkung von Informationsmöglichkeiten der Öffentlichkeit liegen.

Hinsichtlich des Persönlichkeitsrechts des Angeklagten, welches durch die Anordnung des Landgerichts geschützt werden sollte, sagten die Verfassungshüter:

Die besondere Schwere einer angeklagten Tat und ihre als besonders verwerflich empfundene Begehungsweise kann im Einzelfall nicht nur ein gesteigertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, sondern auch die Gefahr begründen, dass der Angeklagte eine Stigmatisierung erfährt, die ein Freispruch möglicherweise nicht mehr zu beseitigen vermag. Die – womöglich wiederholte – Bildberichterstattung, die den Angeklagten als solchen im Gerichtssaal zeigt, kann wegen der besonderen Intensität des optischen Eindrucks in weiten Kreisen der Öffentlichkeit eine dauerhafte Erinnerung erzeugen, in der das Gesicht des Angeklagten mit den Schrecken der Tat verbunden wird.

Zwar habe ein Straftäter zu dulden, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an seiner Tat befriedigt wird. Zurückhaltung sei jedoch angesagt, wenn der Täter noch nicht rechtskräftig verurteilt sei. Denn insofern sei die verfassungsrechtlich verankerte Unschuldvermutung des Angeklagten zu beachten. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass eine Fernsehberichterstattung meist einen stärkeren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellt, als eine Wort- und Schriftberichterstattung in Hörfunk und Presse.

Die Abwägung des Gerichts ergab somit:

Bei Abwägung der entgegenstehenden Belange überwiegen die zu befürchtenden Nachteile für den Angeklagten die Folgen für die Presseberichterstattung, die sich aus dem Anonymisierungsgebot ergeben. (…)
Die in dem Anonymisierungsgebot liegende Beschränkung der Berichterstattung wiegt nicht so schwer, als dass sie es rechtfertigte, dass das Gericht eine wenn auch nur mögliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Angeklagten im Falle seines Freispruchs durch die beabsichtigte Bildberichterstattung, die weitreichende und teilweise nicht mehr zu beseitigende Folgen haben kann, zuzulassen hätte.

Der Beschluss im Volltext.

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts.

, Telemedicus v. 28.11.2008, https://tlmd.in/a/1057

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